Neue Minibar, alte Probleme und Falschbehauptungen

Stewards allein gelassen

Bei den Stewards von Elvetino brodelt es weiter. Krasse Falschbehauptungen verärgern die Minibar-Leute.

Mit Stolz präsentierte die SBB vor einigen Monaten die neuen Minibars, die seither in den IC der Strecke Bern–Zürich im Bereich der ersten Klasse im Betrieb sind. Eine Brennstoffzelle liefert diesen Wagen die Energie für den Betrieb der Kaffeemaschine, die nun auch Cappuccino oder Latte macchiato produzieren kann.

Chefin packt selber an – aber zu kurz

Um die «gepimpte Minibar», wie «blick.ch» leicht spöttisch schrieb, zu promoten, versuchte sich Personenverkehrschefin Jeannine Pilloud anfang April selber als Minibar-Stewardess. Allerdings nur solange die Kameras in der Nähe waren. Sonst wäre es wohl kaum zu so «krass falschen» Aussagen gekommen, wie die für die Elvetino-Leute zuständige SEV-Gewerkschaftssekretärin Regula Bieri sagt.

Neue Minibar ist grösser und schwerer

Krass falsch war beispielsweise die Aussage, die neue Minibar sei leichter als die alte. Die alte Minibar wog 130 kg, die neue 205 kg. Was das für die Stewards bedeutet, kann man sich leicht vorstellen. Die neuen Minibars sind 160 cm hoch, 20 cm höher als die alten, was die Übersicht für die Stewards verschlechtert. Zudem sind die neuen Minibars 21 cm länger und 4 cm breiter als die alten. In den beengten Verhältnissen in den Zügen ist das entscheidend. Weil die Wagen neu gestossen statt gezogen werden müssen – was grundsätzlich begrüsst wird –, sind Kollisionen mit Gepäckstücken oder den Beinen von Reisenden unvermeidlich, da helfen auch die futuristisch aussehenden Laserstrahlen vor den Minibars nichts.

Brennstoffzellen machen zu früh schlapp

Die «Weltneuheit», wie die SBB ihr Wägeli feiert, hat aber noch weitere Schwachstellen. Denn die neue Kaffeemaschine ist nicht nur schwerer, sondern auch energiefressender als die Vorgängerin. Deshalb macht die Brennstoffzelle, die den benötigten Strom produziert, regelmässig schlapp – oft, bevor sie die versprochenen 120 Espressi oder 60 Cappucini produziert hat. Die Zelle kann erst in Zürich ausgetauscht werden. Wenn die Kaffeemaschine aber wegen Energiemangels oder einem technischen Defekt nicht mehr läuft, dürfen die Stewards unverständlicherweise auch keine andern Waren mehr verkaufen – sie sind dann zur Untätigkeit verdammt. Und dies, obschon der Umsatzdruck von seiten Elvetino unvermindert hoch ist. Wenn der Steward nichts verkaufen kann, fehlt ihm aber auch das «Aufrunde-Trinkgeld», das in diesem Tieflohnbereich sehr wichtig ist. Und die Reisenden würden wohl eher verstehen, wenn sich der Steward für die defekte Maschine entschuldigte und ein kühles Getränk anböte, als wenn er einfach ausbleibt. «Es ist heute nicht mehr klar, ob das ‹Wägeli› nun kommt oder nicht, da müssen wir jetzt rasch besser werden, denn Bahncatering ist für unsere Kundinnen und Kunden ein zentrales Service-Element.» So liess Pilloud im April realitätsfremd verlauten. Aber mit den neuen Minibars ist nun eben nicht klar, ob das Wägeli kommt oder nicht, vom versprochenen «garantierten» Verpflegungsangebot bleibt nicht viel übrig.

Hightech-Wunder aus dem Reich der Legenden

Auch, dass der Motor des Wagens beim Stossen hilft, gehört ins Reich der Legenden. Und apropos kühle Getränke: Auch hier kam es zu einem Rückschritt! Während auf den «alten» Wägeli (sie sind seit 2007 im Einsatz) die Getränke in den Schubladen mit Trockeneis kalt gehalten werden können, fehlt auf den neuen Minibars jede Kühlmöglichkeit. Die Getränke müssen jeweils, wenn nicht warmes Bier verkauft werden soll, im Speisewagen vom Wägeli in den Kühlschrank und umgekehrt gestapelt werden – für die Stewards ein hoher Mehraufwand und je nach Speisewagentyp nicht immer möglich. Auch die Diebstahlgefahr ist bei den neuen Wägeli gestiegen. Was bei einer Kassenkontrolle eine disziplinarische Massnahme zur Folge haben kann, da der Inventarbestand nicht mehr korrekt ist.

Verantwortung übernehmen statt abschieben

«Die Stewards werden allein gelassen», stellt Regula Bieri bitter fest. Von den Stewards wird viel gefordert, aber die nötige Unterstützung der Vorgesetzten und der Arbeitgeberin erhalten sie nicht. Deshalb fordern die Angestellten, unterstützt vom SEV, dass die falschen Aussagen nun zuallererst öffentlich korrigiert werden. Elvetino muss sich seiner Verantwortung bewusst sein und muss sich vor die Stewards stellen – das gehört zur Fürsorgepflicht des Unternehmens. Beim alten Problem des Umsatzdrucks müssen SBB und Elvetino Objektivität beweisen. Es braucht Coaching und Personalführung statt -disziplinierung. Leider ist in der letzten Zeit noch keine positive Entwicklung feststellbar.

Ins selbe Kapitel gehört auch das immer noch nicht gelöste Problem der Pausenräume. Die vom Gesetz vorgeschriebenen Pausenräume sind für Elvetino-Mitarbeitende nur auf 4 von 13 Bahnhöfen vorhanden – weil sie die Räume des SBB-Zugspersonals wegen unterschiedlicher Schliesssysteme nicht überall benutzen können. Auch hier wurden die schon länger gemachten Versprechungen, auch von der Muttergesellschaft SBB, nicht eingehalten. 

pan