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Auf den Spuren von ...

Aubin Ferrari, SI-Techniker bei TransN und Ultra-Trail-Läufer

Bei der Begegnung mit Aubin Ferrari, 28, Techniker für Sicherheitsinfrastruktur (SI) bei TransN, fallen mir sofort sein Lächeln, seine ruhige Stimme und seine sehr entspannte Art auf, über seine berufliche und sportliche Laufbahn zu sprechen. Hätte ich ihn nicht im Fernsehen als aufstrebenden Star des Ultra-Trail-Laufens gesehen, könnte ich mir kaum vorstellen, dass er an Extremrennen teilnimmt. Aubin behält aber gerne ein Bein im Alltag als Bahntechniker.

Aubin Ferrari stammt aus Chambéry in Savoyen, wo er mit seinem Bruder und seiner Schwester zwischen See und Bergen in einer Lehrerfamilie aufwuchs. Auch war er oft bei den Grosseltern im Beaufortin-Massiv in den Ferien. Seine Liebe zur Natur stammt also aus der Kindheit, und in der Schulzeit verband er Lernen mit Sport. Mit 11 Jahren begann er mit dem Skilanglauf und lernte diesen lieben. Von 15 bis 18 Jahren absolvierte er unter der Woche in einem Internat ein Lernprogramm für angehende Sportler. «Ich habe damals überhaupt nicht daran gedacht, Profi zu werden, aber ich habe es geliebt, stundenlang draussen zu trainieren. Ich habe nicht entschieden, Sport zu treiben, habe aber seit meinem 11. Lebensjahr nie aufgehört damit. Ich bin dann über Skifahren und Biathlon zum Laufen gekommen.»

«Seit meiner Kindheit wurde ich gefragt, was ich einmal werden möchte, und hatte nie eine Ahnung», gesteht er. Er machte dann ein für Sport angepasstes Hochschulstudium in Elektrotechnik. «Logischerweise hätte ich als Ingenieur in einem Büro arbeiten müssen, aber ich wollte nur eines: draussen sein!» Nach dem Abschluss im September 2020 trat er in den Elektrodienst der SNCF ein, wo er zwei Jahre lang arbeitete und weiterhin Sport trieb. Bei einem Lauf in der Schweiz lernte er Saskia kennen, eine Freiwillige, die seine Partnerin wurde. Daraufhin bewarb er sich bei TransN, den öffentlichen Verkehrsbetrieben von Neuenburg, wo er 2022 in der Bahninstandhaltung eingestellt wurde.

Der Arbeitstag beginnt für Aubin jeweils gegen 6 Uhr 45 in Serrières, im Westen von Neuenburg. Mit seinen Kollegen plant er die Aufgaben für den Tag. «Dann gehen wir raus und warten die Anlagen.» Oft arbeitet er zu zweit, manchmal zu dritt. Seine Aufgabe besteht darin, die Anlagen zu überprüfen, um die Sicherheit der Autofahrer:innen an Bahnübergängen und der Züge zu gewährleisten. Diese dürfen sich auf dem einspurigen Gleis (Foto) weder kreuzen noch einholen. Balisen ermöglichen das automatische Stoppen eines Zuges. Kaum bei TransN angekommen, wird Aubin von Giorgio, einem Kollegen, gefragt, ob er der Gewerkschaft beitreten wolle. «Da ich aus Frankreich komme, war das ganz natürlich!», lacht er. «Vor etwa einem Jahr bin ich auch dem Vorstand beigetreten, um die kleine Technikabteilung zu vertreten. Die Gespräche mit der Leitung sind konstruktiv.» Warum dem SEV beitreten? Die Antwort kommt prompt: «Weil wir unsere Rechte umso besser vertreten können, je mehr Mitglieder wir haben. Im SEV lernte ich auch die Anliegen meiner fahrenden Kolleg:innen besser kennen und fühle mich so im Unternehmen besser integriert.»

Wie vereinigt Aubin seinen Job mit dem Training für den Ultra-Trail, also den Langstreckenlauf in der Natur, der viel Durchhaltevermögen erfordert? Meistens klappe das sehr gut, antwortet er, da die Arbeitszeiten recht regelmässig seien, ausser an ein paar Wochenenden, an denen eine Strecke für umfassende Arbeiten bis am Sonntag gesperrt wird und schon am Freitagabend gearbeitet wird. Und alle zwei Monate hat er Pikett und darf nicht weit von zu Hause weg, was nicht ideal ist. «Nachtarbeit ist für die Erholung am anstrengendsten, aber das kommt nur selten vor und ich kann mich mit meinen Kollegen gut absprechen. Ich kann also sagen, dass ich keine Probleme habe, Arbeit und Sport unter einen Hut zu bringen.»

Trotzdem bringt ihn der Sport seit einiger Zeit aus dem Gleichgewicht, denn er bestreitet immer mehr Wettkämpfe und verbessert seine Leistungen. Für Normalsterbliche sind die rund 17 Kilometer von Murten nach Freiburg oder die 20 Kilometer von Lausanne schon eine ziemliche Herausforderung, aber Aubin rennt beim legendären Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB) – seinem Traumlauf, der einmal im Jahr Ende August stattfindet – das Sechs- bis Achtfache, nämlich über 170 km in 22,5 Stunden. 2024 belegte er den 14. Platz, eine aussergewöhnliche Leistung, bei der er alle möglichen Gemütszustände durchlebte: Stress, Euphorie, Einsamkeit, Ruhe, Müdigkeit und Zweifel. «Ein Leben in 24 Stunden», fasst er zusammen. Dies erfordert natürlich eine sehr intensive Vorbereitung im Winter, Frühling und Sommer mit grossen Trainingseinheiten. Aubin hat sein Arbeitspensum daher auf 80 % reduziert und senkt es Anfang 2026 auf 50 %.

Beim diesjährigen UTMB musste er wegen der extremen Wetterbedingungen aufgeben, denn Schnee und Kälte verträgt er nicht besonders gut. Das hat seinen Wettkampfhunger aber nicht gemindert, «wobei ich mehr darum kämpfe, meine eigene Laufzeit zu schlagen, als andere zu besiegen», sagt er. Muss er Profi werden, um mit den Besten wie Kilian Jornet mithalten zu können? Eigentlich schon, aber Aubin ist klug und macht weiter mit dem Beruf, den er liebt, der ihm finanzielle Sicherheit gibt und ihn auf dem Boden hält. Mehr als seine Leistungen haben uns Aubins Menschlichkeit und Bescheidenheit beeindruckt. Wir wünschen ihm viel Glück auf seinem Weg zu neuen Höhen und Abenteuern.

Yves Sancey