Auf den Spuren von ...
Markus Widera, Gruppenleiter Instandhaltung
Markus Widera präsidiert seit 1. Januar die SEV-VPT-Sektion Südostbahn. Wir haben ihn am Arbeitsplatz in Herisau getroffen.
Der Hauptort des Kantons Appenzell-Ausserrhoden ist von St. Gallen in wenigen Bahnminuten erreichbar. Kurz vor dem Bahnhof sieht man links das Service-Zentrum Rollmaterial der SOB, wo Markus Widera seit neun Jahren arbeitet. Ausgerüstet mit einer gelben Warnweste und natürlich einer Gesichtsmaske folge ich ihm durch die grosse Werkhalle über Gleise, vorbei an «Flirt»-Zügen, durch einen solchen hindurch und dann über steile Treppen hinauf in sein Büro. Dort erstellt er seit Anfang Jahr als Gruppenleiter Instandhaltung täglich ab 7 Uhr Arbeitsaufträge für das Team und erfasst sie im System, neben weiteren administrativen Arbeiten. Auch Mitarbeitergespräche mit seiner zehnköpfigen Gruppe gehören neu zu seinem Pflichtenheft. Das Büro teilt er mit dem zweiten Gruppenleiter und dem Abteilungsleiter. Seine Arbeitstage dauern nun öfter etwas länger als bisher, dafür hat er jetzt an Wochenenden frei, abgesehen von Notfällen. Das macht es für ihn einfacher, mit seiner 11-jährigen Tochter, die bei seiner Ex-Partnerin lebt, etwas zu unternehmen. Für Hobbys bleibt ihm wenig Zeit, erst recht jetzt, wo er neben der neuen Funktion bei der SOB auch das Präsidium der VPT-Sektion Südostbahn übernommen hat.
Der 46-Jährige ist in Hannover (D) aufgewachsen. In einem Werk für Aluminiumrohre machte er die dreieinhalbjährige Lehre als Energieelektroniker Betriebstechnik (Automatiker). Nach dem Zivildienst war er sieben Jahre im Tankanlagenbau tätig und machte die Meisterprüfung in Elektrotechnik. Nach längerer Stellensuche fand er 2006 in der Schweiz Arbeit beim Zugbauer Stadler Rail in Altenrhein (SG).
Von Stadler zur SOB
Er baute die erste Serie von Niederflurtriebzügen «Flirt» für die SOB mit, führte 2010 daran Servicearbeiten aus und wechselte 2011 zur SOB als Mitarbeiter Instandhaltung in Herisau. Die Bahn hat inzwischen bei Stadler weitere «Flirts» für den Regionalverkehr gekauft, und für den Fernverkehr die kupferfarbigen «Traverso»-Züge. Diese verkehren seit 2019 als Voralpen-Express zwischen St. Gallen und Luzern und seit Dezember 2020 als «Treno Gottardo» zwischen Basel/Zürich und Locarno. Viele der rund 20 Instandhaltungsmitarbeiter in Herisau sind ehemalige Stadler-Mitarbeiter.
Kader und Gewerkschafter
Ist Markus Wideras Kaderfunktion mit seinem neuen SEV-Mandat kompatibel? Vertrauen ihm Kollegen und Vorgesetzte trotzdem? «Das will ich doch mal schwer hoffen», sagt er. «Mein gewerkschaftliches Engagement wurde im Bewerbungsgespräch thematisiert. Meine Vorgesetzten wissen, dass ich sehr stark SEV-lastig bin und dass ich die Interessen meiner Kollegen und auch meine Interessen gewerkschaftlich geschützt wissen möchte, zum Beispiel bei Schichtplanungen oder bei Arbeitszeiten. Gute Lösungen für das Personal sind auch im Interesse des Arbeitgebers, und bislang haben wir immer vernünftig zusammengefunden. Der SEV stellt ja keine utopischen Forderungen.» Klar ist, dass er Kolleg/innen bei individuellen Streitfällen nur bedingt beraten und unterstützen kann, auch weil er kein Arbeitsrechtsspezialist ist. In solchen Fällen zog die Sektion schon bisher SEV-Gewerkschaftssekretär Claude Meier oder das SEV-Rechtsschutzteam bei.
Ganz neu sind die Aufgaben als Sektionspräsident für Markus Widera nicht, denn er war schon seit Frühling 2019 Vizepräsident und kann auf Unterstützung von Amtsvorgänger Bruno Gamper zählen, der Vizepräsident bleibt. Seit 2018 vertrat Markus Widera im Sektionsvorstand das Instandhaltungspersonal und gehörte 2019 der SEV-Delegation bei den GAV-Verhandlungen an. Nach deren Abbruch resultierte bei schwierigen Lohnverhandlungen letztlich ein Kompromiss für 2020. Für 2021 wurden wegen Corona keine Lohnverhandlungen geführt, doch in diesem Jahr wird wieder über den GAV verhandelt. «Dabei sind die Löhne sicherlich wieder im Fokus, weil sie für viele nicht mit den steigenden Lebenshaltungskosten mitgehalten haben», erklärt der Sektionspräsident. 2020 fielen die Mitgliederversammlungen aus, «womit langjährige Mitglieder nur schriftlich geehrt werden konnten, was sehr schade war.» Auch die geplanten Werbeaktionen mit Hotdog-Maschine fielen aus, sollen aber baldmöglichst nachgeholt werden. Nachdem die Zahl der Sektionsmitglieder – rund 330 mit den Pensionierten – in den letzten Jahren stabil geblieben ist, ist sie 2020 gestiegen. Der Präsident führt dies nicht nur auf den Personalzuwachs bei der SOB zurück, sondern auch darauf, «dass vielen in der unsicheren Coronazeit die Bedeutung der Gewerkschaft wieder bewusster geworden ist».
Markus Fischer