Der GAV SBB und SBB Cargo 2015 ist bereit zur Unterschrift
Einigung in der Nachspielzeit
Ende Juni waren nur die Eckwerte definiert, nun steht der gesamte GAV 2015: Die vom SEV angeführten Gewerkschaften und die SBB haben sich auf eine Weiterentwicklung des Gesamtarbeitsvertrags geeinigt, die nach Meinung beider Delegationsleiter ein ausgewogenes Geben und Nehmen mit sich bringt.
Die GAV-Konferenz des SEV hatte Ende Juni deutlich Ja gesagt zu den Eckwerten, die zu diesem Zeitpunkt ausgehandelt waren. In der Verlängerung um drei Monate ging es nur darum, die Details zu klären. Und auch wenn der Teufel im Detail sitzt, wie das Sprichwort sagt, war der Abschluss vom Willen zur Einigung geprägt.
Am Tag des Erscheinens dieser Zeitung beschliesst die GAV-Konferenz, ob sie den ausgehandelten Vertrag zur Unterschrift freigibt. Davon darf ausgegangen werden, hat sich doch inhaltlich seit Juni nichts Wesentliches mehr verändert. Auch der Verwaltungsrat SBB muss das Resultat noch formell genehmigen. Der GAV SBB und SBB Cargo gilt ab Anfang 2015 und läuft mindestens vier Jahre.
Lohngarantien bleiben
Die im aktuellen GAV festgelegte «Lohngarantie 2011» wird weitergeführt; dies gilt wiederum für die Laufdauer des GAV und muss danach erneut entschieden werden. Damit erfüllt die SBB eine der Hauptforderungen, die das Personal in der Umfrage des SEV vor den Verhandlungen genannt hatte. Weiterhin erhalten Garantie-Bezüger/innen auch allgemeine Lohnerhöhungen zur Hälfte ausgerichtet.
Zudem wird die SBB für die individuelle Lohnentwicklung mehr Mittel zur Verfügung stellen. Waren grundsätzlich bisher mindestens 0,5 Prozent der Lohnsumme für die individuelle Lohnentwicklung vorgesehen, sollen es in Zukunft mindestens 0,8 Prozent sein. Damit ist es realistischer, das Lohnmaximum des Anforderungsniveaus innert 20 Jahren zu erreichen. Diese Mittel werden allerdings jeweils an den jährlichen Lohnverhandlungen zwischen der SBB und den Gewerkschaften im Detail festgelegt.
Mehr Flexibilität bei Einteilungen
Weiter sieht der GAV 2015 vor, vereinfachte Arbeitseinteilungen einzuführen. «Die SBB und die Sozialpartner sind sich einig, dass die SBB wie jedes Unternehmen möglichst effizient produzieren muss», heisst es dazu in der gemeinsamen Medienmitteilung zum Vertragsabschluss. Konkret wird festgelegt, dass die SBB die Einteilung eigenständig vornimmt und die Spielräume fürs Unter- und Überschreiten der Sollzeiten grösser werden. Andererseits bekommt das Personal die Möglichkeit, Zeitguthaben in ganzen Tagen zu beziehen, was die Planung für jeden Einzelnen einfacher und angenehmer macht. Auch dies war eine der zentralen Forderungen in der Umfrage.Neu gibt es eine klare Trennung zwischen Verwaltungspersonal, das dem für die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz gültigen Arbeitsgesetz unterstellt ist, und Betriebspersonal, das dem Arbeitszeitgesetz untersteht, das ausschliesslich für Personal des öffentlichen Verkehrs gilt.
Den SBB-Mitarbeitenden stehen neu drei Pensionierungsmodelle und ein Lebensarbeitszeitmodell zur Verfügung. Diese können von unterschiedlichen Berufsgruppen genutzt werden (siehe Kasten rechts).
Sonntagszulage steigt
Die derzeit noch unterschiedlichen Sonntagszulagen werden vereinheitlicht und schrittweise erhöht. Konkret: Auf 2015 wird die Sonntagszulage für alle Berufsgruppen auf 15 Franken pro Stunde festgelegt, 2017 wird sie auf 16 Franken erhöht.
Die Mitarbeitenden profitieren zukünftig von einem längeren Vaterschafts- und Adoptionsurlaub: Er beträgt neu zehn statt wie bisher fünf Tage. Zudem wird der Mutterschaftsurlaub von vier Monaten auf 18 Wochen erhöht.
Strengere Regeln bei Stellenverlust
Der «Contrat social» wird im Grundsatz nicht angetastet: Nach wie vor gilt bei der SBB die Regel, dass bei Reorganisationen niemandem gekündigt werden darf. Allerdings gilt diese Regel neu nur für Mitarbeitende, die mindestens vier Jahre bei der SBB angestellt sind. Dies war für den SEV der schwierigste Entscheid in diesen Verhandlungen. Er beurteilte dies letztlich aus zwei Gründen für vertretbar: Einerseits sind die ganz grossen Reorganisationen der SBB weitgehend abgeschlossen, andererseits sollte ein Mitarbeiter, der weniger als vier Jahre bei der SBB tätig war und zufriedenstellende Arbeit geleistet hat, auf dem Arbeitsmarkt auch gute Chancen haben. Es war offensichtlich, dass die SBB hier unter einem grossen politischen Druck stand.
Als Abfederung gibt es für alle Betroffenen vor der Aufhebung der Stelle eine sechsmonatigen Präventionsphase. Für alle, die danach ins Arbeitsmarktcenter (AMC) eintreten, wird der Lohn mit zunehmender Aufenthaltsdauer schrittweise gekürzt. Für Betroffene, die keine familiären Unterstützungspflichten haben, gibt es nach 6 Monaten im AMC eine Kürzung auf 90 Prozent des bisherigen Lohnes, nach 12 Monaten auf 85 und nach 24 Monaten auf 80 Prozent. Für Betroffene mit Unterstützungspflichten liegen die Löhne in den gleichen Zeitabschnitten bei 95, 90 und 85 Prozent; nach drei Jahren sinken auch sie auf 80 Prozent. Die Pensionskasseneinzahlungen verbleiben auf der ursprünglichen Höhe.
Zudem wurden die Kriterien für die Zumutbarkeit einer neuen Stelle verschärft.
Die Verhandlungspartner haben sich weiter geeinigt, grundsätzlich die Neuerungen der Bundespersonalgesetz-Revision zu übernehmen. Damit nähert sich die SBB bei ihren Anstellungsbedingungen dem Privatrecht an. Dies betrifft insbesondere den Wegfall einer Rekursinstanz bei Kündigungen, was die SBB bereits so angewandt hat. Zudem entfällt die Wiederanstellung, wenn eine Kündigung als missbräuchlich festgestellt wurde.
Begrenzung bei Temporären
Schliesslich beinhaltet der neue GAV Regelungen für temporär Mitarbeitende, die länger als vier Jahre bei der SBB tätig sind. Sie erhalten neu ein Angebot für eine Festanstellung, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Zudem verpflichtet sich die SBB, dass konzernweit nicht mehr als vier Prozent des Personalbestands durch Temporäre besetzt werden.
pmo
Endlich: Neue Modelle für Pensionierung und Lebensarbeitszeit
Die Umfrage des SEV bei seinen Mitgliedern hat ein eindeutiges Resultat gebracht: Das Bedürfnis nach individuellen Pensionierungsmodellen steht an oberster Stelle. In den GAV-Verhandlungen sind nun vier Modelle ausgearbeitet worden, die nächstes Jahr in Kraft treten, drei Pensionierungsmodelle und ein Lebensarbeitszeitmodell.
Valida: Vorruhestandsmodell für besonders belastete Berufsgruppen mit tiefem Lohnniveau. Es werden bestimmte Berufsgruppen finanziell dabei unterstützt, vorzeitig ganz oder teilweise in den Ruhestand zu treten. Hier leisten neben der SBB auch die Mitarbeitenden während ihrer beruflichen Laufbahn ihren obligatorischen Beitrag zur Finanzierung. Die Leistungen stehen ihnen ab dem 60. Altersjahr zur Verfügung, insgesamt sind 24 Monate finanziert.
Priora: Vorruhestandsmodell für festgelegte Berufsgruppen mit der Möglichkeit der höheren Finanzierung der Überbrückungspension. Berufsgruppen mit eher tiefen Löhnen und/oder höherer Belastung werden darin unterstützt, vorzeitig in den Ruhestand überzutreten, indem die SBB einen deutlich höheren Anteil an der Finanzierung der Überbrückungspension übernimmt.
Flexa: Lebensarbeitszeitmodell mit individuellen Anspar- und Bezugsmöglichkeiten. Mitarbeitende haben die Möglichkeit, sich freiwillig Zeit anzusparen und diese dann als Langzeiturlaube, Arbeitszeitreduktion oder gleitenden Übergang in den Ruhestand zu kompensieren.
Activa: Dieses Modell bietet die Möglichkeit, bereits vor der Pensionierung und über die Pensionierungsgrenze hinaus Teilzeit zu arbeiten. Für die Teilnahme an diesem Modell benötigt es das Einverständnis der vorgesetzten Stelle.
Die Modelle Activa, Priora und Flexa sind freiwillig. Sie können gut miteinander kombiniert werden. Bei allen Modellen müssen die betrieblichen Bedürfnisse berücksichtigt werden, wenn sie als Teilzeitmodelle realisiert werden.
Der SEV informiert seine betroffenen Mitglieder Ende November mit einem Versand ausführlicher über die GAV-Neuerungen.