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Ouestrail-Kolloquium zu aktuellen und künftigen Ticketing-Systemen

Swisspass ist nur eine Zwischenlösung

Der Verein Ouestrail, der für einen möglichst guten öV in der westlichen Schweiz (inklusive Nordwestschweiz und Kanton Bern) lobbyiert, thematisierte am 6. November in Yverdon das Ticketing der Zukunft.

Von links J. Mortier, K. Slijkhuis, J. Pilloud, M. Joye, G.-M. Schucan und M. Fleury.

Nach der Präsentation des niederländischen Check-in-check-out (Cico, siehe Infobox unten) verwies VöV-Präsident und TL-Direktor Michel Joye bei der Vorstellung des im August eingeführten Swisspass darauf, dass ständiges Ein- und Auschecken für die Besitzer/innen der 450 000 GA und der Zehntausenden von Tarifverbundabos ein Komfortverlust wäre. Auch würde Cico manchenorts den Personenfluss behindern. Und Beschränkungen des Zugangs zu den Bahnhöfen würden auf grossen Widerstand stossen, ganz abgesehen von den In-stallationskosten.

Vom Swisspass zu Bibo

Für Michel Joye wie für den E-Ticketing-Spezialisten Gian-Mattia Schucan ist aber klar, dass der Swisspass nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem Be-in-be-out-System ist: Ein Bibo-System registriert mittels Antennen an den Fahrzeugen automatisch die von den Reisenden gefahrenen Strecken und belastet ihnen so den Fahrpreis. Doch wegen der hohen technischen und organisatorischen Hürden rechnet Schucan mit mindestens zehn Jahren bis zum Start eines landesweiten Bibo. Als nächsten Schritt sieht er die Weiterentwicklung des Smartphone-Ticketings. Offen liess er die Frage, ob die Swisspass-Chipkarte als Zwischenschritt wirklich nötig war.

Die zentrale Datenbank hinter dem Swisspass biete den Vorteil, dass verlorene Karten einfacher blockiert und die Existenz vergessener Karten vom Kontrollpersonal leichter festgestellt werden könnten, sagte Joye. Neben GA und Halbtaxabos, Ticketcorner- und Railaway-Angeboten, Skiabos, Mobility usw. sollen ab Dezember 2016 mit Unireso und Mobilis zwei erste Tarifverbund-Abos auf die Karte geladen werden können. Die 24 anderen Tarifverbünde sollen später folgen. Hinzu kommen Ende 2016 auch individuell modulierbare Abos für bestimmte Strecken.

Probleme und Gefahren

Beim Swisspass seien «Anlaufschwierigkeiten» wie die längere Dauer der Kontrolle oder zu schwache Kontrollgerätebatterien inzwischen entschärft worden, sagte Jeannine Pilloud, Leiterin Personenverkehr SBB. Da die Kontrolle aber weiter länger dauert, ist für den SEV klar, dass ohne Personalaufstockung bleibend weniger Reisende kontrolliert werden.

Pilloud versprach, neben dem E-Ticketing die anderen Kanäle für den Fahrkartenverkauf noch 10 bis 15 Jahre weiterzuführen, obwohl dies einen hohen Aufwand für eine Minderheit gelegentlicher Kund/innen bedeute. Der Minderheitenschutz sei wichtig, warnte Ouestrail-Präsident Claude Hêche.

Konsumentenschützer Mathieu Fleury betonte, dass mit neuen Ticketing-Systemen nicht heimlich höhere Tarife eingeführt werden dürften wie etwa ein Malus in den Hauptverkehrszeiten. Denn Pendler/innen könnten gar nicht auf andere Zeiten ausweichen. Der Wegfall des dreijährigen Halbtaxabos sei bereits ein 25-prozentiger Preisaufschlag.

Beim Datenschutz sei abzuwägen, ob auf das geografische Tracing wirklich verzichtet werden soll, sagte Michel Joye. Denn Tracing erlaube Dienstleistungen wie Hinweise bei Verkehrsstörungen, die Startups jetzt schon anböten.

Markus Fischer

«OV-Chipkaart»: Check-in-check-out in den Niederlanden

In den Niederlanden führte die Einschränkung des Bahnhofszugangs zu hitzigen Diskussionen.

Die niederländische öV-Chipkarte gibt auch nur gelegentlich Reisenden Zugang zum ganzen öV, fast wie ein GA.

Karen Slijkhuis, hauptverantwortliche Datenanalystin bei der Niederländischen Staatsbahn NS, und Joost Mortier, Leiter des Projekts «OV-Chipkaart» bei NS, stellten «ihre» seit 2009 stufenweise eingeführte öV-Chipkarte vor.

Diese ist heute bei allen 16 öV-Unternehmen im Land gültig – für Zug, Metro, Tram, Bus und Schiff – und kann für weitere Dienstleistungen wie das Mieten von Autos und Fahrrädern oder als Parkkarte verwendet werden. Sie kostet 7 Euro 50 und muss vor der Benutzung mit mindestens 20 Euro aufgeladen werden, was man an Geräten in den Stationen oder übers Internet tun kann.

Vor dem Einsteigen in ein Fahrzeug muss die Karte zum «Einchecken» an ein NFC-Lesegerät (Near field communication) gehalten werden. Dabei werden bei der Bahn 20 Euro abgezogen, im Bus oder Tram 4 Euro. Dieses Geld ist verloren, wenn nach der Fahrt das Auschecken vergessen wird, oder muss beim Verkehrsunternehmen zurückverlangt werden.

Beim Auschecken werden die 20 oder 4 Euro wieder gutgeschrieben und der kilometerabhängige Fahrpreis belastet. Ein- und ausgecheckt werden muss nicht nur beim Umsteigen zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln, sondern auch beim Umsteigen von einem Zug in den andern, ausser wenn die NS beide betreibt.

Fast GA-Komfort

Der grosse Vorteil der Chipkarte ist, dass damit die ganze öV-Kette von Tür zu Tür benutzt werden kann. Man kann sie sogar automatisch vom Bankkonto aufladen lassen, damit immer genug Geld drauf ist. So bietet die Karte auch für nur gelegentliche öV-Benutzer/innen den gleichen Komfort wie das Schweizer GA, abgesehen vom Ein- und Auschecken.

Über die Karte laufen auch Abos für Vielfahrer/innen und für verkehrsärmere Zeiten (ausserhalb von 6 bis 9 Uhr und von 16 bis 19 Uhr) sowie Rabatte für die Altersklassen 4–11 und 65+ (34 % Rabatt) und für Student/innen (sie fahren werktags gratis). Für Tourist/innen gibt’s z. B. eine Dreitage-Chipkarte für die Region Amsterdam. Solche Angebote ha- be erst die Chipkarte ermöglicht, weil damit die Fahrwege der Tourist/innen verfolgt werden können, sodass die Einkünfte des Kartenverkaufs gerecht auf die Unternehmen verteilt werden können, erklärte Karen Slijkhuis. Es gibt auch Chipkarten für den einmaligen Gebrauch auf einer Strecke.

Geschlossene Bahnhöfe

Zwei erklärte Ziele des Check-in-check-out-Systems (Cico) waren die Bekämpfung des Schwarzfahrens und mehr Sicherheit in den Bahnhöfen durch deren Schliessung für Nichtreisende. Heute ist rund ein Viertel aller Bahnhöfe nur mit der Chipkarte zugänglich. Vor fünf Jahren gab es dazu eine grosse politische Diskussion mit dem Resultat, dass Nichtreisende sich eine Gratis-Chipkarte für den Bahnhofzugang besorgen können. Doch von diesen speziellen Karten sind heute weniger als 10 000 im Umlauf, gegenüber 14 Mio. normalen persönlichen und unpersönlichen Chipkarten, bei 18,5 Mio. Einwohner/innen.

Hohe Investition

Die Lesegeräte und Schranken in den Stationen und Fahrzeugen hätten fast eine Milliarde Euro gekostet, sagte Joost Mortier, doch Cico verlangsame den Personenfluss kaum.

Künftig dürften immer mehr Smartphone-Barcodes verkauft werden, diese sind schon heute erhältlich. Weiterentwickelt werden soll das Cico-System zu «Be-in-be-out», bei dem Antennen das Ein- und Auschecken automatisch besorgen.

Fi