Auf den Spuren von ...
Andressa Lourenco Chaves, Kundenbegleiterin
Jung, selbstsicher, intelligent, mit wachem Blick und guter Laune. Andressa Lourenco Chaves hat soeben ihre Ausbildung zur Kundenbegleiterin bei der SBB abgeschlossen. Wir treffen sie an ihrem freien Tag in Bellinzona, auf der Rückreise von Luzern. Sie hat klare Vorstellungen und einen weiten Blick.
Wer wie Andressa brasilianische Wurzeln hat, kennt einen Ausdruck, der eigentlich einen Gemütszustand beschreibt: «Saudade». «Saudade» bezeichnet die Sehnsucht nach etwas oder jemand sehr Geliebtem. Wenn sie sich an ihre Herkunft erinnert – sie wurde in Fortaleza geboren –, zeigen sich in ihren Augen starke Emotionen. Es könnte gar nicht anders sein. Wenn sie sich erinnert, kommt alles hervor: Ereignisse, Momente, Personen. In einem einzigen Augenblick hat Andressa bei mir einen «Wow»-Effekt ausgelöst.
Aus Italien, wo sie einige Jahre mit ihrer Familie gelebt hat, hat sie eine Ausbildung im Tourismus mitgebracht. Eine Wahl, die nicht überrascht, denn ihre Neugier und ihre Geselligkeit drängen sie zum Reisen und zum Kontakt mit Menschen. Nach einer Stelle im Verkauf landete sie bei der SBB. Letztes Jahr hat sie die Lehre begonnen, gut geführt von Marco Belloli, einem langjährigen SEV-Aktivisten. «Ich bin voll Begeisterung zur SBB gekommen, und die Ausbildung mit Marco war sehr bereichernd. Er hat mich aufmerksam begleitet und mir viel mitgegeben, sowohl Informationen als auch seine grosse Erfahrung. Auch jetzt in der Phase der Vertiefung des Gelernten kann ich jederzeit auf seine sprichwörtliche Verfügbarkeit zählen. Marco hat mir so viel Positives gegeben. Wenn ich am Morgen aufstehe, freue ich mich, zur Arbeit zu gehen. Ich glaube, dass das ein Privileg ist. Eine Arbeit auszuüben, die man liebt, ist viel wert, vor allem für uns Junge.» Sie hat eine natürliche Begabung für den Kontakt mit Menschen und liebt es, anderen zu helfen und deren Probleme zu lösen. «Wenn ich einen Wagen betrete, empfinde ich immer einen gewissen Stolz: Ich grüsse, stelle mich lächelnd vor und bin den Reisenden gegenüber aufmerksam. Mir gefällt es, die verschiedenen Dialekte zu hören und die Schweiz auch aus diesem Winkel kennenzulernen.» Das Interesse an den Sprachen überrascht bei der vielsprachigen Andressa nicht. Für sie sind sie ein Kulturgut.
Sie bezeichnet sich selbst als temperamentvoll, und sie ist bereit, den Menschen zu vertrauen. Auch dieser Charakterzug ist tief verwurzelt: «Als ich im Verkauf gearbeitet habe, sind viele Kolleginnen mit ihren Problemen zu mir gekommen. Sie fragten mich nach Informationen und Ratschlägen. Ich habe ihnen gerne geholfen, wenn ich ihre Anliegen näher kannte.»
Sich informieren, vertiefen, begreifen, handeln: Das sind die grundlegenden Fähigkeiten für jemanden, der sich in einer Gewerkschaft einsetzen will, wie es Andressa gemacht hat. «Den SEV empfinde ich als sehr seriös und kompetent, weshalb ich keinen Moment gezögert habe, Mitglied zu werden. Für mich darf sich eine richtige Gewerkschaft nicht auf Marketing beschränken, sondern muss Inhalte entwickeln, sichtbar sein, Lösungen vorschlagen und den Leuten zuhören.» Andressa hat klare Vorstellungen und möchte, dass auch die Jungen begreifen, wie wichtig der Beitritt zur Gewerkschaft ist. «Ja, viele Junge sind ernüchtert, und manchmal führen Enttäuschungen dazu, dass sie nur im Augenblick leben. Wir Jungen schauen schon vor allem auf die Gegenwart, aber wir sind fähig, weit, sehr weit zu blicken. Wir müssen in der Gegenwart beginnen, an der Zukunft zu bauen. Die Herausforderungen, denen wir begegnen, sind wirklich gross.» So lässt sich bei Andressa auch der gewerkschaftliche Gedanke finden, diese Idee der Gerechtigkeit, die nie fehlen darf. «Ich bin die Erste, die sagt, dass wir Pflichten haben und über unser Tun Rechenschaft ablegen müssen. Aber neben den Pflichten gibt es auch Rechte. Es würde mir gefallen, mich künftig stärker im SEV einzubringen.» Das ist eine gute Nachricht, denn die Zukunft gehört den Jungen. Und ihre Rolle als Botschafterin der neuen SEV-Kampagne ist ein gutes Zeichen dafür.
Auch wenn sie gerne unter Leuten ist, braucht Andressa Momente für sich allein. «Ich lade meine Batterien im Fitness auf. Und ich gehe gerne allein spazieren, allein mit meinen Gedanken. Diese Zeit gehört ganz mir.»
Françoise Gehring; Übersetzung: Peter Moor