Erst das Bundesgericht drehte ins Recht
Handoperation wurde zum Rechtsstreit um Arbeitslosentaggelder
Ein Beispiel aus der Praxis des SEV-Berufsrechtsschutzes, das zeigt, wie wichtig es manchmal ist, sein Recht hartnäckig (und mit professioneller Unterstützung) zu verteidigen.
Der 40-jährige L. ist Oberkellner bei einem Unternehmen der Bahngastronomie, als er zunehmend Schmerzen in seiner linken Hand verspürt. Eine Operation ist nötig. L. informiert seinen Arbeitgeber frühzeitig darüber, und nach der Entlassung aus dem Spital schickt er ihm ein Arztzeugnis, das vollständige Arbeitsunfähigkeit für drei bis vier Monate bescheinigt; mit der operierten Hand könnte er weder servieren noch sich im Zug festhalten.
Im Verlauf des dritten Monats der Arbeitsunfähigkeit ruft der Arbeitgeber bei L. zuhause an und stellt fest, dass dieser sich in seinem Heimatland Kroatien befindet (er hatte private Angelegenheiten zu regeln und behinderte damit den Heilungsprozess in keiner Weise). Der Arbeitgeber bietet ihn danach schriftlich zu einem Gespräch auf. Dort bringt L. ein weiteres Arztzeugnis mit. In der Folge reicht er noch mehrfach Arztzeugnisse ein, denn die Arbeitsunfähigkeit dauert letztlich zehn Monate. Im Verlauf des fünften Monats kündigt das Unternehmen L., worauf sich dieser an den SEV-Rechtsschutz wendet.
Wechselnde Begründung
Zuerst dreht sich die Auseinandersetzung um die Lohn- und Ferienguthaben bis zum Kündigungstermin, wobei es zu einer Einigung ohne Gericht kommt. (Die Kündigung an sich war rechtens, da die 90-tägige Wartefrist bereits abgelaufen war.)
Doch das Unternehmen „revanchiert“ sich, indem es gegenüber der Arbeitslosenversicherung angibt, die Kündigung sei erfolgt, weil L. seiner Informationspflicht nicht nachgekommen sei – in der vom SEV verlangten schriftlichen Begründung der Kündigung war jedoch ausschliesslich von einem gestörten Vertrauensverhältnis die Rede. Tatsächlich dürfte die unklare weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit der wahre Grund gewesen sein. Die Stellungnahme an die Arbeitslosenversicherung fällt allerdings zeitlich genau in die Phase des Lohnstreits…
Die kantonalen Arbeitslosenversicherung übernimmt die Argumente des Arbeitsgebers und verfügt deshalb eine Sperre von 21 Tagen wegen Selbstverschuldens der Arbeitslosigkeit. Die Rekursinstanz bestätigt die Sperre, und das kantonale Verwaltungsgericht reduziert sie lediglich auf 12 Tage.
Der Anwalt, den der SEV beigezogen hat, ist jedoch überzeugt, dass L. keine Pflichtverletzung begangen hat, und zieht das Urteil weiter ans Bundesgericht. Es gehe darum, die Frage des Selbstverschuldens grundsätzlich beurteilen zu lassen und der harten kantonalen Praxis ein Ende zu setzen.
Keine zusätzliche Informationspflicht
Und in der Tat folgt das Bundesgericht seinen Argumenten vollumfänglich. Wenn ein Arbeitnehmer für mindestens drei Monate arbeitsunfähig geschrieben ist, ist er in dieser Zeit dem Arbeitgeber keine weitere Auskunft schuldig. Das rechtzeitige Nachreichen der Arztzeugnisse erfüllt auch die weitere Informationspflicht. Im Urteil hält das Bundesgericht klar fest: «Eine weitergehende vertragliche oder gesetzliche Informationspflicht des Versicherten zu seinem Gesundheitszustand und Heilungsverlauf» bestehe nicht. Es weist jedoch auch darauf hin, dass in einem Arbeitsvertrag zusätzliche Regeln über die Meldepflicht während einer Krankheit möglich wären. Dies ist bei diesem Unternehmen aber nicht der Fall, weshalb kein Verschulden von L. an der Arbeitslosigkeit vorliegt und die Taggelder nicht gesperrt werden durften.
Was bedeutet dies nun? Wer ein Arztzeugnis eingereicht hat, muss danach nicht laufend beim Arbeitgeber vorsprechen. Dieser darf aber nachfragen, wie es geht. Und wer wegen länger dauernder Krankheit gekündigt wird, muss nicht akzeptieren, wenn ihm die Arbeitslosenkasse Taggelder kürzt.
Rechtsschutzteam SEV