| Aktuell / SEV Zeitung

Genfersee-Schifffahrt

GAV-Verhandlungen und Personalmangel bei der CGN

Derzeit laufen Gespräche zwischen dem SEV und der Leitung der Compagnie générale de navigation sur le Lac Léman (CGN) über die Erneuerung des GAV, dem alle Mitarbeitenden unterstehen – 216 Personen im 2019. Dabei geht es um eine Auffrischung.

Obwohl die Gespräche noch nicht abgeschlossen sind, kann man bereits eine erste Bilanz ziehen, die Mathias Gay-Crosier, Kapitän und Präsident der Sektion VPT-Lac Léman, «eher positiv» findet. «Bisher konnten wir einige Errungenschaften beibehalten und sogar ausbauen. Aufgrund des gesundheitlichen Kontextes ist es schwierig, grosse Fortschritte zu erwarten», sagt er. «Wir können sagen, dass bei der Arbeitszeit einige Dinge verbessert wurden, doch gibt es noch eine Reihe von Punkten, die diskutiert werden müssen», ergänzt Jean-Pierre Etique, der für die CGN zuständige SEV-Gewerkschafts­sekretär.

Lohnsystem noch nicht verhandelt

Auch das Lohnsystem muss überarbeitet werden, war aber bisher noch nicht Gegenstand von Verhandlungen, wie Etique beifügt. «Der SEV erhofft sich von der Überarbeitung eine grundsätzliche Verbesserung der heute etwas veralteten Arbeitsbedingungen und damit der Attraktivität der Schiffsberufe.» «Die Lohnskala hat mit der Entwicklung der Berufe nicht Schritt gehalten», bestätigt Gay-Crosier.

Der neue GAV soll per 1. Januar 2022 unterzeichnet und in Kraft gesetzt werden, unter Ausklammerung des Lohnsystems, wozu noch einige Diskussionen nötig sind. «Als Datum für die Lohnsystemanpassung wurde 2024 genannt, doch es muss schneller gehen, denn das Personal wartet schon zu lange auf eine Verbesserung», warnt Etique.

Mathias Gay-Crosier ist zwar zuversichtlich, was die GAV-Verhandlungen betrifft, schlägt aber wegen dem Personalunterbestand Alarm: «Im Sommer lag die Absenzenquote bei etwa 10 %, an bestimmten Tagen sogar darüber! In diesem Herbst mussten Schiffsführer als Kassiere einspringen. An einem Wochenende sind zwei Schiffe nicht ausgefahren. Der «Navibus» und der «Col-Vert» fuhren während der Sommersaison mehrmals ohne Kassier an Bord», führt Gay-Crosier aus. Wie das SBB-Lokpersonal ist auch das CGN-Personal bis an die Grenzen ausgelastet, sodass sich Ausfälle einzelner Personen schnell bemerkbar machen. Lionel Simonin, Vorstandsmitglied der SEV-VPT-Sek­tion Lac Léman, erklärt: «Bisher war es aufgrund des beruflichen Gewissens der Kolleg:innen möglich, bei Absenzen jemanden zu finden, damit das Schiff abfahren konnte. Aber jetzt sind die Leute so am Anschlag, dass nicht mehr ständig jemand einspringen kann.»

Mangelnde Voraussicht

Der neuen Leitung muss man zugutehalten, dass sie eine Situation geerbt hat, in der Entscheidungen aufgeschoben wurden. Der derzeitige Personalmangel ist auf fehlende Voraussicht zurückzuführen. Die Flotte wächst und das Angebot wird ausgebaut, aber es fehlt unter anderem an Kassieren und Schiffsführern. Für diese Funktionen braucht man eine gründliche Ausbildung. Der Weg zum Dampfkapitän dauert bis zu 15 Jahre. Hier besteht aber dringender Bedarf, denn im nächsten Sommer werden zwei Dampfer wieder in Betrieb genommen, darunter die «Rhône», gefolgt von zwei neuen Schiffen mit Hybridantrieb in den Jahren 2023/24 und einer neuen regulären Verbindung im 2024!

«Der SEV ist sehr besorgt über die Ressourcenplanung des Unternehmens», sagt Jean-Pierre Etique. «Wir legen grossen Wert auf die Laufbahnen, dank denen die fundierte Ausbildung und die grosse Erfahrung der Schiffsleute eine hohe Qualität und Sicherheit der Dienstleistungen für die Fahrgäste garantieren. Darauf gründet der Erfolg der CGN in einer Branche, die stark von den Launen des Wetters abhängt.»

«Die CGN muss genügend Personal anstellen und ausbilden und den Nachwuchs sicherstellen. Und obwohl sie nicht mehr der familiäre Betrieb von früher ist, darf sie nicht der beruflichen Spezialisierung verfallen. Denn die Schiffsleute hängen auch deshalb an ihrem Job, weil sie im Winter die Schiffe unterhalten», betont Etique. Es gibt ein empfindliches Gleichgewicht zwischen ihrer Arbeit als Fahrpersonal und der Arbeit in der Werft, die es ihnen im Winter erlaubt, die im Sommer angehäufte Überzeit abzubauen und sich davon zu erholen. «Wir mögen diese Doppelfunktion, die es uns ermöglicht, zwei Berufe auszuüben und langfristig durchzuhalten», sagt Simonin. 

Yves Sancey / Übersetzung Markus Fischer