«Motivation beibehalten – Stress reduzieren»
Strategien gegen den Stress
Stress ist heute eine allgegenwärtige Klage in der Arbeitswelt. Was der Stress ist und was sich dagegen tun lässt: das waren die Themen an der Tagung der Kolleg/innen der Branche Personenverkehr im AS.
Der Stress hat eine Theorie: Wie entsteht er und was er für Auswirkungen? Und der Stress hat eine Praxis: Wie kann man ihn bekämpfen? Um diese zwei Pole kreisten die Referate und Diskussion an der trotz des aktuellen Themas leider nur mässig besuchten Versammlung der Branche P des Unterverbandes AS in Olten.
Krankmacher Stress
Für den ersten theoretischen Input war die Arbeitspsychologin Astrid Mehr mit ihrem Referat «Motivation beibehalten und Stress reduzieren – persönliche Ansätze» besorgt. Stress, so führte sie aus, ist grundsätzlich eine gesunde Reaktion auf Angriffe aller Art. Wenn die Belastung durch Stress aber zu lange andauert und die Entspannungs- und Regenerationsphase zu kurz ist, macht er krank. Ständig steigende Anforderungen (auch am Arbeitsplatz) und sich jagende Veränderungen können körperliche Symptome wie Bluthochdruck, muskuläre Verspannungen, Verdauungsprobleme, Hauterkrankungen etc. hervorrufen. Die Leistungsfähigkeit wird reduziert, Traurigkeit und Interesselosigkeit sind die Folge. Im Team ergeben sich Konflikte.
Die Probleme zu erkennen ist das eine, sie zu lösen das andere. Nachdem der theoretischen Einführung setzte hier der praktische Teil an: in zwei Gruppen diskutierten die Teilnehmenden, wo sie Stress erleben und wie sie ihm zu begegnen versuchen. Hier zeigte sich, wie wichtig der Austausch unter Kollegen und Kollegen ist. Zwar ist das persönliche Erleben von Stress je nach Arbeitsumgebung (z.B. Büro, Schalter), Chef, Team unterschiedlich, doch wie man Stress und stressauslösende Faktoren erkennt, das kann man im Gespräch am besten herausfinden, und nichts hilft mehr als der erprobte Rat von erfahrenen Kolleg/innen aus ähnlichen beruflichen Situationen.
Das Gesetz respektieren
Der Nachmittag begann wieder mit einem theoretischen Input; das Referat von Christine Michel, der Leiterin des Bereichs Gesundheit und Sicherheit bei der Gewerkschaft Unia, stand unter dem Titel «Psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz». Hinter dem etwas sperrigen Titel verbirgt sich kurz gesagt die Erkenntnis, dass die Arbeit uns krank machen kann. Zwar haben die Arbeitgeber die Verpflichtung, alles Zumutbare zum Schutz der physischen und psychischen Gesundheit der Arbeitnehmer zu unternehmen: so steht es im Arbeitsgesetz. Das betrifft Massnahmen der Ergonomie, der Hygiene, des Schutzes gegen physikalische, chemische und biologische Einflüsse, gegen einseitige oder übermässige Beanspruchungen und zur geeigneten Arbeitsorganisation. Und die Beschäftigten haben Mitspracherechte, was den Gesundheitsschutz betrifft. Doch was heisst das konkret, im Arbeitsalltag?
Die Risikofaktoren sind sehr unterschiedlich: im Bereich der Arbeitsorganisation etwa fehlende Informationen, Zeitdruck oder unklare Aufgaben, auf der sozialen Ebene schwierige Kund/innen oder auch das Verhalten der Vorgesetzten. Auch Monotonie, Überforderung oder seelisch belastende Aufgaben sind ein Risiko, ungünstige Lärm-, Licht-, Klimaverhältnisse oder eine ungeschickte Anordnung des Arbeitsplatzes. Die meisten wissen aus eigener Erfahrung, dass in diesen Bereichen noch viel im Argen liegt, dass also streng genommen täglich gegen das Gesetz verstossen wird.
Aber statt für Abhilfe zu sorgen, planen die Arbeitgeber und ihre Vertreter/innen in den Parlamenten weitere Verschlechterungen. Das betrifft etwa die Aufweichung der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für immer weitere Kreise, die Abschaffung der Nacht- und Sonntagsruhe, des Rechts auf Pausen und der Begrenzung der Wochenarbeitszeit. Damit ist eine Zunahme der Arbeitsüberlastung und der Burnout-Fälle praktisch vorprogrammiert.
Verbesserungen fordern
Hier kommt den Arbeitnehmenden und den Gewerkschaften eine wichtige Aufgabe zu: Was an einem Arbeitsplatz schlecht angeordnet ist, wissen diejenigen am besten, die an diesem Arbeitsplatz arbeiten – um nur ein Beispiel zu nennen. Das heisst: Arbeitnehmer/innen müssen ihre Forderungen stellen, wie gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen verbessert werden können. In einem Workshop gab es die Möglichkeit, nach dem «Klönen» auch Möglichkeiten für Verbesserungen zu formulieren.
«Stress macht krank», das ist eine Erkenntnis, die die Teilnehmenden von der Tagung mit nach Hause nehmen konnten, aber nichts tun macht kränker. Statt allgemeiner Klagen gilt es, eigene, echte Beispiele zur Grundlage zu machen, ein Stresstagebuch kann aufzeigen, was wann und in welchen Situationen für Stress sorgt: wenn der Drucker nicht funktioniert, wenn die Schlange vor dem Schalter immer länger wird, wenn ein Kunde am Schalter telefoniert. Und aus den so gewonnenen Erkenntnissen können auch Forderungen abgeleitet werden. Das können einfache Massnahmen sein, wichtig ist, dass sie individuell an die Situation angepasst werden.
Peter Anliker