Delegiertenversammlung ZPV
Aggressionen und zu wenig Personal
Zwei Themen beschäftigen den Unterverband des Zugpersonals (ZPV) zurzeit besonders: die Aggressionen gegen das Personal und der erhebliche Unterbestand.
«Die Gewalt auf den Zügen ist aktuell sehr präsent», stellte Zentralpräsident Ralph Kessler an der 139. ordentlichen Delegiertenversammlung des ZPV vom 15. Mai in Langnau im Emmental fest. Als jüngstes krasses Beispiel nannte er die Randale von rund 200 enthemmten Jugendlichen am 21. April im ersten Frühzug von Sion nach Genf-Flughafen (siehe auch Interview auf Seite 2). Als die teilweise mit Messern bewaffnete Horde um 4 Uhr 38 in Martigny den Zug stürmte, stand die einzige Zugbegleiterin vor der schwierigen Aufgabe, die anderen Reisenden allein zu schützen. «Wir erhalten immer wieder Rückmeldungen über die Nichteinhaltung der Regelung, dass auf Zügen ab 22 Uhr und auf kritischen Frühzügen eine Doppelbegleitung vorzusehen ist», berichtete Ralph Kessler.
Zu hohe Belastung
Aber nicht nur auf den Spät- und Frühzügen müsse die SBB die Begleitkonzepte dringendst überdenken, sondern grundsätzlich, forderte Kessler. «Wir haben so viele Leute in den Zügen wie noch nie, und noch immer sind Züge mit nur einem Zugbegleiter oder einer Zugbegleiterin unterwegs. Die Belastungen sind enorm und stehen im direkten Zusammenhang mit dem Projekt ‹Kundenbegleitung 2020›, das wir dem heutigen Leiter Produktion Personenverkehr zu ‹verdanken› haben. Viele leere Versprechungen hat er damals gemacht – wie diejenige, dass auf Kompositionen von zwei FV-Dosto dann mehr als zwei Kundenbegleiter:innen eingesetzt würden. Heute müssen wir feststellen, dass man uns angelogen hat. Hier muss also dringend etwas passieren. Wir wollen unseren Job in den Zügen wieder sicher ausführen. Bereits letztes Jahr habe ich die Frage gestellt, ob unser Job uns krank macht. Die Absenzenzahlen zeigen ein deutliches Bild (weiterhin durchschnittlich rund 26 Tage Abwesenheit pro Jahr wegen Krankheit oder Unfall bei der Kundenbegleitung). Die aktuellen Unterbestände machen die Situation auch nicht einfacher.»
Gleiche Probleme seit Jahren
«Es ist erschütternd: Seit ich vor 15 Jahren Gewerkschaftssekretär wurde, mussten wir mit der SBB immer wieder über die beiden Themen Aggressionen und Unterbestände sprechen», sagte Jürg Hurni. Für ihn war es das letzte Grusswort an einer ZPV-DV als SEV-Verantwortlicher für den Personenverkehr SBB, denn er wird diese Funktion Ende Jahr an Gewerkschaftssekretär René Zürcher übergeben, der heute für die SBB in der Romandie zuständig ist. Er stellte sich den Delegierten persönlich vor.
Zurück zu den Unterbeständen, die sich schon abgezeichnet hatten, bevor am 10. August 2023 die Entgleisung im Gotthard-Basis-Tunnel zur Sperrung einer Röhre und damit zu längeren Fahrzeiten und mehr Bedarf an Personal führte. Jürg Hurni sieht den Grund für die Unterbestände woanders: «Irgendwie funktioniert die Personalrekrutierung nicht. In den letzten Jahren haben schon beim Lokpersonal und beim Rollmaterialunterhalt viele Mitarbeitende gefehlt, und auch der Bestand der Transportpolizei genügt längstens nicht und muss massiv erhöht werden.» Ein weiterer Grund für den «heutigen Schlamassel bei der Kundenbegleitung» ist auch für Jürg Hurni die Reorganisation KB 2020: «Sie hat gut funktionierende Strukturen vernichtet. Dafür ist die Leitung verantwortlich.»
ZPV-Interna und Anträge
Die Delegierten hiessen eine sanfte Strukturreform gut, die vor allem den bisherigen Ausschuss abschafft. Ebenso die ZPV-Rechnung 2023 mit einem kleinen Plus und das ausgeglichene Budget 2024. Für die Amtsperiode 2025–2028 wurden die Mitglieder des Büros (= «Geschäftsleitung» ab 2025) wiedergewählt mit Ausnahme von Jordi D’Alessandro, der als Vizepräsident per Ende Jahr zurücktritt. Er wird den ZPV weiterhin als Ersatzmitglied im SEV-Vorstand vertreten neben Susanne Kratzer (neu) und dem Zentralpräsidenten. Das Vizepräsidium ist noch vakant, wie auch die ZPV-Sitze in der Jugend- und Migrationskommission, Frauenvertreterin bleibt Janine Truttmann. Neues GPK-Ersatzmitglied wird Pascal Dürst vom ZPV Säntis-Bodensee.
Die Delegierten fordern in Anträgen die Einführung einer Entschädigung für die Verwendung privater Kleidung bei Schwerpunktkontrollen und Stichleistungen sowie zwei Wertschätzungstage als Dankeschön für Berufsbildner:innen von Lernenden, statt einem Tag wie bisher. Weiter fordern sie Viererteams auf allen Fussball-Extrazügen und eine bessere Regelung bei Übernachtungen in Paris.
Geehrt wurden Sara Eigenmann, abtretende GPK-Präsidentin, sowie Thomas Walther, der das Präsidium der Peko Fläche Kundenbegleitung nach 15 Jahren Ende Juni abgibt. Er bleibt in der Peko auf der Stufe Division aktiv.
Markus Fischer