Vorstand SEV
Valérie Solano einstimmig als Vizepräsidentin gewählt
Für die Wahl eines Mitglieds der Geschäftsleitung ist normalerweise der Kongress zuständig, ausser in Jahren, in denen er nicht tagt. Am Freitag, 24. September wählte der Vorstand – einstimmig – Valérie Solano zur Vizepräsidentin des SEV ab dem 1. Januar 2022. Sie folgt auf Barbara Spalinger, die 20 Jahre in dieser Funktion war. Ein Rückblick auf diese emotionsgeladene Wahl.
Es ist etwa 10.30 Uhr, als Valérie den Raum betritt, in dem der SEV-Vorstand tagt. Es gibt eine stehende Ovation! Nach der Befragung hat sich der Vorstand beraten. Die Emotion ist deutlich spürbar. Die Genferin ist erleichtert, nachdem sie die Fragen des Vorstands in deutscher Sprache beantwortet hat. Sie weiss, dass die Aufgabe nicht einfach sein wird, aber sie fühlt sich bereit «diese sehr grosse Herausforderung anzunehmen. Ich bin in der Landwirtschaft aufgewachsen und habe dort gelernt, dass es besser ist, keine Versprechungen zu machen.» Der Vorstand fragte sie, welche Rezepte sie zur Verbesserung der Mitgliederwerbung habe. «Wir müssen Mengenziele setzen, aber um sie zu erreichen brauchen wir fünf Jahre. Wir müssen beweisen, dass es lohnender ist, Mitglied zu sein als nicht. Heute werde ich also keine Zahlen nennen. Diese werde ich nicht allein festlegen, sondern zusammen mit den Sektionen und Unterverbänden.»
Die Nähe zur Basis, die Arbeit im Auftrag der Arbeitnehmenden, «die das Problem kennen», hat die Genfer Gewerkschaftssekretärin während ihrer ganzen beruflichen Laufbahn begleitet. Diejenigen, die sie nach dem Streik bei den TPG von 2014 als zu radikal angesehen haben mochten, erinnert sie: «Meine Rolle war es, die Kolleginnen und Kollegen der TPG zu begleiten und in ihrem Kampf zu unterstützen, nicht sie anzuführen. Ich konnte den Streik weder allein machen noch ihn anordnen. Das war ihr Kampf!»
Die Gewerkschaftssekretärin überzeugte den Vorstand mit ihrem beruflichen Hintergrund. Die gelernte Buchhändlerin, die später einen Abschluss in Soziologie machte, erklärte, weshalb ihr Werdegang eine Chance war: «Ich war Buchhändlerin und hatte viel Spass am Beruf. Mir wurde fristlos gekündigt, weil ich mich über meine Arbeitsbedingungen beschwert hatte. Manchmal vermisste ich diese Arbeitsrealität an der Universität, wo einige Forschende keine Ahnung haben, was es bedeutet, einen Chef oder eine Familie zu haben und die Arbeit nicht verlieren zu dürfen.» Sie weiss, was es heisst, Arbeitnehmerin zu sein, hat jedoch auch die Fähigkeit, die «andere Seite» zu analysieren: «Um verhandeln zu können, muss man die Werkzeuge und Rollen jeder Seite kennen.»
Um die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu erwirken, wird sie sich aber vor allem auf ihre Fähigkeit verlassen, Menschen zuzuhören und zusammenzubringen. «Seit ich vor zehn Jahren beim SEV in Genf begann, hat mich neben den TPG auch schon die SBB beschäftigt. Es fehlten uns Vertrauensleute in der SBB-Unterhaltsanlage oder beim Reinigungspersonal. Heute sind wir dank der Arbeit vor Ort, dank der Mischung von Profis und Aktivisten gut aufgestellt.»
Valérie Solano wird mit 54 Jahren die erste Frau aus der Romandie in der SEV-Geschäftsleitung sein. In ihre neue Funktion wird sie auch den Léman Express mitnehmen, «ein Dossier, das noch nicht abgeschlossen ist». Die grösste grenzüberschreitende S-Bahn Europas ist nicht nur technisch herausforderungsreich, sondern auch in Bezug auf die Gewerkschafts- und Unternehmenskulturen. Im Vordergrund stand und steht die Einhaltung der Arbeitsbedingungen und die Verhinderung von Lohndumping.
In der Geschäftsleitung stösst Valérie Solano zu Präsident Giorgio Tuti, Finanzchef Aroldo Cambi und Christian Fankhauser, dem derzeitigen Vizepräsidenten des Bereichs KTU, mit dem sie im Regionalsekretariat Lausanne zusammenarbeitete und ein starkes Duo bildete. Mit ihm hatte sie sich insbesondere bei der sehr harten GAV-Erneuerung für die Lausanner Verkehrsbetriebe (TL) zusammengetan oder gemeinsam an arbeitsmedizinischen Umfragen zur Arbeitssicherheit in der Branche Bus gearbeitet. Diese Zusammenarbeit knüpft an diejenige zwischen Barbara Spalinger und Giorgio Tuti an, der speziell darauf hinwies: «Es wird ein neues Kapitel aufgeschlagen und wir werden die Gelegenheit haben, Barbara angemessen zu danken. Aber ich nutze diese Wahl und betone, wie gut wir in all den Jahren in der Geschäftsleitung zusammengearbeitet haben: Wir telefonieren fast täglich, sogar am Wochenende. Nicht wirklich ein gutes Beispiel», lächelte er. «Aber ich kann schon jetzt sagen, dass du Valérie in deiner Funktion durch deine unermüdliche Einsatzbereitschaft alles gegeben hast. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dir! Du magst die Nähe zu den Menschen. Im SEV ist dies unerlässlich!»
In weniger als drei Monaten wird Valérie Solano das Vizepräsidium und die SBB-Dossiers offiziell übernehmen. Die Herausforderung? Valérie: «Mein Deutsch perfektionieren, das ich schon vor zwei Jahren bei einem längeren Aufenthalt in Berlin verbessern konnte.»
Vivian Bologna / Übersetzung Nick Raduner