PwC präsentiert Studie «für ein zukunftsfähiges Schweizer Mobilitätssystem»
Mobilität der Zukunft gelingt nur gemeinsam
Die Mobilität in der Schweiz nimmt weiter zu. Sie wird anspruchsvoller und digitaler und ist deshalb nur zu bewältigen, wenn alle Akteure eine gemeinsame Vision entwickeln. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Beratungsunternehmens PwC.
«Der Aufbau eines analog und digital vernetzten Mobilitätsökosystems ist dringend erforderlich.» Dies ist die Schlussfolgerung einer Studie von PwC (PricewaterhouseCoopers) in Zusammenarbeit mit der Universität St.Gallen und dem Verband der Telekommunikation Asut. Es brauche neue Formen der Zusammenarbeit, um den Entwicklungen in der Mobilität gerecht werden zu können. Unter einem Ökosystem verstehen die Autoren eine neue Gestaltung des Schweizer Mobilitätssystems. Sie lassen keinen Zweifel offen, dass hier etwas zu tun ist. Einerseits geht es darum, die technischen Entwicklungen einzubeziehen, andererseits ergeben sich laufend neue Kundenerwartungen, etwa wegen Veränderungen im Pendlerverhalten oder wegen der Zunahme an reisefreudigen Rentnerinnen und Rentnern. Hinzu kommt der starke Druck weltweit tätiger Anbieter, die mit viel Geld und neuen Ideen auch in die Schweiz drängen.
Öffentliche Kontrolle beibehalten
Die Autoren betonen das Risiko, dass «der öffentlichen Hand die Kontrolle über die Entwicklungen im Mobilitätssektor allmählich entgleitet». Dies weil globale Technologieunternehmen aktiv seien, ein internationaler Anpassungsdruck bestehe und die Regulierungsbestimmungen nicht mit der rasch fortschreitenden digitalen Entwicklung im Einklang ständen. Die öffentliche Hand müsse deshalb «die Zügel fest in die Hand nehmen und gezielte Anreize und Verbindlichkeiten für das Schweizer Mobilitätssystem schaffen», hält die Studie fest.
Daniela Lehmann, im SEV verantwortlich für die Verkehrspolitik, teilt diese Einschätzung. Aus Sicht des SEV ist es wichtig, dass zuerst gemeinsam mit den beteiligten Akteuren die Rolle und die Rechte der öffentlichen Hand geklärt werden. Ziel dabei muss unter anderem sein, dass die öffentliche Hand genügend Handlungsspielraum hat, um die politischen Zielsetzungen zu erreichen, und dass die neuen Geschäftsmodelle mit dem Service public vereinbar sind.
Digitalisierung als Megatrend
Die Digitalisierung wird laut der Studie die Mobilität massiv verändern. Einerseits geschieht dies direkt, da neue Angebote (z.B. Uber) und Möglichkeiten (Verbindungen von Produkten) entstehen. Andererseits indirekt, etwa weil die Individualisierung dank digitaler Hilfsmittel zunimmt und neue Arbeitsformen entstehen. Weitere Trends, die die Mobilität unabhängig von der Digitalisierung beeinflussen, sind die demografische Entwicklung und das wachsende Umweltbewusstsein.
In der Studie werden jedoch auch Widersprüche aufgezeigt, die in der aktuellen Entwicklung erkennbar sind, etwa zwischen den Ansprüchen an den Komfort und der Erwartung tieferer Preise oder zwischen der zunehmenden Individualisierung durch digitale Instrumente und den steigenden Befürchtungen beim Datenschutz.
Staat muss Führung behalten
Wenig überraschend nennen die Autoren von PwC die Regulierung als erstes Hindernis für Veränderungen im Mobilitätssystem, also die Art und Dichte von Vorschriften. Weitere Elemente, die die Autoren als Barrieren bezeichnen, sind althergebrachte Strukturen, die komplizierte und unterschiedliche Finanzierung des Verkehrssystems, unterschiedliche Ausrichtungen der privaten und öffentlichen Anbieter sowie die Zurückhaltung beim Austausch von Daten.
Ihr Aufruf richtet sich denn auch an vier Gruppen von Beteiligten, die sich zusammenraufen sollen: erstens die öffentliche Hand, also alle Akteure in Bund, Kantonen und Gemeinden, zweitens die öffentlichen Verkehrsmittel als Anbieter des Service public, drittens neue Anbieter im Verkehrssystem wie etwa Car-Sharing-Unternehmen sowie schliesslich die Betreiber der Infrastrukturen des Verkehrs und der Kommunikation. Sie alle werden in der Studie aufgerufen, eine gemeinsame Vision zu entwickeln, wobei die übergeordnete Steuerung und Koordination der Mobilität bei der Politik und den Behörden bleiben soll. Die restlichen Mobilitätsakteure sollen sich «in einem Koordinationsgremium organisieren und darin insbesondere eine Expertenrolle einnehmen». Konkret wird die Schaffung eines Bundesamts für Mobilität gefordert, das «eine ganzheitliche und integrierte Sicht auf das Mobilitätssystem gewährleistet und weitreichende Entscheidungen im Verkehr und in der Raumplanung besser aufeinander abstimmt». Für Daniela Lehmann ist dies ein brauchbarer Ansatz: «Die Entwicklung hin zu Mobilitätsketten bestehend aus verschiedenen Mobilitätsformen und die zunehmende Auflösung der Grenzen zwischen öffentlichem Verkehr und motorisiertem Individualverkehr werden längerfristig auch die heutige Aufteilung der Bundesämter in Frage stellen.»
Die gemeinsame Vision ist die übergeordnete Stossrichtung der Studie, der sechs weitere folgen, die Zusammenarbeit und Vernetzung ermöglichen und fördern sollen. Mehrfach wird der öffentliche Verkehr mit seinem vernetzten System als Vorbild genannt. Die Studie betont auch, dass kompetentes Personal in einem vernetzten Mobilitätssystem weiterhin eine zentrale Rolle spielen wird.
Nur gemeinsam erfolgreich
Der öffentliche Verkehr ist aber laut der Studie viel zu stark ein in sich geschlossenes System. Als Hauptanliegen wird denn auch die Vernetzung der verschiedenen Anbieter – öffentlich und privat, Schiene und Strasse, kollektiv und individuell – hervorgehoben: «Die sich ändernden Kundenbedürfnisse und das veränderte Nutzungsverhalten führen dazu, dass sich die öffentlichen Verkehrsunternehmen und Mobilitätsdienstleister anpassen müssen. Kaum ein einzelner Schweizer Akteur ist in der Lage, diese Anforderungen alleine zu bewältigen und die gewünschten Angebote und Dienstleistungen aus einer Hand anzubieten.»
Daniela Lehmann beurteilt diese Sicht auf die Schweizer Mobilität der Zukunft differenziert: «Gemeinsam erfolgreich wird das neue Mobilitätssystem nur sein, wenn alle Anbieter, egal ob öffentlich oder privat, die Auflage erhalten, die Arbeitsbedingungen sozialpartnerschaftlich auszuhandeln. Zudem sollte der Zugang nur nicht-gewinnorientierten Mobilitätsvermittlern ermöglicht werden.»
Die vollständige Studie im Internet: pwc.ch/future-of-mobility
Peter Moor