Jedem und jeder kann es passieren, zu Unrecht angeschuldigt zu werden. Nicht immer behalten die Strafuntersuchungsbehörden das nötige Augenmass.

Ausser Spesen nichts gewesen

Es war eine Alltagssituation. Aber ein Fahrgast versuchte, daraus eine wahre «Staatsaffäre» zu machen.

Wieder einmal Billettkontrolle im Bus. Ein Fahrgast konnte keinen gültigen Fahrausweis vorzeigen. Er wollte sofort aussteigen und so quasi die Flucht ergreifen. Der Billettkontrolleur forderte ihn auf, seine Personalien bekannt zu geben, und hinderte ihn am Aussteigen. Noch am selben Tag erstattete der Fahrgast gegen den Kontrolleur Anzeige, weil dieser ihn am Aussteigen gehindert hatte (wegen Festhaltens bzw. Beraubung der Bewegungsfreiheit).

Die Staatsanwaltschaft prüfte den Sachverhalt und kam zum Schluss, dass sich der beschuldigte Billettkontrolleur mit seinem Verhalten nicht der Nötigung im Sinne von Art. 181 Strafgesetzbuch StGB (siehe Kasten) schuldig gemacht habe.

Zur Begründung hielt die Staatsanwaltschaft fest: «Bei dieser offen formulierten Tatbestandsvariante muss das verwendete Zwangsmittel das üblicherweise geduldete Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig überschreiten, wie dies für die vom Gesetz genannte Gewalt und die Androhung ernstlicher Nachteile gilt.» Das Androhen von etwas, das zwar nachteilig ist, aber dem Gesetz entspricht, wie im vorliegenden Fall vom Kontrolleur die Feststellung der Personalien zwecks Auferlegung des «Zuschlags», im Volksmund Busse genannt, ist weder Freiheitsbeschränkung noch Nötigung. «Strafrechtlich relevant kann ein solches Verhalten einzig dann sein, wenn der Betroffene mit dieser Androhung zu einem Verhalten gezwungen wird, auf welches kein Anspruch besteht, und welches auch mit der Verwirklichung des angedrohten Übels nicht erreicht werden könnte.

Gemäss Art. 57 Verordnung über die Personenbeförderung VPB sind Reisende gesetzlich dazu verpflichtet, einen gültigen Fahrausweis zu besitzen. Können sie keinen gültigen Fahrausweis vorweisen, müssen sie sich über ihre Identität ausweisen sowie den Fahrpreis und einen Zuschlag bezahlen (Art. 20 Personenbeförderungsgesetz PBG).»

Kontrolleur im Recht

Da der Fahrgast im vorliegenden Fall keinen gültigen Fahrausweis vorweisen konnte, war er dazu verpflichtet, sich gegenüber dem Billettkontrolleur über seine Identität auszuweisen. Umgekehrt war der beschuldigte Billettkontrolleur dazu berechtigt, dies vom Fahrgast zu verlangen. Der Kontrolleur verfolgte daher einen zulässigen Zweck, als er den Fahrgast am Verlassen des Busses hinderte und ihn dadurch in seiner Handlungsfreiheit einschränkte. Deshalb war für die Staatsanwaltschaft klar, «dass hier kein nötigendes Verhalten vorliegt».

Viel Lärm um Nichts

Der ganze Wirbel, der durch die Anschuldigung des Fahrgastes entstand, mündete in eine «Nichtanhandnahmeverfügung ». Das heisst, dass gegen den Kontrolleur kein Strafverfahren eingeleitet und folglich auch keine Strafe ausgesprochen wurde. «Es sind keine Verfahrenskosten […] entstanden », wurde weiter «verfügt », d. h., dass der Kontrolleur nicht dafür bezahlen muss, dass er ungerechtfertigt angeschuldigt wurde … Allerdings wurde ihm auch keine Parteientschädigung zugesprochen, «da die Aufwendungen der beschuldigten Person bloss geringfügig waren». Konkret heisst dies, dass im vorliegenden Fall die Kosten des vorsorglich beigezogenen Anwaltes durch den SEV getragen werden müssen.

Dieses Beispiel zeigt, in welch heikler Situation sich das Kontrollpersonal befindet. Leider gibt es auch Staatsanwaltschaften, die sich in solche Fälle «verbeissen ». Deshalb empfehlen wir den Beizug des SEVBerufsrechtsschutzes, sobald eine derartige Anzeige erfolgt.

Rechtsschutzteam SEV

ART. 181 STGB

Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.