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Fahrplanwechsel

Der neue Fahrplan ist da – mit seinen guten und weniger guten Seiten

Die gute Nachricht zum Fahrplan 2012 ist, dass dank dem Angebotsausbau die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Verkehr zugenommen hat. Die weniger gute Nachricht ist, dass gewisse Massnahmen zur Rentabilitätssteigerung eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zur Folge haben.

Bei den TPG bietet das neu konzipierte Liniennetz 6,5 km mehr Tram.

Eine solche Menschenmenge wie am vorletzten Samstag, 10. Dezember, ist auf den Bahnhofperrons von Bulle, Romont und Freiburg kaum je zu sehen gewesen. Tausende waren gekommen, um den Start der S-Bahn Freiburg zu feiern. Nicht nur öV-Kund/innen freuten sich über die neue direkte Bahnverbindung, sondern auch Angestellte der Freiburger Verkehrsbetriebe TPF liessen ihrer Begeisterung freien Lauf – so auch Jean-Claude Morand, Präsident der SEV-Sektion VPT TPF Rail: «Dieses Unternehmen gehört auch ein bisschen mir, ich bin seit 25 Jahren dabei. Ich finde dieses Volksfest zur S-Bahn-Eröffnung grossartig!»

Was bringt die S-Bahn den TPF-Mitarbeitenden? «Etwa zehn Lokführer sind bereits angestellt und ausgebildet worden, und 30 bis 40 weitere werden in den nächsten Jahren mit dem Ausbau der S-Bahn dazukommen», antwortet Jean-Claude Morand. «Zudem haben wir unsere berufliche Kompetenz erweitert, um auf der SBB-Linie Romont–Fribourg fahren zu können.»

Schwierige Umsetzung der Billettpflicht im Fernverkehr

«Ich habe von verschiedenen Zugbegleiterinnen und Zugbegleitern des Fernverkehrs gehört, dass ihnen die Umsetzung der Billettpflicht nicht leichtfällt », sagt der für den Personenverkehr SBB zuständige SEV-Gewerkschaftssekretär Jürg Hurni. «Die Konflikte nehmen klar zu.» Die Reisenden wüssten, dass das Zugpersonal die Kompetenz hat, in begründeten Einzelfällen auf den 90-Franken-Zuschlag zu verzichten, und etliche wehrten sich denn auch mit Händen und Füssen gegen die Busse, auch wenn eine Missbrauchsabsicht nicht von der Hand zu weisen sei. «Andrerseits machen gewisse Vorgesetzte Druck, eine knallharte Linie zu fahren», berichtet Jürg Hurni. «Eine solche Umsetzung macht dem Zugpersonal Bauchschmerzen! Wir vom SEV und ZPV sowie die Personalkommission Zugpersonal haben mit der Leitung die Kulanzregeln festgelegt. Es geht nicht an, dass nun andere Regeln verordnet werden», betont Jürg Hurni. «Vielmehr erwarten wir von den Vorgesetzten, dass sie ihre Untergebenen bei ihrer schwierigen Aufgabe unterstützen, indem sie deren vor Ort gefällte Entscheide mittragen.» Fi

Anders als die Stichkontrollteams im Regionalverkehr tragen die Zugbegleiter/innen im Fernverkehr Namensschilder. Viele würden aber angesichts der zunehmenden Konflikte den Schutz der Anonymität vorziehen.

Ein Volksfest stieg am gleichen Samstag, 10. Dezember, auch in Zürich zur Einweihung des Trams Zürich- West. Über 10 000 Personen fuhren an diesem Tag auf der 3 km langen neuen Linie, die für rund 320 Millionen Franken gebaut wurde. 1997 hatten die Stimmbürger/ innen des Kantons Zürich dem Tram Zürich- West mit fast 70 % Ja-Stimmenanteil zugestimmt. Mit der neuen Linie steigt die Zahl der Beschäftigten im Gebiet des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV) auf rund 4000 Mitarbeitende.

An der Waadtländer Riviera ist das öV-Angebot ebenfalls ausgebaut worden, wenn auch in etwas bescheidenerem Masse. «Unser Unternehmen hat fünf neue Buschauffeure angestellt», sagt Enzo Verme, Präsident der VPT-Sektion VMCV.

Die Genfer Verkehrsbetriebe TPG haben ihr Netz auf den Fahrplanwechsel sogar komplett umgekrempelt: Ihr Tramnetz haben sie mit der Eröffnung der Strecke Cornavin–Onex–Bernex um 6,5 km erweitert und völlig neu konfiguriert durch die Umwandlung ihrer bisher sieben Linien in noch drei Linien. Entsprechend haben sie auch ihr Bus- und Trolleybusnetz angepasst. Die Zahl der TPG-Mitarbeitenden ist in letzter Zeit ebenfalls stetig gestiegen. Zurzeit sind im Unternehmen rund 1700 Personen beschäftigt.

Auch im Tessin wird der öV laufend ausgebaut: Die SBB-Bahntochter Tilo bietet seit dem 11. Dezember täglich 14 Hin- und Rückfahrten zwischen Bellinzona und dem Mailänder Flughafen Malpensa über Luino und Gallarate an. Die internationalen Verbindungen via Chiasso nach Mailand lassen zwar noch zu wünschen übrig. Ansonsten ist das Bahnangebot aber in der Mehrzahl der Kantone besser geworden. Eine der wichtigsten Neuerungen ist die Reduktion der Fahrzeit von Basel nach Paris auf noch 3 h 03 dank der Eröffnung der neuen TGV-Linie Rhin–Rhône zwischen Mulhouse und Dijon. Von der jurassischen Grenzgemeinde Boncourt aus dauert die Fahrt über den neuen TGV-Bahnhof Belfort– Montbéliard in Meroux nach Paris 3 h 16. Zurzeit muss man von Delle (F) nach Meroux noch den Bus nehmen, doch für 2015 ist die Reaktivierung der Bahnlinie Delle– Belfort geplant.

Auf allen TGV Lyria, die von Genf, Lausanne und Zürich aus Richtung Gare de Lyon in Paris verkehren, gibt es eine Doppelbegleitung. Das Zugpersonal wird gemeinsam von der SBB und der SNCF gestellt. «Die SBB hat für diese Doppelbegleitung 80 neue Zugbegleiterinnen und -begleiter angestellt», erklärt SEV-Gewerkschaftssekretär Jürg Hurni. «Wir haben mit der SBB die Zulagen ausgehandelt, insbesondere für die Auswärtsübernachtungen in Paris. Wir bedauern, dass die SBB das Zugpersonal für den Erwerb der Zusatzkenntnisse, die für das Befahren des französischen Bahnnetzes mit seinen eigenen Regeln nötig sind, nicht gleich entschädigt wie das Lokpersonal, das grenzüberschreitend eingesetzt wird.»

Als weiterer negativer Aspekt der neuen Fahrplanperiode aus Personalsicht ist zu erwähnen, dass die TPG nicht auf jeder neuen Linie Toiletten für das Fahrpersonal eingerichtet haben. Generell ist im öffentlichen Verkehr das Fehlen von Toiletten vielerorts ein Problem, für das Personal wie für die Reisenden. Ermutigend ist, dass SBBChef Andreas Meyer selbst die Existenz dieses Problems eingestanden hat.

Der öV ist gut für die Umwelt und schafft Arbeitsplätze

Bei der Einweihung der S-Bahn Freiburg, welche die Buslinie Bulle–Freiburg ersetzt, lobte der Freiburger Staatsrat Erwin Jutzet den öffentlichen Verkehr für seine Umweltfreundlichkeit: «Statt fossiler Energie, die nicht erneuerbar und umweltschädlich ist, fährt die S-Bahn mit elektrischer Energie, die hoffentlich immer nachhaltiger produziert wird.» Aus Sicht der Umwelt ist der öV-Ausbau in der Schweiz erfreulich und schafft zudem Arbeitsplätze. Die SBB hat beispielsweise ihre Mitarbeiterzahl zwischen Ende Juni 2010 und Ende Juni 2011 von 28 143 auf 28 419 Vollzeitstellen erhöht und nähert sich der 29 000er-Marke …

Alberto Cherubini / Fi