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Luftverkehr

Streik hier, Streik dort: Was ist los bei Ryanair?

Am 15. Dezember 2017 versprach Ryanair, die europäischen Pilotengewerkschaften anzuerkennen, um einen Streik zu verhindern. Am 19. September 2018 schaltete sich die EU-Verkehrskommission ein, die Piloten fordern ein neues Management und am 28. September will das Kabinenpersonal erneut streiken. Wie kam es zu dieser Eskalation?

Bei Ryanair wurde in diesem Jahr viel gestreikt, immer wieder und in verschiedenen europäischen Ländern. Mal waren es die Flugbegleiter/innen, mal die Pilot/innen – sie alle kämpfen gemeinsam um bessere Anstellungsbedingungen und die Anerkennung ihrer Gewerkschaften.

Der lange Anerkennungskampf

1. Januar 2017: Die irische Billigairline Ryanair startet als grösste europäische Airline ins neue Jahr. 2016 überholt sie zum ersten Mal die deutsche Lufthansa. Ein Grund zur Freude für den Ryanair-CEO Michael O’Leary, nicht aber für sein Personal, denn bisher scheint die Ausbeutung der Angestellten fast schon ein Grundpfeiler der Unternehmensphilosophie zu sein.

15. Dezember 2017: Ein Hoffnungsschimmer für das Personal? Ryanair schreibt einen Brief an die Pilotengewerkschaften mehrerer europäischer Staaten und verspricht, sie als offizielle Vertretung ihrer Pilotinnen und Piloten anerkennen zu wollen. «Gewerkschaften anzuerkennen wird für uns eine grosse Umstellung sein, aber wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir auch mit radikalen Veränderungen umgehen können», sagt O’Leary in einer Mitteilung. Langsam organisiert sich auch das Kabinenpersonal.

18. Juli 2018: Ryanair anerkennt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) als Vertretung all ihrer Flugbegleiter/innen, die in Deutschland beschäftigt sind. In der Zwischenzeit hat die internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF), der auch der SEV angehört, die Kampagne «CabinCrewUnited» lanciert und unterstützt die Gewerkschaften in anderen europäischen Ländern beim Kampf um ihre Anerkennung durch Ryanair.

30. August 2018: Ryanair anerkennt nun auch die irische Gewerkschaft Fórsa als Vertretung des irischen Kabinenpersonals. In einer Mitteilung schreibt die Airline, dass sie nun zusammen mit der Gewerkschaft und dem ‹Company Council› (analog Personalkommission) einen GAV für das Kabinenpersonal ausarbeiten wolle. Die ITF sieht darin «einen wichtigen Schritt zu gerechter Bezahlung und fairen Bedingungen für in Irland beschäftigte Flugbegleiter/innen», weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass in zahlreichen Ländern, in denen Ryanair tätig ist, noch keine vergleichbaren Verträge gelten. Sie ruft die Fluggesellschaft dazu auf, «in allen Ländern ihres Flugnetzes konstruktiv mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten». Um den nötigen Druck aufzubauen, dass dies tatsächlich geschieht, ist für den 28. September in Spanien, Belgien, Portugal und den Niederlanden ein weiterer Streik des Kabinenpersonals angekündigt, in Italien streiken dann ausserdem die Piloten, denn auch ihre Situation ist an vielen Standorten noch ungelöst.

Piloten in der «Ich-AG»

Für ihre Piloten hat sich Ryanair eine besonders schädliche Anstellungsform ausgedacht: Viele von ihnen sind in einer gefährlichen Art von Scheinselbstständigkeit beschäftigt. Teil des Problems ist, dass Ryanair bisher nur das irische Recht anerkennt und so zum Beispiel deutsche Sozialversicherungen ablehnt. Manche Beschäftigte sind dauerhaft befristet angestellt oder werden kurzfristig an andere Standorte zwangsversetzt.

In der Frage nach dem geltenden Recht hat sich nun sogar die EU-Verkehrskommission in den Konflikt eingeschaltet und fordert: Ryanair soll soziale Standards beachten und nationales Arbeitsrecht anwenden. Ryanair stützte sich bisher auf den Standpunkt, dass sich ihre Angestellten während der Arbeitszeit mehrheitlich in der Luft und in irischen Flugzeugen befänden, und berief sich darum auf das schlechtere, irische Recht. Doch es ist nicht die Flagge des Flugzeugs, die bestimmt, welches Recht anzuwenden ist, sondern der tatsächliche Arbeitsort der Angestellten, wie die EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen gegenüber der «Welt» erklärte. Somit ist der Fall klar: Ryanair muss sich endlich bessern und Verantwortung für sein Personal übernehmen.

Von Karin Taglang