17. Dezember 2021 | Aktuell / SEV Zeitung

Denkmal

«Ohne Nachwuchs kann das Stellwerk nicht überleben!»

Im Oktober 2004 geht die mit 103 Jahren zweitälteste Stellwerkanlage der Schweiz mitten im Kreuzungspunkt der beiden Bahnlinien der BLS und der SBB in Kerzers in den wohlverdienten Ruhestand. Sie macht einer elektronischen Anlage Platz. Für das in Kerzers stationierte Personal geht eine Epoche zu Ende. Für den zum gleichen Zeitpunkt gegründeten Verein Stellwerk Kerzers ist es der Beginn einer neuen Ära.

Die SBB will das industrielle Kulturgut, das über 100 Jahre Eisenbahngeschichte zeigt, abreissen. Beat Winterberger, der bis zur Betriebsumstellung auf die elektronische Fernsteuerung als stellvertretender Bahnhofvorstand in Kerzers arbeitet, kann das nicht akzeptieren. «Schon bei meinem Stellenantritt 1996 hatte ich die Vorahnung, dass dieses Werk dereinst nicht mehr gebraucht werden könnte», erläutert der Präsident des Vereins Stellwerk Kerzers. Er macht seiner Arbeitgeberin Vorschläge zum Erhalt der Anlage. Die SBB will davon aber nichts wissen. Erst als Beat Winterberger beim Amt für Kulturgüter des Kantons Freiburg anklopft, kommt die Sache ins Rollen. 2003 wird das Gebäude von der Eidgenössischen Denkmalpflege unter Bundesschutz gestellt. Ein erstes wichtiges Etappenziel ist damit erreicht.

Nach der Schliessung der Anlage 2004 ist es das erklärte Ziel des Vereins Stellwerk Kerzers, die Funktionalität des Werkes zu erhalten. Weil sich das Gebäude in einem schlechten Zustand befindet, folgen Jahre der Sanierungs- und Reparaturarbeiten durch die Vereinsmitglieder. Insgesamt investieren sie gegen 13 000 Arbeitsstunden. Seither ist die Anlage als Museum für die Öffentlichkeit zugänglich. Der Verein Stellwerk Kerzers führt auf Anfrage Führungen für Gruppen durch und will so das historische Wissen an die nächsten Generationen weitergeben.

Die langjährige Arbeit des Vereins Stellwerk Kerzers wird mehrfach ausgezeichnet. 2012 erhält der Verein für den Erhalt des schweizweit einzigartigen historischen Stellwerks den Förderpreis der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturgüterschutz SGKGS. 2014 folgt der Wanderpreis für Freiwilligenarbeit der Gemeinde Kerzers und 2019 schliesslich der Prix d’engagement public von Kerzers, mit dem Vereinspräsident Beat Winterberger geehrt wird.

Vor der Pandemie besuchten jährlich rund 400 Interessierte die historische Stellwerkanlage. Der Verein führte gegen 30 Führungen pro Jahr durch. In der aktuellen Lage ist das Interesse sehr stark eingebrochen. Doch der Präsident hat noch andere Sorgen: «Der Vorstand unseres Vereins kommt langsam in die Jahre. Es ist absehbar, dass wir älteren Semester unsere Ämter in den nächsten Jahren niederlegen werden.» Leider fehle aber der entsprechende Nachwuchs, wie Beat besorgt zu Bedenken gibt. «Die Anlage muss unbedingt erhalten bleiben, denn sie ist ein absolutes Juwel in der Eisenbahnlandschaft Schweiz und bleibt daher schützenswert. Ohne entsprechend engagierte Leute im Verein ist dies aber unmöglich!»

Für ein Mitmachen im Verein Stellwerk Kerzers sind keine speziellen Fähigkeiten nötig. Wer sich für den weiteren Erhalt dieser einzigartigen Anlage engagieren möchte, kann sich direkt bei Vereinspräsident Beat Winterberger melden: 079 592 61 39 oder .

Weitere Infos: www.stellwerk-kerzers.ch.

Chantal Fischer