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Opferrechte im Strafverfahren

Ruedi ist Kundenbegleiter bei der SOB. Während einer routinemässigen Fahrausweiskontrolle wird er von einem Fahrgast unvermittelt tätlich angegriffen. Glücklicherweise kann die herbeieilende Transportpolizei die Situation schnell klären, und Ruedi kommt mit einer Prellung davon. Im Hinblick auf die strafrechtliche Aufarbeitung stellen sich Ruedi nachfolgend Fragen.

Ruedi möchte eine strafbehördliche Untersuchung des Vorfalls erwirken – was muss er tun?

Es liegt auf der Hand, dass sich der Fahrgast strafbar gemacht hat, indem er Ruedi in seiner Funktion als Kundenbegleiter eines öffentlichen Verkehrsunternehmens tätlich angegriffen hat. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt, das heisst, die Strafverfolgungsbehörden müssen (auch ohne Strafantrag) die Strafverfolgung einleiten, sobald sie Kenntnis vom Vorfall erlangt haben. Ein Strafverfahren muss also unabhängig davon eröffnet werden, ob Ruedi einen Strafantrag stellt oder nicht. Ratsam ist es hingegen, nach Möglichkeit umgehend Beweise zu sichern, etwa die Sicherung allfälliger Videoaufnahmen zu beantragen und die Personalien möglicher Zeugen zu erfassen.

Als sich Ruedi gegen den Angriff des Fahrgastes zur Wehr setzte, ging im Handgemenge seine Armbanduhr kaputt. Kann er vom Täter den Ersatz des Schadens verlangen?

Ruedi hat die Möglichkeit den Ersatz des Schadens im Rahmen des Strafverfahrens vom Täter einzufordern. Erforderlich ist hierfür, dass er den Schaden genau beziffert und dass er gegenüber den Strafbehörden (Polizei oder Staatsanwaltschaft) erklärt, dass er vom Täter im Strafverfahren Schadenersatz fordern will. In der Regel stellen die Strafbehörden hierfür spezielle Formulare zur Verfügung. Diese Erklärung muss spätestens bis zum Abschluss des Vorverfahrens abgegeben werden.

Der Vorfall hat Ruedi verunsichert und er befürchtet, dass sich der Täter wegen des anstehenden Strafverfahrens an ihm rächen, bzw. bei ihm zu Hause einen Besuch abstatten könnte. Kann Ruedi verlangen, dass seine Personalien im Strafverfahren nicht preisgegeben werden?

Die Strafprozessordnung sieht vor, dass unter bestimmten engen Voraussetzungen die Personalien von Verfahrensbeteiligten im Strafverfahren nicht bekannt gegeben werden. Dass dieser Schritt aber eine wesentliche Beschränkung der Verteidigungsrechte des Täters zur Folge hat, wird dem Antrag des Opfers um Anonymität nur ausnahmsweise stattgegeben. Nämlich dann, wenn die Offenlegung der Personalien des Opfers mutmasslich zu einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben des Opfers oder seiner Angehörigen führen würde. Eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben ist etwa anzunehmen, wenn Morddrohungen gegen den Verfahrensbeteiligten selbst oder einen Angehörigen ausgesprochen wurden, bereits entsprechende Angriffe erfolgten oder solche angesichts des Milieus, in dem sich die betreffende Person bewegt, ernsthaft zu befürchten sind. Ob im vorliegenden Fall eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist, wird die Verfahrensleitung entscheiden müssen.

SEV Rechtsschutzteam