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BAR-Verhandlungen bei der SBB: Beide Seiten haben Wünsche

Seit dem 20. Januar verhandelt die Verhandlungsgemeinschaft (VG) von SEV, Transfair, VSLF und KVöV mit der SBB über bereichsspezifische Arbeitszeitregelungen (BAR) bei der Division Produktion Personenverkehr. Fragen dazu an SEV-Gewerkschaftssekretär René Zürcher, Delegationsleiter der VG.

René Zürcher. @ Manu Friederich

Warum braucht es eigentlich zusätzlich zum GAV noch BAR?

René Zürcher: Weil die einzelnen Berufskategorien unterschiedliche Bedürfnisse in Arbeitszeitfragen haben, zum Beispiel was die Pausen betrifft. Einige Berufskategorien bevorzugen kompakte Dienstschichten, auch weil sie sich direkt am Arbeitsort verpflegen können, und haben deshalb keine BAR-Regelung zur Mindestdauer einer Pause. Hingegen bei anderen Berufskategorien ist in den BAR vorgeschrieben, wie lange eine Pause für eine Hauptmahlzeit mindestens zu dauern hat, wie beispielsweise bei der Kundenbegleitung. Ein Kundenbegleiter ist in Zügen unterwegs, kann sein Menü nicht im Kühlschrank deponieren und muss deshalb meist ins Personalrestaurant oder sonst ein Restaurant gehen, um warm zu essen. Die Menübestellung, das Essen und vielleicht noch ein Gang aufs WC sind in weniger als 30 Minuten nicht zu schaffen. Darum haben Kundenbegleiter:innen lieber eine längere Pause, auch um mal zu sitzen und wirklich runterfahren zu können, denn sie sind bei der Arbeit immer auf den Beinen. Wegen solcher Unterschiede kann man gewisse Arbeitszeitregelungen nicht für alle Berufsgruppen vereinheitlichen.

Welche Berufsgruppen sind von den laufenden BAR-Verhandlungen betroffen?

Das Lokpersonal, das Kundenbegleitpersonal, das Rangierpersonal und das Zugreinigungspersonal bei der Bahnproduktion des Personenverkehrs. Wir sind im Austausch mit weiteren Berufsgruppen, die womöglich auch Bedarf an BAR-Verhandlungen haben. Auch SBB Cargo hat Interesse an BAR-Verhandlungen angemeldet, doch haben sie dort noch nicht begonnen (siehe Box).

Warum will die SBB bei diesen vier Berufsgruppen die BAR anpassen?

Ein Grund dafür ist, dass die SBB beim Personenverkehr das Rangier- und das Lokpersonal in der Organisation durchmischt hat. Beide Berufskategorien werden bis hinunter zu den Teamleitenden durch eine gemeinsame Leitung geführt. Ein weiterer Grund ist, dass die SBB im Rahmen des Projektes «Integrierte Produktionsplanung» (IPP) die Einsatz- und Produktionsplanungssoftware «Sopre» durch das neue Programm «IVU Rail» ersetzen will. Die SBB muss dieses Programm nun massgeschneidert programmieren lassen, und weil es für alle vier Berufskategorien vorgesehen ist, wünscht die SBB gewisse Vereinheitlichungen der BAR.

Ist diese Vereinheitlichung wirklich nötig?

Das muss uns die SBB erst noch aufzeigen. Änderungswünsche gibt es aber auch seitens Kolleg:innen, die von den BAR betroffen sind (die bei Redaktionsschluss noch nicht verabschiedet waren und darum hier noch nicht vorgestellt werden – die Redaktion). Wir werden also sehen, ob wir einen Konsens finden. Wenn nicht, bleiben die bestehenden BAR weiterhin gültig. Das zwingt beide Parteien dazu, Kompromisse zu machen, um eine Lösung zu finden, die den Bedürfnissen beider Seiten entspricht.

Welche Bedürfnisse hat die SBB sonst angemeldet?

Sie sagt, sie wolle dem Personal vermehrt individualisierte Lösungen anbieten, um auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben. Die SBB hat heute das Problem, dass Lehrabgänger:innen z. B. in der Kundenbegleitung kündigen, weil sie die Schichtarbeit nicht verkraften oder weil sie am Wochenende doch lieber frei haben wollen. Es gibt aber auch Mitarbeitende, die gewisse Vorteile der Schichtarbeit schätzen. Sie können z. B. nach dem Frühdienst oder an einem Wochentag sportlichen Aktivitäten nachgehen, wenn die Anlagen nicht überlaufen sind wie meist abends oder an Wochenenden. Die Vorlieben und Bedürfnisse sind natürlich sehr individuell. Diese Individualisierung mag verlockend tönen, aber solche Lösungen brauchen auch einen Rahmen. Die Mitarbeitenden haben das Recht, ihr Privatleben rund um die Arbeit planen zu können. Lösungen in Richtung «Arbeit auf Abruf» werden wir bekämpfen.

Die SBB will also bei den BAR individualisierten Bedürfnissen stärker entgegenkommen?

Sie möchte bei den BAR offenbar mehr Flexibilität, um möglichst allen das zu bieten, was sie wollen. Gemäss SBB schätzen ältere Mitarbeitende die heutigen BAR und jüngere empfinden diese als Hindernis. Von unseren Mitgliedern hören wir auch anderes. Die SBB glaubt unsere Mitgliedschaft besser zu kennen als wir, hat man manchmal den Eindruck. Natürlich fragt sie Mitarbeitende, die die Ausbildung abbrechen, warum sie dies tun. Manchmal erhält sie die Antwort, dass sie nicht am Wochenende oder nachts arbeiten wollen oder sich dies nicht so anstrengend vorgestellt haben. Um aber wirklich attraktiver zu werden, braucht es wohl auch finanzielle Verbesserungen bei Zulagen und Lohn, was nicht in den BAR geregelt ist.

Markus Fischer

SBB Cargo braucht eine BAR für RCP

Für viele Mitarbeitende von SBB Cargo und für den SEV ist klar: Die seit Jahren zugesicherte BAR für Rangierspezialist:innen ist überfällig. «Endlich gilt es auch für die RCP deren Rechte in einer BAR auf Niveau der Lokführenden zu sichern», hält der für SBB Cargo zuständige Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn fest und fügt an: «Diese Forderung der Betroffenen ist deutlich und berechtigt!» Der Konzern SBB seinerseits hat bereits bei der Verlängerung des GAV auch für die Vereinbarung Pro Time und die dazugehörige BAR Anpassungsbedarf in Aussicht gestellt.