Vorhang auf, Schiene Frei
Wer bremst, bleibt
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Silvan Rechsteiner ist Theaterautor. Früher war er Kundenbegleiter bei der SBB und Mitglied des SEV. In seinem autofiktionalen Stück «Wer bremst, bleibt – Weichen und Wirren eines Zugbegleiters» beschreibt der Basler den inneren Konflikt eines Mannes um die Dreissig, der zwischen seinen Träumen und der Realität hin- und hergerissen ist. Am 5. Februar wurde das Stück im Theater Basel uraufgeführt. Die SEV-Redaktion war dabei.
«Wer bremst, bleibt» ist ein tiefsinniges Werk, das sich auf erfrischend moderne Weise mit den Themen Stillstand und Veränderung auseinandersetzt. Im Mittelpunkt steht der Zugbegleiter Bruno (gespielt von Dominic Hartmann), der in seinem Alltag zwischen immer gleichen Fahrten und Begegnungen mit Reisenden gefangen ist. Eigentlich träumt er davon, Schauspieler zu werden, aber er ist sich nicht sicher, ob ihn das «wirklich glücklich» machen würde. Doch der Moment des Innehaltens – das Bremsen – führt zu einer existentiellen Auseinandersetzung, die das Publikum zum Nachdenken über die eigenen Weichenstellungen im Leben anregt.
Von der Suche nach dem Lebensglück
Teil dieses Prozesses des Suchens, Innenhaltens und Weichenstellens ist Brunos Liebe Marta (gespielt von Katharina Gieron), die er während einer Arbeitsschicht als Zugbegleiter kennenlernt. Im Gegensatz zu Bruno verfolgt Marta ihren Lebenstraum, im kanadischen Manitoba Schafe zu hüten. Auch die Figur der quirligen Berufsberaterin Frau Brenner (dargestellt von Barbara Colceriu) begleitet Bruno immer wieder auf der Suche nach seinem Lebensglück. Sie zeigt ihren Klientinnen und Klienten mehr oder weniger zufällig Karriereoptionen auf, vermittelt ihnen als «Life Coach» Lebensweisheiten und tritt als singende Schauspielerin Amalia in Erscheinung.
«Wer bremst, bleibt – Weichen und Wirren eines Zugbegleiters» fängt die Ambivalenz zwischen dem Wunsch nach Veränderung und der Angst vor dem «Abstellgleis» ein. Mit einer subtilen Mischung aus scharfsinnigem Humor und nachdenklicher Ernsthaftigkeit wird das Publikum auf eine persönliche und zugleich universelle Reise mitgenommen.
Vom Zugbegleiter zum Theaterautor
Silvan Rechsteiner wird mit 18 Jahren, nach einer kaufmännischen Lehre bei Login, Kundenbegleiter mit Dienstort Depot Basel SBB. Er fährt oft im Intercity auf den Strecken Basel-Zürich und im Eurocity nach Domodossala. In den Augenblicken zwischen den Bahnhöfen findet er Inspiration. Das Pendeln zwischen Stillstand und Bewegung prägt nicht nur sein aktuelles Theaterstück, sondern auch seinen Lebensweg. Er studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin und dramatisches Schreiben in Zürich. Seine Stücke erscheinen im renommierten Rowohlt Theater Verlag in Hamburg.
Die Reise geht weiter – nächster Halt: Winterthur
«Wer bremst, bleibt» entstand während Rechsteiners Zeit als Hausautor (Spielzeit 2023/2024) am Theater Basel. Bereits 2024 mit dem Stück «Mosaik» für den Deutschen Jugendtheaterpreis und den Berliner Stückepreis für junges Publikum nominiert, geht die Reise weiter mit einem nächsten Halt in Winterthur. Derzeit begleitet Rechsteiner die Inszenierung seiner nächsten Arbeit «All das nichts?», ein szenischer Spaziergang, den er zur Kammeroper «Jakob Lenz» für das Theater Winterthur geschrieben hat.
Unterwegs auf Schienen und Bühnen
Seine Freizeit verbringt Silvan Rechsteiner am liebsten mit Serien, guten Büchern und Theaterbesuchen. Jedes Stück, jede Geschichte ist für ihn ein Puzzleteil, das seine eigene Kreativität anregt. Einen Vorteil des Autorenberufs sieht er auch in der freien Zeiteinteilung. So schreibt er oft während einer Zugfahrt. Theater und Bahn sind für ihn gleichwertige Welten, die sich ähneln: «Im Theater ist man ein Rädchen im Getriebe, bei der Bahn ist es wie im Theater – immer in Bewegung, aber gleichzeitig sehr strukturiert». Die Zeit als Kundenbegleiter möchte der Basler nicht missen – im Gegenteil: «Ich könnte mir gut vorstellen, einmal im Monat eine Tour zu übernehmen.»
Während seiner Zeit als Kundenbegleiter war er Mitglied des SEV. Dabei hat er die solidarische Atmosphäre, den Zusammenhalt unter den Kolleginnen und Kollegen, sehr geschätzt, aber auch die Gewissheit: «Wenn es drauf ankommt, steht die Gewerkschaft hinter mir.»
Eva Schmid
Weitere Informationen
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Mehr zu Silvan Rechsteiner, zu seinem Schaffen und zum aktuellen Stück:
silvanrechsteiner.ch