Beistand

Was bedeutet Verbeiständigung?

Das Vertretungsrecht existiert auch bei den privaten Verkehrsunternehmen. Einige Rahmenbedingungen gilt es dabei zu beachten.

In der letzten Ausgabe wurde über das Vertretungsrecht von Mitarbeitenden der öffentlich-rechtlichen SBB berichtet. In dieser Ausgabe stellen wir die rechtlichen Grundlagen für das Vertretungsrecht der Mitarbeitenden vor, die privatrechtlich angestellt sind.

In den allermeisten GAV oder FAV, die der SEV abgeschlossen hat, ist explizit erwähnt, meist unter denjenigen Bestimmungen, die sich mit Pflichtverletzungen befassen, dass sich der oder die betroffene Mitarbeitende «verbeiständigen», also begleiten und vertreten lassen, kann. Was umfasst dieses Vertretungsrecht und gilt es auch, wenn in einem GAV oder FAV oder einem Anstellungsreglement nichts steht?

Eine Vollmacht schafft bei einer Stellvertretung Klarheit

Um es gleich vorwegzunehmen: ja. Jeder und jede hat – egal was in den Anstellungsbedingungen steht – ganz grundsätzlich in den meisten Situationen seines Lebens das Recht und die Möglichkeit, sich vertreten zu lassen. Privatrechtlich wird dies Stellvertretung genannt und ist in den Artikeln 32ff. des Obligationenrechts geregelt. Dort geht es wesentlich um Vertragsabschlüsse, aber man darf sich auch in der Interessenvertretung und Meinungsäusserung stellvertreten lassen. Immer aber muss nach aussen klar gemacht werden, dass der Stellvertreter zur Stellvertretung befugt und mit ihr beauftragt ist. Dies wird in aller Regel mit der Vollmacht bewerkstelligt, kann sich aber auch einfach aus den Umständen ergeben. Wer im Besitz einer Vollmacht ist, kann den Vollmachtgeber vertreten, und zwar im Umfang dessen, was die Vollmacht beschreibt.

Höchstpersönliches kann man nicht delegieren

Es gibt dabei allerdings auch Einschränkungen. Einmal inhaltlicher Natur: Gewisse Dinge im Leben sind höchstpersönlich und vertragen sich nicht mit einer Stellvertretung – die Heirat etwa. Aber auch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin, was etwas weniger selbstverständlich ist, weshalb es auch ausdrücklich in Art. 321 des OR festgehalten wird. Es geht also nicht, dass der Kari, wenn er am Montagmorgen keinen Bock auf die Büez hat, seinen Kumpel, der gerade nichts Besseres zu tun hat, mit einer Vollmacht hinschickt. Denn sein Chef hat den Kari angestellt und nicht den Kumpel und darf darauf bestehen, dass er den Kari dafür haben will, selbst wenn der Kumpel die Arbeit gerade so gut oder sogar besser erledigen könnte.

Mit einer Vollmacht kann man jemanden mit der Vertretung beauftragen

Im beruflichen Alltag kommt es, wie bereits erwähnt, vor allem dann zu Stellvertretungen, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin Probleme am Arbeitsplatz hat, etwa dann, wenn er oder sie einen schriftlichen Verweis erhält, oder im Vorfeld einer möglichen Kündigung. Da darf er dann eine Person seines Vertrauens mit der Vertretung seiner Interessen beauftragen, die ihn an Gespräche begleitet, allenfalls sogar an seiner Stelle hingeht und an seiner Stelle argumentiert oder Briefe verfasst. Diese Vertrauensperson, in unserem Fall sehr oft ein Gewerkschaftssekretär oder eine Gewerkschaftssekretärin, muss gegenüber dem Arbeitgeber nachweisen, dass er oder sie zu dieser Stellvertretung befugt ist – deshalb die Vollmacht.

Das Recht auf Stellvertretung ergibt das Recht auf Begleitung

Auch wenn dies nicht explizit in den Arbeitsbedingungen genannt wird, gibt es nur ganz wenige Gründe, dass eine solche Stellvertretung verweigert werden darf: etwa wenn Gefahr im Verzug ist (was aber nur selten vorkommt) oder wenn es sehr eilt (was seltener der Fall ist, als gewisse Vorgesetzte meinen). Dann kann darauf bestanden werden, ein Gespräch beispielsweise sofort durchzuführen, ohne dass der «Angeschuldigte» sich vertreten lassen kann. Auf der anderen Seite ist es bei Gesprächen mit dem Arbeitgeber aber auch nicht so, dass der betroffene Arbeitnehmer nur den Stellvertreter hinschicken kann und selber zu Hause bleiben. Dies darf er nur dann, wenn ihm nicht zuzumuten ist, an so einem Gespräch teilzunehmen, was ebenfalls nicht sehr oft der Fall ist. Aber begleiten lassen kann er sich in aller Regel, und zwar mit Berufung auf das Recht auf Stellvertretung.

Rechtsschutzteam SEV