Kundgebung SEV «gegen den Pensionskassenbschiss»
Rede von Beni Kälin, Lokomotivführer
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Liebe Kolleginnen und Kollegen
Zuerst will ich meinen Lokführer-Kollegen ganz besonders danken, die uns von da oben unterstützen. Ich hoffe, sie lassen mich einigermassen reden!
Ich bin also Lokführer, und zwar bei der BLS. Im Moment haben wir BLS-Lokführer noch andere Sorgen als die Pensionskasse, weil der Güterverkehr eingebrochen ist, aber das ist heute nicht das Thema.
Als Mitarbeiter eines bei der Ascoop versicherten Unternehmens hatte ich bei der Präsentation der Sanierungsmassnahmen zur Pensionkasse SBB ein Déjà-vu. Sind wir Ascoop-Versicherten doch schon seit Jahren dabei, mit genau solchen Massnahmen unsere Pensionskasse auf Vordermann zu bringen. Dieses Jahr z.B. müssen wir zusätzlich mit einer Nullverzinsung leben, das heisst also, dass unsere Renten noch kleiner ausfallen werden. Und mit schöner Regelmässigkeit bekommen wir bei den Lohnverhandlungen diesen Umstand aufs Brot geschmiert: „Nein, für Lohnerhöhungen ist leider kein Spielraum. Ausserdem müssen wir die Pensionskassensanierung vorwärts bringen.“ Immerhin dürfen wir der BLS zugestehen, dass sie die PK-Sanierung sehr ernst nimmt und sich auch entsprechend finanziell engagiert. Wir müssen also doch nicht ganz allein für die Fehler der Vergangenheit zahlen.
Das ganz grosse Problem bei der Ascoop ist denn auch nicht die Finanzkrise; das ganz grosse Problem bei der Ascoop sind die früheren Fehler, unter denen wir extrem leiden. Wegen diesen Fehlern gibt es einen Sanierungsplan, der viel von uns verlangt. Die BLS hat sich verpflichtet, diesen Plan einzuhalten, und das heisst für uns alle, dass wir auf Jahre hinaus auf viel Geld verzichten müssen.
Ich fühle mich solidarisch mit meinen Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls von dieser Krise betroffen sind, und zwar von der Pensionskassenkrise, die uns noch begleitet, wenn schon lange niemand mehr von der Finanzkrise sprechen wird. Es geht hier um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft des öffentlichen und touristischen Verkehrs in der Schweiz. Wenn unsere Bahnen auf Jahre, ja Jahrzehnte hinaus belastet sind durch die Pensionskassen, dann haben sie einen Wettbewerbsnachteil. Es steht auch weniger Geld für nötige Investitionen und Unterhalt zur Verfügung. Irgendwann wird dann ein grosser Player von irgendwo her kommen und eine schön günstige Offerte für eine S-Bahn machen, bei der unsere Unternehmen nicht werden mithalten können. Und dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir zuschauen können, wie unsere im Moment noch so guten Arbeitsbedingungen kassiert werden! Liebe Politikerinnen und Politiker: Mit dieser Perspektive können und wollen wir uns hier nicht abfinden!
Parteien einer gewissen Provenienz sind sich nicht zu schade, die ganzen Probleme der Pensionskassen, nicht nur jene der SBB, dem Missmanagement einer „sozialdemokratischen Führungsriege und der Gewerkschaften“ in die Schuhe zu schieben. Weshalb der Staat nun auf keinen Fall in privatwirtschaftliche Vorgänge eingreifen dürfe, um kein Präjudiz zu schaffen. Wo, so frage ich diese Politiker, war denn eure unerschütterlich marktliberale Gesinnung, als es um eine schlecht gemanagte Grossbank ging? Da waren ja wohl weder Linke noch Gewerkschafter am Werk... Und wenn ich mir die Feststellung erlauben darf: ein leistungsfähiger, qualitativ hochstehender öV ist für die Volkswirtschaft unseres Landes mindestens ebenso bedeutsam wie eine stabile Grossbank!
Wer mich kennt, der weiss, dass ich der Letzte bin, der glaubt, die Probleme seien damit gelöst, dass man mit Fingern auf die vermeintlich Schuldigen zeigt. Der Blick in die Vergangenheit darf einzig dem Zweck dienen, aus begangenen Fehlern zu lernen! Der Blick in die allerjüngste Vergangenheit führt unweigerlich zu folgender Fragestellung: wollen wir weiterhin dem Phantom des angeblich „freien Marktes“ huldigen, oder wollen wir ernsthaft darüber nachzudenken beginnen, wie der Reichtum, den WIR hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, jeden Tag erarbeiten, zum Wohle aller eingesetzt werden kann? Und eines, Kolleginnen und Kollegen, ist für mich klar:
„LA SOLUTION EXISTE!“
Auch für die Probleme der SBB-Pensionskasse, der Ascoop und all jener Vorsorgewerke von Busbetrieben, Seilbahnen, Skiliften, denen es noch viel schlechter geht als uns!
Liebe Politikerinnen und Politiker: schieben Sie nicht das Argument des freien Marktes vor, um sich vor schwierigen Entscheiden zu drücken! Treffen Sie die richtigen Entscheide zur nachhaltigen Gesundung unserer Pensionskassen, im Interesse des politischen und sozialen Friedens, zum Wohle eines prosperierenden öffentlichen und touristischen Verkehrs, der allen dient!
Kolleginnen und Kollegen: wir stehen heute hier nicht, weil wir um Almosen betteln, sondern weil wir eine Vorstellung davon haben, wie in diesem Land der vorhandene Reichtum genutzt werden soll! Und darum ist es ist gut, dass wir heute hier so viele sind. Aber ich bin sicher: Das ist nicht das letzte Mal, dass wir für diese Sache, für unsere Vorstellungen auf die Strasse gegangen sind. Da gibt es nur eines: Drannebliibe, drannebliibe, drannebliibe!