LPV-Seminar zum Lohnsystem: Ist mein Lohn korrekt?
Lokführerlöhne unter der Lupe
Der Unterverband des Lokomotivpersonals LPV lud am 29. September zu einer Weiterbildung über das SBB-Lohnsystem nach Olten.
Der Personenverkehr SBB steht beim Lokpersonal zurzeit vor zwei grossen Herausforderungen: einerseits die Lücken zu füllen, die durch Abgänge infolge Pensionierung entstehen, und andererseits jene Lokführer/innen zu ersetzen, die zu anderen Bahnunternehmen wechseln, die zum Teil bedeutend mehr Lohn bezahlen, bzw. solche Wechsel zu vermeiden. Die Abgänge zur Konkurrenz haben sich dieses Jahr verdreifacht.
In dieser Notlage muss die SBB alles daransetzen, das Lokpersonal bei der Stange zu halten. Darum kann sie sich keine schlechte Stimmung und Lohnunzufriedenheit leisten, wie diese sich in den letzten Monaten vor allem beim jüngeren Lokpersonal ausgebreitet hat. Darum wohl folgte der Leiter Zugführung (P-OP-ZF) Manfred Haller der Einladung des LPV ans Ausbildungsseminar zum Lohnsystem und stellte sich den Fragen der Teilnehmenden.
SBB unter Druck
Auf der Hand lag die Frage, ob die SBB ihren Lokführern nicht etwas mehr bezahlen könnte, weil die Marktlöhne offensichtlich gestiegen sind. Manfred Haller winkte ab: Weil Besteller wie der Zürcher Verkehrsverbund immer mehr Leistung für immer weniger Geld verlangten, könne sich ZF generell höhere Löhne nicht leisten. Aber auch Einzelnen könne ZF nicht entgegenkommen, weil dies Ungerechtigkeiten schaffen würde. «Also leiden wir», klagte Haller.
Haller schätzt, dass der Notstand beim Lokpersonal noch rund zwei Jahre dauert, bis genügend Nachwuchs ausgebildet ist. «Die Lokführerklassen füllen wir problemlos, bei gleichbleibender Qualität der Ausgewählten» – auch dank mehr Offenheit beim Alter und dem vergleichsweise hohen «Lehrlingslohn» von 44'000 bis 54'000 Franken.
«Man darf auch nicht nur den Lohn anschauen bei einem Job», betonte Haller. Soziale Absicherungen seien ebenfalls wertvoll. «In der Tat bezahlen andere Bahnunternehmen wohl teilweise höhere Löhne, bieten dafür aber beispielsweise keine Pensionierungsmodelle und keinen Kündigungsschutz wie die SBB», ergänzte SEV-Vizepräsident Manuel Avallone.
Unzufriedenheit bei vielen jungen Kolleg/innen
Auslöser des Seminars war die Lohnfrustration beim jüngeren Lokpersonal. Als Mitorganisatorin war denn auch SEV-Jugendcoach Lucie Waser anwesend. Der Jugendkommission SEV werden immer wieder Klagen junger Kolleg/innen aller Berufskategorien über Unzufriedenheit beim Lohn zugetragen. Um diesen auf den Grund zu gehen, hat der LPV eine neue Arbeitsgruppe Lohn ins Leben gerufen, geleitet von Zentralpräsident Hans-Ruedi Schürch.
Als Sprecher der Arbeitsgruppe stellte der 25-jährige Severin Sertore, Lokführer in Winterthur, den Stand der Arbeiten vor. Sertore zeigte am eigenen Beispiel zwei mögliche Gründe für die Lohnunzufriedenheit auf:
Zu langsamer Aufstieg
Sertore bildete sich ab 2011 bis Juni 2012 bei der SBB zum Lokführer aus und wurde dann mit einem Jahreslohn von rund 62'600 Franken brutto – also vor Abzug der Beiträge an die Sozialversicherungen und ohne Zulagen – angestellt. Das war weit weniger als der Basiswert des Anforderungsniveaus G des Lokpersonals von damals wie heute rund 70'000 Franken. Heute beträgt sein Jahreslohn 72'604 Franken, da er und 43 weitere Kolleg/innen per 1. Januar auf bzw. über den Basiswert gehoben worden sind. Denn seit dem GAV 2015 dürfen keine Lokführenden mehr unter dem Basiswert angestellt werden (siehe unten). Trotzdem verdient Sertore immer noch fast ein Drittel weniger als der Höchstwert des Anforderungsniveaus G von rund 102'000 Franken. «Ein so grosser Lohnunterschied ist unhaltbar», findet er.
«Nach meiner persönlichen Meinung kann man über diese Differenz von 30'000 Franken tatsächlich diskutieren in einem Beruf, wo man ab dem ersten Tag gleich sicher und pünktlich arbeiten muss wie alle anderen», sagte Manfred Haller. Auch wenn natürlich je nach Depot mehr oder weniger Loktypen und mehr oder weniger anspruchsvolle Strecken zu befahren sind. «Die Diskussion müsste jedoch im Rahmen des GAV erfolgen, da die Aufstiege für alle Berufskategorien ähnlich geregelt sind», betonten Haller wie auch SEV-Vizepräsident Manuel Avallone.
Teilnehmende regten vor allem auch an, den Lohnaufstieg zu beschleunigen, was in anderen Berufskategorien ebenfalls ein Thema ist.
Historisch bedingte Unstimmigkeiten
Severin Sertore verdient drei Jahre nach der Ausbildung kaum mehr und zum Teil sogar weniger als ältere Kollegen, die eben erst ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Der Grund dafür ist eine Verbesserung, welche die Gewerkschaften bei den Verhandlungen zum GAV 2015 erreicht haben: Anfangslöhne unter dem Basiswert sind nicht mehr zulässig nach Abschluss einer Zweitausbildung (betroffen sind also neben dem Lokpersonal beispielsweise auch Reisezugbegleiter/innen und Zugverkehrsleiter/innen).
«Statt Applaus gab es beim Lokpersonal Unruhe», bedauert Manfred Haller. Und dies, obwohl ZF freiwillig zusätzliches Geld in die Hand nahm, um die betroffenen Lokführer/innen 2015 nicht einfach alle auf den Basiswert von 70'005 Franken zu setzen, sondern ihnen abgestuft nach Alter je nachdem etwas mehr oder weniger Lohn zu zahlen (bis maximal 74'000 Franken). Wegen dieser grundsätzlich sinnvollen «Harmonisierung» haben anscheinend Ausbildungsabgänger dank ihrem höheren Alter zum Teil dienstältere, jüngere Kollegen lohnmässig überholt, was bei letzteren schlecht ankam…Die SEV-Gewerkschaftssekretäre Michael Buletti und Jürg Hurni erklärten, dass es aufgrund der Lohnanpassungen 2015 auch Ungleichheiten gibt bei Mitarbeitenden, die unter der «Vision 2010» angestellt wurden.
Allen Mitarbeitenden gerecht zu werden, auch in der historischen Dimension, sei eine grosse Herausforderung für jedes Grossunternehmen, antwortete Manfred Haller. Die SBB bemühe sich, alle Mitarbeitenden gerecht zu behandeln. Darum erklärte sich der Leiter ZF bereit, zusammen mit dem SEV-LPV die Unstimmigkeiten anzuschauen.
Markus Fischer
LPV-Arbeitsgruppe braucht Beispiele
Die Arbeitsgruppe «Lohn» des Unterverbands LPV wird vom SEV-Zentralsekretariat und der Jugendkommission unterstützt. Sie hat Mitglieder verschiedenen Alters und Dienstalters aus der deutschen und französischen Schweiz und geht der Lohnunzufriedenheit beim Lok- personal nach. Dafür ist sie auf konkrete Lohndaten angewiesen von Kolleg/innen, die den Verdacht auf eine ungenügende oder falsche Lohnentwicklung hegen, besonders von Lehrabgänger/innen der letzten zehn Jahre. Danke für eure Mithilfe. Kontakt: