Umsetzung des SBB-Lohnsystems wirft viele Fragen auf
Fristverlängerung nutzen und Klarheit schaffen
Der SEV verlangt einen Marschhalt und die SBB gesteht eine Fristverlängerung zu: Die Umsetzung des Lohnsystems erfolgt nicht reibungslos.
«Hier läuft gerade etwas völlig schief», stellte der SEV vor zwei Wochen fest und forderte von der SBB, die Umsetzung des neuen Lohnsystems zu stoppen. Diese Forderung erhob der SEV, weil zunehmend klar wird, dass eine grundlegende Voraussetzung nicht gegeben ist: Die SBB kann das Versprechen nicht einhalten, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Nachfrage hin innert zweier Tage ihre gültige, aktuelle Stellenbeschreibung bekommen.
Stellenbeschreibungen veraltet und in Überarbeitung
Als der SEV ein Schreiben aus einem Bereich der SBB-Division Infrastruktur erhielt, wonach sämtliche Stellenbeschreibungen erst jetzt überarbeitet werden und danach frühestens Ende August vorliegen, war der Moment gekommen, um die Notbremse zu ziehen.
Wie läuft es weiter mit dem Verständigungsschreiben?
Das hat sich geändert:
Anstelle der getrennten Fristen für die Rücksendung des Verständigungsschreibens, wenn man damit einverstanden ist, und für eine allfällige Einsprache gilt nun für beides der Termin vom 15. September. Bis dann muss jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter entweder das Verständigungsschreiben zurückschicken oder eine Einsprache machen.
Das bleibt gleich:
- Nichts unterschreiben, solange nicht alle Fragen geklärt sind
- Das Gespräch mit den Vorgesetzten suchen, fehlende Unterlagen einfordern
- Bei Bedarf SEV kontaktieren, sich für eine Sprechstunde anmelden
- Falls bis zum 15. September keine ausreichende, einleuchtende Begründung für die Einstufung vorhanden ist, rechtzeitig eine schriftliche Eingabe machen (Textelemente stellt der SEV auf Wunsch zur Verfügung).
«Wir stehen weiterhin zum Vertrag, den wir unterschrieben haben, aber was sich die SBB bei der Umsetzung an Pannen leistet, fördert nicht das Vertrauen, sondern bewirkt genau das Gegenteil», sagt SEV-Vizepräsident Manuel Avallone. Häufig, zu häufig, liegen Stellenbeschreibungen überhaupt nicht vor oder sind nicht aktuell. Für den SEV stellten sich damit zahlreiche Fragen:
- Wurde gar nicht aufgrund der aktuellen Stellenbeschreibungen zugeordnet?
- Was war überhaupt die Grundlage der Zuordnungen?
- Wie soll ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin bis Mitte August eine Einsprache machen, wenn die Grundlage gar nicht vorliegt?
Zuordnungen ohne Basis
Sämtliche Zuordnungen sind für den SEV infrage gestellt, solange nicht überall Stellenbeschreibungen vorliegen, die aktuell sind und den Vorgaben des neuen Lohnsystems entsprechen.
«Anhand der Stellenbeschreibung muss klar ersichtlich sein, um welche Funktion es sich handelt und welchem Anforderungsniveau die Stelle zugeordnet ist. Sie muss ans neue Lohnsystem angepasst sein und selbstverständlich muss sie genau die Aufgaben, Verantwortlichkeiten des jeweiligen Mitarbeiters auflisten», ergänzt Avallone.
Dies sieht die SBB allerdings anders. Anscheinend hat sie kein Problem damit, dass viele Zuordnungen anhand veralteter Grundlagen vorgenommen wurden.
Terminplan nicht haltbar
In zwei Gesprächsrunden mit den Gewerkschaften wurde dann aber doch klar, dass eine Umsetzung im bisherigen SBB-Fahrplan nicht machbar ist.
Neu sind nun alle Fristen auf den 15. September angesetzt, sowohl für die Rücksendung des unterzeichneten Verständigungsschreibens als auch – wenn jemand dieses eben nicht unterschreiben will – die Frist für die entsprechende Eingabe.
«Diese zusätzlichen zwei Monate müssen wir nutzen, um möglichst überall die gültigen Grundlagen für die Zuordnung zu beschaffen; dann können wir unsere Mitglieder gut beraten, was der richtige nächste Schritt ist», erläutert Avallone.
Grosse Unzufriedenheit
Es zeichnet sich allerdings ab, dass die SBB mit einer Flut von Eingaben rechnen muss: «In den Sprechstunden kommen zahlreiche Leute, die sich falsch eingestuft sehen. Auch dort, wo die Stellenbeschreibungen vorliegen, haben die Leute häufig den Eindruck, dass ihre tatsächlichen Aufgaben nicht korrekt wiedergegeben werden », fasst Vizepräsidentin Barbara Spalinger die Rückmeldungen des Rechtsschutzteams zusammen.
Gewerkschaftssekretär Arne Hegland, der in Zürich sowohl Sprechstunden durchführt als auch Beratungen bei Arbeitsteams macht, ergänzt: «Vielfach kommen Leute stellvertretend für ganze Teams zu uns, und mehrfach sind gleich die Teamchefs gekommen und haben die Einstufung der gesamten Equipe infrage gestellt.»
Es kommt durchaus vor, dass es genügt, wenn der SEV-Sekretär in der Sprechstunde dem Mitglied das Lohnsystem detailliert erklärt und aufzeigt, wie die Einstufung zustande gekommen ist. Häufiger allerdings stellen die Beraterinnen und Berater fest, dass die Unterlagen der SBB unvollständig sind oder dass die Zuordnung nicht einleuchtend erklärt werden kann. In diesem Fall bleibt keine andere Möglichkeit, als dem Mitglied eine Eingabe an die SBB zu empfehlen. Dafür bleibt nun länger Zeit, bis zum 15. September.
Peter Moor