Nicht jede Arbeit muss ausgeführt werden, sie muss zumutbar sein. Was gilt es zu beachten?
Arbeitsverweigerung = Kündigung?
Wenn wir eine Stelle antreten, wissen wir mehr oder weniger genau, welche Arbeiten wir zu erledigen haben werden.
So erfüllen wir dann über Jahre unsere Arbeiten, und nun heisst es plötzlich, es muss noch diese oder jene neue Aufgabe übernommen werden. Was nun? Sagen wir «nein», verlieren wir dann die Stelle?
Grundsätzlich ist eine Arbeitsverweigerung ein Kündigungsgrund. Ziffer 182 Bst. c. GAV SBB (Ziffer 174 GAV Cargo) bezeichnet die mangelnde Bereitschaft, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zu verrichten, Ziffer 182 Bst. d GAV SBB die mangelnde Bereitschaft zur Verrichtung einer zumutbaren Arbeit als Kündigungsgrund. Im Obligationenrecht ist dies in Art. 337 ff. geregelt.
Eine Arbeitsverweigerung bei vertraglich vereinbarten Arbeiten stellt per se eine Vertragsverletzung dar. Dabei muss aber klar definiert sein, welche Arbeiten überhaupt auszuführen sind. In der Regel stützt man sich dabei auf den Stellenbeschrieb. Gibt es keinen, wird auf die in dieser Tätigkeit üblicherweise auszuführenden Arbeiten abgestellt. Je nachdem, ob es sich um die Verweigerung von vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten handelt, kann eine ordentliche oder eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden.
Schwieriger ist es im Bereich der mangelnden Bereitschaft zur Verrichtung einer zumutbaren Arbeit. Um überhaupt beurteilen zu können, ob die Verweigerung einen Kündigungsgrund darstellt, muss definiert werden, was unter den Begriff der zumutbaren Arbeit fällt. Dies hat unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Arbeitsverhältnisses, der persönlichen Verhältnisse des betroffenen Mitarbeitenden und dem Branchenüblichen zu erfolgen.
Eine allgemeingültige Antwort gibt es nicht. Erst wenn die Zumutbarkeit bejaht werden kann, gilt die Verweigerung dieser Arbeit als Kündigungsgrund, welcher eine ordentliche oder eine fristlose Kündigung auslösen kann.
Das eben Gesagte gilt auch für Arbeitsverhältnisse nach OR. Und selbstverständlich führt ein einmaliges Verweigern nicht automatisch zu einer Kündigung. Zudem hat vorher in der Regel eine Abmahnung zu erfolgen.
Gute Gründe gelten
Es gibt aber auch gute Gründe, eine Arbeit zu verweigern. Eine entschuldigte bzw. gerechtfertigte Verweigerung liegt immer dann vor, wenn die verlangte Tätigkeit die Gesundheit gefährdet, die Persönlichkeit verletzt oder wenn die nötigen Schutzvorkehrungen zur Gefahrenabwendung vom Arbeitgeber nicht zur Verfügung gestellt werden. Weitere gerechtfertigte Verweigerungen liegen vor, bei diskriminierender Arbeitszuteilung oder bei Zuteilung von Arbeiten, für welche gesetzliche oder persönliche Qualifikationen verlangt sind, welche nicht erbracht werden können.
Das RS-Team musste sich bereits in verschiedenen Rechtsschutzfällen mit Kündigungen aus Arbeitsverweigerungen befassen. Die Diskussionen bezogen sich dabei vor allem auf die Verhältnismässigkeit zwischen der Schwere der Verweigerung und der Kündigung sowie der Frage der Zumutbarkeit. In einigen Fällen konnte wenigstens die Umwandlung einer fristlosen Auflösung in eine ordentliche Kündigung erreicht werden, in andern sogar die Rücknahme der Kündigung.
Zielführender ist es aber in jedem Fall, vor einer Eskalation der Situation das Rechtsschutzteam zu informieren, um eine einvernehmliche Lösung auf dem Diskussionsweg anzustreben.
Rechtschutzteam SEV
Kommentare
Julian Thoma 22/10/2022 12:19:11
Ich arbeite als Logistiker in einem Lager im Bereich Dachbau. Ich habe einen Mitarbeiter der übermässig trinkt und Cannabis konsumiert. Beides während der Arbeit und er Fährt trotzdem mit dem Stapler. Jeder in diesem Betrieb, so auch der Chef, weiss dass das so ist aber unternimmt nichts. Ich fühle mich so am Arbeitsplatz aber nicht sicher und fühle mich im stich gelassen, da nichts unternommen wird von der Geschäftsleitung. Ich möchte den Job nicht kündigen aber ich möchte unter diesen belastenden Umständen auch nicht arbeiten.
Freundliche Grüsse
Thoma Julian