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Arbeitszeitgesetz

«Teilzeit im öV braucht neue Regeln»

Regula Pauli, SEV-Gewerkschaftssekretärin und Expertin für das Arbeitszeitgesetz (AZG), beleuchtet im Interview die Herausforderungen, mit denen Teilzeitbeschäftigte in der Branche des öffentlichen Verkehrs konfrontiert sind. Das Gesetz berücksichtigt Teilzeitarbeit nämlich nicht, mit weitreichenden Folgen auch für Mitarbeitende im öV.

Regula Pauli.

Das AZG wurde 1971 verabschiedet, als Teilzeitarbeit in der Schweiz kaum verbreitet war. Wird das Gesetz, das u. a. wöchentliche Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten regelt, der Situation von Teilzeitangestellten überhaupt gerecht?

Regula Pauli: Nein. Denn das AZG und auch die entsprechende Verordnung zum Arbeitszeitgesetz (AZGV) kennen Teilzeitarbeit nicht; diese findet im AZG bzw. in der AZGV nicht statt. Umso wichtiger ist es, dass wir mit unseren Sozialpartnern dazu das Gespräch suchen und Regelungen für die Teilzeitarbeit vereinbaren. Dies einerseits, um die Teilzeitarbeit attraktiv zu gestalten, und andererseits zum Schutz der Mitarbeitenden, damit sie nicht zur günstigen, flexiblen Manövriermasse der Unternehmen degradiert werden.

Welche AZG-Regelungen stellen sicher, dass Teilzeitbeschäftigte im öV nicht benachteiligt werden, sei es in Bezug auf Arbeitszeiten, Überzeit oder Krankheitsabsenzen?

Faktisch bestehen keine entsprechenden Regelungen. Denn Teilzeitarbeit kommt im AZG nicht vor und auch nicht in der AZGV. In der Praxis kann dies bedeuten, dass ein Mitarbeiter sich zu einer Reduktion seines Pensums entschliesst, mit der Idee, so zusätzliche arbeitsfreie Tage zu erhalten. Da er dies aber nicht konkret vereinbart hat, kann es dazu führen, dass er trotzdem im Durchschnitt 5 Tage pro Woche arbeiten muss, aber einfach die kürzeren Dienste eingeteilt bekommt.

Welche Herausforderungen und Unsicherheiten bestehen für Teilzeitbeschäftigte im öV mit Blick auf (fixe) Teilzeittage und Überzeit?

Da das AZG und die AZGV Teilzeitarbeit schlicht nicht kennen, ist auch nichts geregelt. Somit sollte die Anzahl der Teilzeittage geregelt werden, deren Dauer, ein allfälliger Dienstschluss vor dem Teilzeittag, aber auch die Frage, ob der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter dank Teilzeit mehr arbeitsfreie Sonn- oder Feiertage zustehen.

Halten die Unternehmen die Regelungen des AZG konsequent ein?

Konsequent ist ein grosses Wort. In dieser Absolutheit muss ich die Frage mit Nein beantworten. Es ist aber auch nicht so, dass wir regelmässig systematische Verletzungen des AZG feststellen. Umso wichtiger ist es, dass Kolleginnen und Kollegen, die unter AZG arbeiten, Systematik, Sinn und Zweck wie auch die wichtigsten Bestimmungen kennen. An dieser Stelle kann ich die AZG-Kurse empfehlen, die wir unseren Mitgliedern anbieten (vgl. SEV-Agenda: www.sev-online.ch).

Demnach gibt es noch einigen Verbesserungsbedarf?

Ja, den gibt es. Umso wichtiger ist es, dass wir in Bezug auf die Ausgestaltung der Arbeitszeit und der Anwendung von Ausnahmebestimmungen mit unseren Sozialpartnern in einem Dialog sind und in den Verhandlungen Themen wie «10-Stunden-Dienstschichten sind genug!» einbringen. Diese Forderung geht über die AZG-Bestimmungen hinaus, sie ist aber für die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz von Bedeutung.

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Eva Schmid

Im Fokus der SEV-Frauenkommission: Teilzeit, Vereinbarkeit und Gesundheit

Auch die SEV-Frauenkommission setzt sich intensiv mit den Heraus-forderungen der Teilzeitarbeit auseinander. Sie fordert bessere Bedingungen für Teilzeitbeschäftigte im öV. Unregelmässige Schichten erschweren die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und belasten die Gesundheit. Besonders kritisch erachtet es die Frauenkommission, wenn Teilzeitmitarbeiter:innen infolge von Personalmangel ihre Wochenend- und Feiertagsdienste nicht reduzieren können oder als «flexible Manövriermasse» eingesetzt werden. Die SEV-Umfrage über Vereinbarkeit von Privatleben und Schichtarbeit hat ergeben, dass bei Männern und Frauen das Bedürfnis nach Teilzeitstellen gross ist. Die Kommission plädiert für klare Regelungen, damit Teilzeitarbeit für alle planbarer und fairer wird.