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EU-Parlament

Gewerkschaften setzen sich durch

Das EU-Parlament will der Ausbeutung von LKW-Fahrerinnen und -Fahrern in der EU Grenzen setzen. So will es bei internationalen Transporten höhere Löhne durchsetzen.

«Der Beschluss des EU-Parlaments ist eine gute Nachricht für den Schweizer Lohnschutz, weil er den Lohnschutz in ganz Europa stärkt», betont SEV-Präsident Giorgio Tuti. Künftig soll auch für Fahrer/innen die Regel gelten, dass im Land des Auf- und Ablads für die Lohnhöhe der Ort der erbrachten Leistung massgebend ist. Ausgerechnet bei den Fuhrleuten hatte in der EU bislang noch das Herkunftslandprinzip gegolten. Entscheidend für die Lohnhöhe war, in welchem Land jemand angestellt ist. Dies führte vor allem bei Fahrern aus Osteuropa zu extremem Lohndumping.

Laden Fuhrleute zum Beispiel in Deutschland auf- oder ab, sollen sie bei internationalen Transporten den deutschen Mindestlohn erhalten, in Frankreich den französischen, usw. Fahren sie nur durch ein Land, erhalten sie aber weiterhin den Lohn aus ihrem Herkunftsland. Um die neue Regel durchzusetzen, müssen die EU-Mitgliedstaaten spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des Mobilitätspaketes die Transportfirmen auf digitale Fahrtenschreiber verpflichten, rund zehn Jahre früher als geplant.

Lohndumping an der Tagesordnung

Das EU-Parlament verabschiedete zudem verschärfte Regeln zur Kabotage. Auch bei den Fahrt- und Ruhezeiten setzte sich die Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF) weitgehend durch. Dabei kam es zu einem Kompromiss zwischen den Sozialdemokraten/Grünen und den Fraktionen der Konservativen und Liberalen im Parlament. Demnach müssen die Fahrerinnen und Fahrer spätestens nach vier Wochen nach Hause zurückkehren können.

Die Mitgliedergewerkschaften der ETF hatten zuvor jahrelang zahlreiche Fälle von Missbrauch und Lohndumping aufgedeckt. Gerade LKW-Fahrer aus Osteuropa waren unter unwürdigen Bedingungen monatelang ohne Unterbruch unterwegs. Der gewerkschaftliche Druck zeigte Wirkung: Die Abgeordneten stimmten für ein Verbot von Briefkastenfirmen, die in Osteuropa Fahrer/innen zu Tiefstlöhnen anheuern und dann in Westeuropa ausbeuten. «Endlich werden wenigstens die schlimmsten Praktiken untersagt», , sagt Roman Künzler, Verantwortlicher Transport und Logistik bei der Unia und Delegierter in der ETF. «Doch bis sich dank der Verbote die Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Fuhrleute wirklich verbessern, ist noch ein weiter Weg.»

Bund muss handeln

Damit in der Schweiz der Lohnschutz gewährleistet werden kann – auch für entsandte Fahrer/innen –, braucht es einen allgemeinverbindlichen GAV und systematische Kontrollen. «Voraussetzung ist auch, dass das Kabotageverbot durch die Arbeitgeber eingehalten wird», sagt Giorgio Tuti. «Heute wird es von vielen Arbeitgebern systematisch unterlaufen.»

Auch das Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot, das in der Chauffeurverordnung verankert ist, wird von den Arbeitgebern in grossem Stil umgangen: Immer mehr Fuhr- und Kurierunternehmen setzen Fahrzeuge ein, die unter die Gewichtslimite von 3,5 Tonnen fallen. Nur Fahrer/innen von Lastwagen über 3,5 Tonnen fallen unter die Chauffeurverordnung. Für Transportfahrzeuge, die leichter sind, gelten dagegen keine Fahrt- und Ruhezeitenregeln.

Chauffeurverordnung anpassen

Auf diese Entwicklung hat das EU-Parlament jetzt reagiert: Es senkt die Limite der Fahrzeuge auf 2,4 Tonnen. Damit fallen Fahrer/innen von Kleinlastern und grossen Lieferwagen neu auch unter die Fahrt- und Ruhezeitenregelung. Diese gilt europaweit, auch in der Schweiz. «Die Fairlog-Allianz von Unia, Syndicom und SEV fordert den Bundesrat daher auf, die neue Gewichtslimite in die Chauffeurverordnung aufzunehmen», sagt Roman Künzler.

Der Bundesrat ist unter Zugzwang: Das EU-Parlament hat im Rahmen des Mobilitätspakets beschlossen, dass die Mitgliedstaaten die Entsendegesetze in bilaterale Verträge mit Drittstaaten einbauen müssen, wenn damit deren Firmen der Zutritt zum Europäischen Binnenmarkt gewährt wird. Sobald der EU-Ministerrat die Beschlüsse des Parlaments umsetzt, muss die Schweiz nachziehen.

«Mit dem Erfolg im EU-Parlament haben die europäischen Gewerkschaften im Kampf gegen Lohndumping in der Transport- und Logistikbranche erste Fortschritte erzielt. Nun muss eine rasche und strikte Umsetzung schnell Resultate zeitigen», unterstreicht auch Giorgio Tuti.

Daniela Karst