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Der «Anwalt der ersten Stunde»
Wer einer Straftat verdächtigt wird, hat neu auch in der Schweiz vom ersten Moment an das Recht, einen Anwalt beizuziehen. Für den Berufsrechtsschutz des SEV eine heikle Situation.
Seit Anfang Jahr ist in der Schweiz die neue Strafprozessordnung in Kraft, die alle vorher gültigen kantonalen Strafprozessordnungen ersetzt. Das heisst, dass Strafverfahren nun neu in der ganzen Schweiz auf dieselbe Art und nach denselben Prinzipien geführt werden müssen. Die wohl spektakulärste Änderung betrifft den sogenannten «Anwalt der ersten Stunde».
Checkliste für den Beizug eines Anwalts
Die nachfolgenden Fragen sind zu klären, wenn ein Mitglied des SEV in die Situation gerät, dass es von der Polizei darauf hingewiesen wird, es könne einen Anwalt beiziehen:
- Bei einer Konfrontation durch die Polizei: Ist dies ein Fall für den Berufsrechtsschutz des SEV (handelt es sich zum Beispiel um einen Unfall auf dem Arbeitsweg oder um einen strafrechtlich wirksamen Vorfall bei der Arbeit?)?
- Brauche ich wirklich einen Anwalt für die erste Einvernahme? Dies könnte notwendig sein, wenn es Verletzte, Tote oder sehr hohen Sachschaden gegeben hat und man selber nicht einfach nur das Opfer ist. Zu beachten: Einen Atemlufttest darf die Polizei nach wie vor ohne Anwalt durchführen!
- Wenn ein Anwalt beigezogen werden muss: Es gibt in vielen Kantonen Hotlines der jeweiligen Anwaltskammern, die 24 Stunden besetzt sind. Den Anwalt immer nach den Kosten fragen!
- Den SEV-Berufsrechtsschutz so rasch wie möglich, aber spätestens am folgenden Tag verständigen – und zwar mit allen nötigen Angaben über die Art des Vorfalls, Adresse und Telefonnummer des beigezogenen Anwalts und dessen Kosten. Der SEV entscheidet anschliessend wie gewohnt über die Bewilligung des Berufsrechtsschutzes (Achtung: Bei vorsätzlichem oder grobfahrlässigem Verschulden kann der Rechtsschutz abgelehnt werden!) und setzt sich mit dem Anwalt in Verbindung bezüglich Kostengutsprache. Je nach Situation behält er sich vor, einen eigenen Vertrauensanwalt beizuziehen, der den «Anwalt der ersten Stunde» ablöst.
Wie im Krimi…
Wer einer Straftat verdächtigt wird, muss nun von der Polizei sofort formell darauf aufmerksam gemacht werden, dass dies der Fall ist und dass man (ausser der Angabe der Personalien) sowohl die Aussage verweigern als auch auf dem sofortigen Beizug eines Anwalts bestehen kann. Ganz wie im amerikanischen Krimi also dürfte der Satz «Ich sage nichts ohne meinen Anwalt» nun auch in der Schweiz öfters zu hören sein. (Er war zwar auch schon früher zu hören, aber die Standardantwort der Polizei «Wir sind hier nicht im amerikanischen Krimi!» ist jetzt passé!)
Das Rechtsschutzteam des SEV hat sich Gedanken über diese neue Situation gemacht. Noch ist zwar kein entsprechender Fall eingetreten, dies kann aber jederzeit geschehen.
Was passiert, wenn ein SEV-Mitglied von der Polizei darauf aufmerksam gemacht wird, dass es einen Anwalt beiziehen kann? Etwa zu später (oder sehr früher) Stunde, im Auto auf dem Arbeitsweg? Dafür ist der Berufsrechtsschutz zuständig; aber zu dieser Stunde ist niemand im Büro, der ein Gesuch bewilligt, noch erlaubt das Reglement dem Mitglied, dass es selber seinen Anwalt auswählt. Schliesslich hat der SEV ein Netz von Vertrauensanwälten. Dieses ist allerdings nicht so engmaschig, dass sichergestellt werden kann, dass rund um die Uhr ein Anwalt zur Verfügung steht.
Checkliste beachten!
Für diese neue Situation hat der Berufsrechtsschutz SEV eine vorläufige Checkliste (siehe nebenstehenden Kasten!) erstellt, die sicherstellen soll, dass die Mitglieder ihre Rechte wahrnehmen können, ohne dass die Kostengutsprache des SEV sich neu auf beliebig viele Anwälte ausdehnt. Dies im Wissen, dass die neue Regelung noch viele Unbekannte in sich birgt, auch für die Polizei und die Strafuntersuchungsbehörden.
Rechtsschutzteam SEV