Auf den Spuren von ...
Roman Umbricht, Rangiermeister
Der 58-jährige Rangiermeister (operativer Rangierleiter) beim Personenverkehr in Zürich sagt offen und ehrlich, was er denkt. So hat er schon manches Personalanliegen durchgebracht. Aber in letzter Zeit hat er «das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen».
Wir treffen Roman vor seiner Abendschicht beim Parkplatz der Serviceanlage Zürich-Herdern. Unter den Gleisen hindurch gelangen wir zu den Personalräumen und setzen uns neben der Halleneinfahrt an einen Pausentisch, den sich Rangierer, Unterhaltspersonal und Wagenreiniger teilen. Im schwindenden Abendlicht fahren Rangierkompositionen und Personenzüge vorbei. Kollegen grüssen und werden von Roman ins Gespräch einbezogen.
Das über 100-köpfige Rangierteam, das Ende Jahr an die Langstrasse umzieht, arbeitet rund um die Uhr: Die frühste Schicht dauert von 4 Uhr bis 12 Uhr 10, die späteste von 20 Uhr bis 4 Uhr. Das Einsatzgebiet reicht vom Hauptbahnhof bis Zürich-Altstetten. Die Hauptarbeit besteht heute darin, Wagen in den Unterhalt oder die Reparatur zu bringen und zurück in den Betrieb. Früher, als die Züge noch nicht verpendelt waren, wurden oft Verstärkungswagen an- und abgehängt oder im Zürcher Sackbahnhof die Loks ans Zugende gestellt. Heute wird weniger rangiert, dafür gibt es mehr Rollmaterial, also immer noch genug Arbeit.
Ursprünglich wollte Roman Pöstler werden, nachdem er in Wil/SG jahrelang in der Mittagspause die Zeitung ausgetragen hatte. Doch weil er bei der Post keine Lehrstelle fand, machte er ab 1980 die SBB-Betriebslehre und arbeitete auf diversen Bahnhöfen im Gepäckdienst, im Güterschuppen und im Rangier. 1992 wurde er Rangiervorarbeiter, 1994 Rangiermeister, später Teamleiter, Einteiler und Disponent. «Ich habe meine Stelle nie gewechselt, weil ich musste, sondern weil ich es wollte», betont er. Im SEV ist er schon lange GAV-Delegierter und im Vorstand der RPV-Sektion Zürich, zurzeit als Werbeverantwortlicher. Letztes Jahr hat er acht Mitglieder geworben. «Ich überrede niemanden, sondern erkläre die Vorteile der Mitgliedschaft und sage den Jungen, noch ihren Vater zu fragen, ob das eine gute Sache ist. Besonders wichtig ist für uns der Rechtsschutz.»
Nach verschiedenen Operationen an Knien, Sehnen usw. ist Roman heute manchmal froh, wenn ein Jüngerer ans Zugende rennt. «Rangieren im Alter ist hart. Der Arbeitsdruck ist gestiegen und die Digitalisierung für uns Ältere eine Herausforderung.» In der Tat ist Personal abgebaut worden, zum Beispiel die Vorarbeiter. Und es gibt vakante Stellen, weil Mitarbeitende oft nach kurzer Zeit wieder davonlaufen und nicht leicht zu ersetzen sind. Oder sie entwickeln sich bei der Bahn weiter: «Wenn das so weitergeht, gibt es im Rangier bald keine Fachkräfte mehr. Die SBB muss bessere Löhne bezahlen und bei individuellen Erhöhungen den Lohnaufstieg nicht einfrieren. Auch sonst muss sie den Rangierern mehr bieten, auch zwischenmenschlich», sagt Roman, der die Jungen gerne mit bahntechnischen Fragen und Rätseln herausfordert. «Wenn gearbeitet wird, wird gearbeitet, trotzdem kann man es lustig haben zusammen.»
Schon manches Personalanliegen hat Roman bei den Vorgesetzten durchgebracht. Zum Beispiel schrieb er dem ehemaligen CEO Benedikt Weibel einen Brief, als Rangierfunktionen zurückgestuft werden sollten, was dann unterblieb. «Benedikt Weibel hat sich für die Mitarbeitenden echt interessiert und uns wirklich zugehört.» Das vermisst Roman heute zum Teil. «Ich habe oft das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen.»
So blieben die erwähnten Lohnforderungen bisher unerfüllt. Ebenso Romans Forderung, die neuen harten Luftschläuche, die nur mit viel Kraft gebogen werden können, durch weichere zu ersetzen. Ergonomisch schlechter geworden sind auch die schwereren Kupplungen und die kürzeren Hebel ohne Kugeln. Ungesund sind zudem die unruhigen Dienstpläne. «Wenn die Arbeit mehrere Tage um die gleiche Zeit beginnt, ist das für den Körper verträglicher», erklärt Roman. Er hat darum bessere Pläne gezeichnet, die immerhin zum Teil umgesetzt wurden. Und er hat Unterschriften gesammelt dafür, dass wieder nachgeschaut werden kann, wie die Kolleg:innen im Team arbeiten. Fast das ganze Team hat unterschrieben, doch die Chefs verweisen auf Datenschutz und angeblichen Mehraufwand. Roman bedauert auch, dass Krankheitsfälle und Pensionierungen im Team nicht mehr kommuniziert werden.
Seit rund zwanzig Jahren wohnt Roman in Grafstal bei Winterthur in einem alten Haus, für dessen Umbau die Familie mit drei Kindern jahrelang auf Ferien verzichtet hat. Dafür hatten sie ein heimeliges Zuhause mit Garten, Hühnern und anderen Haustieren, darunter bis vor Kurzem zwei Ziegen. «Ich hatte das Glück, dass mich meine Frau immer unterstützt hat. Eisenbahnerfrauen haben es nicht einfach, mit unseren unregelmässigen Diensten!»
Markus Fischer