Gespräch mit Erwin Schwarb und Markus Jordi, Präsident/Vizepräsident Stiftungsrat
«Jeder Moment ist der dümmste für solche Massnahmen»
Beschlossen wurden die Sanierungsmassnahmen im Stiftungsrat der Pensionkasse SBB. Dieser ist paritätisch zusammengestzt, also zur Hälfte aus Personalvertretern und zur Hälfte aus Vertretern des Unternehmens. Erwin Schwarb, Geschäftsführer der SEV-Versicherungen, ist zurzeit Präsident, der SBB-Personalchef Markus Jordi ist Vizepräsident.
Was ist zumutbar?
Markus Jordi: Das ist tatsächlich eine der Schlüsselfrage, die sich auch der Stiftungsrat gestellt hat. Die Zumutbarkeit ist auch mit Blick auf das Leistungsniveau zu betrachten. Es braucht einen Entscheid zur angestrebten Leistung, und davon hängt die Zumutbarkeit ab. Wir glauben, dass für ganz viele das jetzige Resultat gerade noch zumutbar ist – äusserst ärgerlich, aber gerade noch zumutbar. Es kann aber zu Grenzfällen kommen.
Erwin Schwarb: Wir haben hart darüber diskutiert. Es gibt ja zwei Gründe für die Unterdeckung: die ungenügende Ausfinanzierung und die Finanzmarktkrise. Die Finanzmarktkrise macht immerhin zwei Milliarden Franken aus, und da müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Lösung finden. Wir haben nach einer ausgewogenen Lösung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber auch innerhalb der Altersklassen gesucht. Die Leistungskürzungen sind zum Teil natürlich massiv und machen bei einem 55-Jährigen rund 10 Prozent aus. Bei den noch Älteren sind die früheren Garantien noch weiterhin vorhanden.
Das BSV sagt ja, es gebe keine Grenze der Zumutbarkeit. Teilen Sie diese Haltung?
Jordi: Das empfinde ich als zynisch. Aber wir befinden uns immer in einem Konflikt: Entweder senken wir die Leistungen oder wir verlangen Geld. Jetzt machen wir den Versuch, symmetrisch die Opfer zu verteilen. Aber ich gebe zu, es macht im Durchschnitt pro Versichertem eine Belastung von rund 750 Franken im Jahr aus. Das macht etwas aus in einem Familienbudget. Es ist an der Grenze des Zumutbaren.
Die Sanierungsbeiträge führen zu einem Kaufkraftverlust im dümmsten Moment, die SBB könnte als Arbeitgeberin etwas dagegen tun?
Jordi: Jeder Moment ist der dümmste für solche Massnahmen! Immerhin lässt sich sagen, dass zurzeit der Kaufkraftverlust, den die Leute durch die allgemeine Teuerung erleiden, sehr klein. Auch haben wir eine Branche, bei der das Lohnniveau gehalten wird und die Arbeitsplätze insgesamt Bestand haben. Die SBB hat versucht, mit ihrem Einschuss von 938 Millionen Franken beizutragen, dass der Kaufkraftverlust nicht noch grösser wird. Damit entzieht man der SBB Investitionskraft; das bringt pro Jahr 100 Millionen Franken Folgekosten. Dabei stehen wir vor den grössten Investitionen, die dieses Unternehmen je machen musste.
Schwarb: Solche Massnahmen kommen immer zur Unzeit. Wir sind aber nicht frei im Entscheid: Wir müssen die Renten der Aktiven sichern.
Man kann sich ja nicht vorstellen, dass die SBB konkurs geht oder stillgelegt wird. Aber nur in diesem Fall braucht es eine voll gedeckte Pensionskasse. Weshalb wehren sie sich nicht gegen die Vorgaben?
Jordi: Das ist eine Schlüsselfrage. Alle Kassen, die so funktionieren, verdrängen das Problem und bauen auf das Prinzip Hoffnung. Eine Unterdeckung heisst, dass Finanzierung und Leistung nicht im Gleichgewicht sind. Bei Verselbständigungen, Abspaltungen, Reformen erweisen sich dann solche Vorsorgewerke als riesige Belastung.
Schwarb: Wenn wir die spezielle Ausgangslage der PK SBB anschauen: Durch die Auslagerung ist die Kasse privatrechtlich geworden, damit muss sie im Gleichgewicht sein. Aber da hätte es Schwankungsreserven gebraucht. Das wäre eine Frage der Kostenwahrheit, und das hat man damals bewusst nicht gemacht.
Sie sprechen vom Prinzip Hoffnung. Aber auch die jetzige Sanierung basiert auf Annahmen. Kann es noch schlimmer kommen?
Wir haben rational abgestützte Hoffnungen! Wir haben Annahmen getroffen bezüglich Rendite und Lohnwachstum, und wir haben gesagt, dass wir die Annahmen mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent erreichen. Gestützt auf diese Annahmen sollten wir das auf die Länge erreichen können und ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingt. Aber wenn nochmals ein Crash kommt wie letztes Jahr, dann erwischt es uns auf dem linken Fuss.
Schwarb: Wir haben das mit Experten überprüft. Aber ob unsere Annahmen eintreffen, wird die Zukunft zeigen. Es gibt drei Risiken: Die Kapitalrendite, wo wir gut 4 Prozent erreichen müssen, die Minimalverzinsung, die der Bundesrat jährlich festlegt, und die Zahlung des Bundes. Je mehr wir dort bekommen, umso eher erreichen wir eine nachhaltige Deckung. Da ist es entscheidend, dass der Bund seinen Verpflichtungen nachkommt.
Was unternimmt der Stiftungsrat, um den Bund zum Zahlen zu bringen, welchen Betrag hat er als Ziel?
Schwarb: Als Stiftungsrat haben wir ein Hilfsbegehren von rund 3 Milliarden Franken an den Bund gestellt. Wir beharren auf diesem Anspruch, aber wenn wir die Resultate der Vernehmlassung sehen, geht der Wille der Politik nicht in diese Richtung, die zur korrekten Ausfinanzierung führen würde. Als Stiftungsrat sehen wir positiv, dass der Bundesrat 1,14 Milliarden beantragt, aber zufrieden sind wir damit eigentlich nicht.
Jordi: Wenn man von jemandem Geld will, hat man immer eine schwierige Lage. Wir haben untersucht, wie es auf dem Rechtsweg aussehen würde. Das wäre schwierig, eine Klage des Unternehmens gegen den Eigentümer wäre in der Schweiz schwierig und der politische Weg wäre damit zu. Deshalb haben wir uns für den politischen Weg entschieden im Stiftungsrat, und wir sind froh, dass man mit verschiedenen Stimmen die Politik ansprechen kann. Da finde ich auch dem 19. September eine gute Sache! Die Reaktionen, die wir nach der Bitschaft des Bundesrats gehört haben, dass die privilegierten Bähnler noch unterstützt werden, da haben wir klar gesagt, dass wir eine Vorgabe machen. Wir sind jetzt voraus gegangen, jetzt haben wir alles gemacht, was wir konnten.
Schwarb: Jetzt ist klar und eindeutig die Politik an Zug!
Würde die Schaffung einer so genannten Rentnerkasse etwas nützen?
Schwarb: Wir haben das auch nochmals ausgiebig diskutiert. Grundsätzlich wäre eine Rentnerkasse mit Bundesgarantie die nachhaltigste Lösung, die auch die Aktiven klar entlasten würde. Der Bund müsste damit die effektiven Kosten der unvollständigen Ausfinanzierung voll tragen. Die Frage ist einfach: Wie realistisch ist eine solche Lösung? Wenn die Politik zu dieser Lösung Hand bieten würde, wäre der Stiftungsrat der letzte, der sie ablehnte...
Jordi: Es wäre tatsächlich eine sexy Lösung! Aber es wäre eine Scheinlösung, denn um die Rentner herauslösen zu können, müsste man diesen Anteil zuerst sanieren. Aber das finanzielle Risiko einer solchen Kasse, ausschliesslich mit Rentnern, wäre riesig. Deshalb gibt es keine Partei von ganz links bis ganz rechts, die diesen Weg gehen will. Man hat sich einmal daran die Finger verbrannt, jetzt will es niemand mehr anfassen. Es ist einfach unrealistisch; dieser Entscheid liegt nicht in unserer Hand und deshalb illusorisch.
Schwarb: Würden wir diese Variante erneut ins Spiel bringen, käme es zu einer Verzögerung und Mehrkosten, die letztlich erneut die Aktiven belasten würden.
Was hat PK SBB falsch gemacht, dass es überhaupt soweit gekommen ist?
Jordi: Es steht klar im vordergrung, dass keine Reserve gebildet worden ist und die Kasse voll dem Finanzmarkt ausgesezuz wurde. Sie müsste etwas ASpoeck ansetzen können. Eine nachhaltige Ausfinanzierung zwischen 107 und 115 Prozent wäre nötig.
War man früher zu grosszügig?
Jordi: Ich stehe dazu: Bei der Ausgründung gab es einen Konstruktionsfehler, dass man mit Blick auf die damals sehr guten Finanzmärkte auf die Bildung einer Reserve verzichtet hat, in der Annahme, diese würden sich innert kürzester Zeit bilden. Ein Fehler war es auch, sich nicht früher von Altlasten zu trennen. Aus heutiger Sicht hätte man den Bund früher dazu bringen müssen, Anpassungen zu machen.
Schwarb: Jetzt, 10 Jahre nach der Verselbständigung, müssen wir nicht mehr nach Schuldigen suchen. Aber es ist klar, dass die Börseneuphorie die Politiker dazu gebracht hat zu glauben, die Börse werde alles regeln. Nach zwei gravierenden Börsenkrisen wissen wir, dass eine Reserve nötig gewesen wäre.
Gibt es aufgrund dieser Massnahmen eine Pensionierungswelle bei der SBB?
Jordi: Ich glaube es nicht. Ich bin gespannt. Es gibt nicht schlagartig weniger Renten, und je näher jemand an der Pensionierung steht, umso geringer sind die Auswirkungen. Ab 55 Jahren nehmen die Auswirkungen ab. Ich rechne weder mit einer Pensionierungswelle noch damit, dass die Leute schlagartig länger im Betrieb bleiben. Jeder wird seinen Versicherungsausweis anschauen und prüfen, ob es sinnvoll ist, mit 63einhalb zu gehen oder nicht.
Schwarb: Die bestehenden Garantien vom Primatswechsel laufen weiter, und bei den über 60-Jährigen bleiben die Leistungen deshalb bestehen. Bei der folgenden Generation wird sich jedoch die Frage stellen, wieweit sich jemand noch eine vorzeitige Pensionierung leisten kann.
Jordi: Wir erleben bei uns etwas, dass allgemein in der Vorsroge passiert: Es gibt ein Bedürfnis der Leute, früher zu gehen, was auch den Interessen des Arbeitgebers entsprechen kann. Andererseits wirken die Fianzierungsmechanismen eher in dfie andere Richtung. Wir müssen schuaen, welche Kosten es uns verursacht, dass Leute länger bleiben. Wir werden das zusammen mit den Sozialpartnern anschauen müssen, welche Lösungen sich da anbieten.
Wann erhalten die Pensionierten zum nächsten Mal einen Teuerungsausgleich?
Jordi: Da sind wir völlig offen. Wir haben das auch im Brief an die Pensionierten geschrieben: Solange die Sanierung läuft, wird es keinen Teuerungsausgleich geben. Wir können das nicht machen, und wir dürfen es auch nicht, so lange wir nicht mindestens einen Deckungsgrad von 107 Prozent erreicht haben. Wir müssen also davon ausgehen, dass bis 2019 kein Teuerungsausgleich auf den Renten entrichtet werden kann.
Schwarb: Wir müssen darauf hoffen, dass die Teuerung nicht sprunghaft ansteigt, sonst gibt es eine sehr schwierige Situation.
Interview: Peter Moor