Positionspapiere

Inhalt

Positionspapier Gewerkschaft

Der SEV hat in den letzten Jahren weiter an seiner Positionierung innerhalb der Gewerkschaftslandschaft gearbeitet und sein Engagement im Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB verstärkt. Dies hat dazu geführt, dass der SEV als grösste und stärkste Gewerkschaftsorganisation im Verkehrsbereich besser wahrgenommen wird und sein Gewicht gezielt einbringt.

Der SEV positioniert sich so, dass er auch in Zukunft verstärkt sinnvolle Kooperationen mit Gewerkschaften und Verbänden, vor allem im Service public, eingehen kann. Im Jahr 2016 wurden erste Kooperationen mit dem Personalverband des Bundes (PVB), der Gewerkschaft des Kabinenpersonals (Kapers) und im Jahr 2017 mit dem Personalverband PUSH konkretisiert. Weitere werden derzeit geprüft.

Die Mitgliederentwicklung bleibt ein zentrales Thema: Der SEV konnte den Mitgliederschwund leider nicht stoppen. Rechnet man in der Gesamtrechnung die jährlich rund 1’000 Todesfälle dazu, so wird der Mitgliederrückgang noch deutlicher. Der SEV stellt deshalb die Mitgliederwerbung vehement und konsequent ins Zentrum der Unterverbands- und Sektionsarbeit.

Stärkung der Service public Anliegen

Die Stossrichtung, welche den SEV für die Zukunft stärken und bestmöglich positionieren soll, lässt sich wie folgt definieren: Der SEV muss nach innen gestärkt werden, um somit eine stärkere Wirkung nach aussen erreichen zu können.

Nach innen: Strukturen laufend überprüfen und bei Bedarf anpassen. Mitgliederwerbung intensivieren nach dem Grundprinzip «Mitglied wirbt Mitglied».

  • Der SEV stärkt die Nähe zu seinen Mitgliedern, steigert seine Mobilisierungsfähigkeit und verbessert seine Durchschlagskraft beim Vertreten seiner Interessen und beim Erbringen der Dienstleistungen. Um dies zu erreichen, optimiert und verstärkt der SEV die Zusammenarbeit mit den Unterverbänden und Sektionen, hinterfragt seine Strukturen und passt diese wo nötig an, sodass er seine Effizienz und Effektivität steigern kann.
  • Bei der Mitgliederwerbung hält der SEV am Prinzip «Mitglied wirbt Mitglied» fest. Durch gezielte Werbekampagnen und durch professionelle Unterstützung der Sektionen soll die Mitgliederentwicklung im SEV positiv beeinflusst werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Aufgabe, jüngere öV-Angestellte für den SEV zu gewinnen.
  • Der SEV und die Unterverbände entwickeln Strategien, damit Forderungen und Anliegen der Jugend, der Frauen sowie der Migrantinnen und Migranten verstärkt im Zentrum der gewerkschaftlichen Verantwortung stehen. Besonders im Fokus müssen dabei die Jugendlichen sein – sind sie doch die Zukunft der Gewerkschaft. Deshalb müssen sie früh in die gewerkschaftliche Arbeit eingebunden werden.

Nach aussen: Verstärkte Positionierung und Bereitschaft zu Kooperationen mit anderen Gewerkschaften und Verbänden.

  • Der SEV tritt kämpferisch auf, verstärkt weiterhin sein Engagement im Schweizerischen Gewerkschaftsbund und festigt dadurch seine Position als massgebende Verkehrsgewerkschaft in der Schweiz.
  • Kooperationen mit anderen Gewerkschaften und Verbänden, insbesondere aus dem Umfeld des Transportsektors und des Service public, sind vertieft zu prüfen und gegebenenfalls einzugehen. Im Vordergrund stehen die gemeinsamen Ziele im Transportsektor sowie im Service public und die Entwicklung einer entsprechenden Politik.
  • Stärkere Einflussnahme in der ETF: Die Schweiz liegt mitten in Europa und ist folgerichtig auch von der EU und ihrer Politik abhängig. Der SEV prägt durch seine aktive Teilnahme innerhalb der ETF-Gremien die Rahmenbedingungen der europäischen Verkehrspolitik mit.

Positionspapier Verkehrspolitik Schweiz und Europa

Der öffentliche Verkehr in der Schweiz ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte. 2014 waren 2,06 Milliarden Fahrgäste mit Bahnen, Trams und (Trolley-)Bussen unterwegs. Das Schweizer Bahnnetz wird so intensiv genutzt wie kein zweites. Der SEV ist der Überzeugung, dass die Schlüssel zur Aufrechterhaltung dieses Erfolgs im bestehenden System und nicht in einer ideologisch gefärbten Zerschlagung des Systems zu finden sind. Die tragenden Säulen des heutigen Systems sind: nicht privatisierter Personenfernverkehr, unbefristete Finanzierung, die integrierte Bahn, das Miteinander statt Gegeneinander aller Beteiligten, genügend und gut ausgebildetes sowie fair bezahltes Personal, konsequenter Unterhalt und ein Taktfahrplan bis in die Randregionen.

Der SEV setzt sich dafür ein, dass die Anliegen der Mitarbeitenden zu diesen Fragen auf allen Stufen der Politik einfliessen und Beachtung finden. Er pflegt den kontinuierlichen Austausch mit anderen Organisationen, mit Behörden, mit Meinungsträgerinnen und -trägern des öffentlichen Verkehrs, mit den Mitgliedern des Schweizer Parlaments und mit der Europäischen Transportgewerkschaft ETF.

Personen- und Güterverkehr sind Teile des Service public!

Die EU und leider auch das Bundesamt für Verkehr (BAV) machen Druck: Sie wollen mehr Wettbewerb, weitergehende Marktöffnung, verstärkten Marktzugang für private und gewinnorientierte Unternehmungen und mehr marktwirtschaftliche Instrumente sowie Anreize für unternehmerisches Handeln.

Keine Privatisierung des Personenfernverkehrs –
gegen die Rosinenpickerei

So hat zum Beispiel das Europäische Parlament mit dem vierten Eisenbahnpaket beschlossen, die nationalen Eisenbahnmärkte seiner Mitgliedsstaaten zu öffnen. Standardisierte Vergabeverfahren sollen es Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zukünftig erlauben, sich für Schienenverkehrsleistungen in den Nachbarländern zu bewerben. Der SEV verlangt, dass in Ausschreibungen soziale und qualitative Vorgaben stärker gewichtet werden als der Preis.

Fragmentierung des Fernverkehrs bedroht Gesamtsystem

Das aktuelle System mit einer Konzession für den ganzen Fernverkehr hat sich bewährt. Eine getrennte Ausschreibung einzelner Fernverkehrslinien durch das BAV würde dem Schweizer Bahnsystem als Ganzes erheblich schaden. Wettbewerb um einzelne, lukrative Linien kann insgesamt nur zu Verschlechterungen für die Kunden führen und geht zu Lasten des betroffenen Personals. Der SEV verurteilt den inszenierten Scheinwettbewerb der verschiedenen Staatsbahnen.

Integrierte Bahn fördert das Miteinander

Die Integrierte Bahn ermöglicht ein hochstehendes Angebot, eine bessere Bewältigung von Störungen und eine optimalere Netznutzung. Eine integrierte Bahn hat zudem ein grosses Interesse daran, das System als Ganzes zu verbessern und so Innovationen zu fördern. «Miteinander statt gegeneinander» steht im Fokus der Bemühungen. Der SEV wehrt sich deshalb dagegen, dass heute integrierte Bahnen in Zukunft in Teilbereiche zerlegt werden.

Keine nationalen Fernbuslinien

Das BAV begrüsst nationale Fernbuslinien und ist bereits in Verhandlungen mit interessierten Anbietern; wohlwissend, dass sich private, gewinnorientierte Unternehmen nur die gewinnbringenden Rosinen herauspicken werden. Zudem weiss auch das BAV, dass die Spiesse auf Strasse und Schiene für einen fairen Wettbewerb schlicht nicht gleich lang sind.

Solche Rezepte gehen in eine komplett falsche Richtung und sind äusserst gefährlich und schädlich für die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs (öV) als Teil des Service public. Der SEV wird diese Entwicklung bekämpfen und Korrekturen einbringen.

Der SEV bekennt sich zum Service public im Personen- wie auch im Güterverkehr, der eine flächendeckende, sichere und leistungsfähige Grundversorgung mit qualitativ guten Dienstleistungen umfasst. Diese sollen allen Bevölkerungsschichten, Wirtschaftsunternehmen und Regionen des Landes nach gleichen Grundsätzen und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen.

Das Potential der Effizienzsteigerungen ist ausgeschöpft

Der Druck auf die Unternehmen, effizienter zu arbeiten, ist seit Jahren immens und die Zahlen beweisen, dass die Bahnen dieser Auflage auch nachgekommen sind. Gemäss BAV ist die Abgeltung pro Personenkilometer und Jahr von 2007 bis 2012 im Durchschnitt um knapp 2,5% gesunken, und seither noch um rund 0,5%. Verantwortlich für die Abschwächung der Effizienzsteigerung sind gemäss BAV insbesondere die durch das hohe Nachfragewachstum bedingten Investitionen. Dem Ruf nach immer mehr Leistungen mit immer weniger Personal muss ein Ende gesetzt werden. Die hoch gesteckten Ziele können nur mit genügend gut ausgebildeten und fair bezahlten Mitarbeitenden erreicht werden.

ÖV braucht ein Gesicht – keine Geisterbahnhöfe

In den letzten Jahren mussten wir leider einen Trend zur «Enthumanisierung» des öV feststellen. Personal in Bahnhöfen, an Schaltern und in Zügen wurde und wird abgebaut. Damit sinkt aber nachweislich das subjektive Sicherheitsempfinden im öV. Das kann nicht im Interesse der Unternehmen und der Öffentlichkeit sein. Der öffentliche Verkehr lebt vom Vertrauen in die Sicherheit und in die Mitarbeitenden.

Güter auf die Bahn – Volkswillen endlich umsetzen

Ab 2017 wird die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) erhöht – ein längst fälliger Schritt. Doch nach wie vor wird nicht der Maximalbetrag verlangt, wie er gemäss Landverkehrsabkommen mit der Europäischen Union möglich wäre. Zudem verliert die LSVA in Zukunft an Wirkung, weil es keine neuen Emissionskategorien für Lastwagen mehr gibt. Die Schweiz muss die LSVA entweder voll ausschöpfen und ein CO2-Element einbauen oder eine Alpentransitbörse einführen.


Positionspapier Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit

Den Themen Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit widmet der SEV seine volle Aufmerksamkeit. Faktoren wie Stress oder permanente Reorganisationen haben auf die Gesundheit und die Arbeitssicherheit negative Auswirkungen.

Damit die Bedürfnisse und Anliegen möglichst wirksam in die Unternehmungen einfliessen können, ist eine gute Zusammenarbeit mit den Personalkommissionen unabdingbar, sofern solche in der jeweiligen Unternehmung vorhanden sind.

Gewalt und Aggressionen gegen das Personal

Der Schutz des Personals vor Gewalt und Aggressionen hat für den SEV oberste Priorität. Die Unternehmungen stehen in der Pflicht: Sie müssen alles dafür tun, dass Gesundheit und Sicherheit des Personals gewährleistet sind. Bund, Kantone und Gemeinden sind jedoch ebenfalls gefordert, da politische Lösungen gefunden werden müssen, um Gewalt im öffentlichen Raum einzudämmen.

Arbeitssicherheit und Unfallverhütung

Die stark zunehmende Mehrbelastung durch Rationalisierungen führt zu überhöhtem Arbeitsdruck und ruft vermehrt psychische Erkrankungen bei den Betroffenen hervor. Der SEV verlangt Massnahmen gegen dieses moderne Raubrittertum der Arbeitgeber. Die Unternehmungen sind verpflichtet, Massnahmen zur Arbeitssicherheit und Unfallverhütung zu treffen. Vorschriften und Schutzkleidung genügen aber oft nicht. Komplexere Arbeitsabläufe unter grossem Zeitdruck erhöhen das Unfallrisiko. Um das Unfallrisiko tief zu halten, müssen die Unternehmungen in die Aus- und Weiterbildung ihres Personals investieren. Der SEV fordert nach wie vor die Unterzeichnung der Sicherheitscharta der SUVA von allen Unternehmungen; er selber ist bereits beigetreten.

Einhalten der Arbeitszeitbestimmungen

Das Missachten von Arbeitszeitbestimmungen kann zu Übermüdung und Unaufmerksamkeit führen, mit gravierenden Auswirkungen. Die Unternehmungen sind deshalb verpflichtet, bei der Planung der Arbeitseinsätze sowohl die gesetzlichen als auch die vertraglichen Bestimmungen zu respektieren und dafür zu sorgen, dass diese eingehalten werden. Die erfolgreiche Überwachung der Umsetzung kann nur in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen und – sofern vorhanden – deren Personalkommissionen erfolgen. Bei Verstössen interveniert der SEV umgehend bei der Unternehmung. Politisch vertritt der SEV die gewerkschaftlichen Anliegen zudem in der AZG-Kommission.

Altersgerechte Arbeitsbedingungen

Alle Angestellten haben den Anspruch, gesund und in Würde in Pension zu gehen. Vor allem in Berufen, wo die körperliche Belastung sehr hoch ist, gelingt dies oft nicht. Der SEV muss in Verhandlungen mit den Arbeitgebern den Fokus stärker auf altersgerechte Arbeitsbedingungen legen. Der SEV fordert daher einerseits Laufbahn- und Arbeitszeitmodelle, die diesem Aspekt gerecht werden. Andererseits ist auch zu fordern, dass ältere Arbeitnehmende bezüglich des Zugangs zu Weiterbildungsangeboten und deren Ausgestaltung nicht diskriminiert werden. Parallel dazu müssen neue und auch für tiefe Einkommen finanzierbare Frühpensionierungsmodelle geschaffen werden. Mit der Unterzeichnung des GAV SBB / SBB Cargo AG ist es dem SEV gelungen, verschiedene Pensionierungsmodelle zu vereinbaren. Für den SEV hat das Thema nach wie vor eine hohe Priorität und er fordert auch bei anderen Transportunternehmungen solche Modelle.

Gesundheit am Arbeitsplatz

Die Gesundheit am Arbeitsplatz ist eine zentrale Aufgabe der Unternehmen, die der SEV in allen Gesamtarbeitsverträgen einbringt. Dazu gehört einerseits eine ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze, aber auch die Förderung der Gleichbehandlung und der Schutz vor Diskriminierung durch herablassende, diskriminierende Bemerkungen und Handlungen gegenüber tatsächlichen oder vermeintlichen Minderheiten.

Im Wissen, dass gewisse Arbeitgeber der Auffassung sind, diese Themen seien exklusiv durch die Personalkommissionen zu bearbeiten, hält der SEV fest, in welchen Formen er die Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bearbeitet:

  • In direkter Zusammenarbeit mit den vorhandenen Personalkommissionen
  • Durch eigene Aktivitäten der Sektionen oder Branchen (z. B. mit Sensibilisierungskampagnen oder Informationen in den SEV-Medien).
  • Über gewerkschaftliche Aushandlung entsprechender Regelungen oder Ausbau der Regelungen in GAV.
  • Indirekt durch die Einsitznahme in verschiedenen Gremien, wie beispielsweise der AZG-Kommission, dem Verwaltungsrat der SUVA sowie in SGB-internen Kommissionen.
  • Durch politisches Lobbying bei Gesetzesentwürfen oder -revisionen.
  • Gegebenenfalls auch durch Anzeigen von Missständen an Behörden, sofern keine anderen Mittel gegriffen haben.

Positionspapier Vertragspolitik

Der SEV setzt sich gegen weitere Verschlechterungen beim Bundespersonalgesetz ein. Alle bundesnahen Betriebe sollen diesem unterstellt bleiben oder werden.

Die Vertragspolitik des SEV ist im 2017 volljährig geworden und ihre Bilanz lässt sich sehen: Erneut ist die Anzahl der Firmen-Gesamtarbeitsverträge im Bereich des öffentlichen Verkehrs weiter angestiegen. Wir haben heute 73 Gesamtarbeitsverträge (GAV), die wir aktiv bewirtschaften und in vielen Fällen auch erneuern konnten. Dabei ist es immer gelungen, wesentliche Verschlechterungen abzuwehren, dies vorab im Bereich Lohn, wo eine Tendenz der Arbeitgeber zur stärkeren Individualisierung unübersehbar ist.   

Wir stellen allerdings auch fest, dass GAV vermehrt von Arbeitgeberseite her angegriffen werden. Es geht um Themen wie Arbeitszeit und Lohn, aber auch um die Vollzugskostenbeiträge, welche von gewissen Arbeitgebern neuerdings kritisch hinterfragt werden. Wo dies in einer gut gepflegten Sozialpartnerschaft geschieht, ist es nicht tragisch. Schwieriger ist die Konfrontation dort, wo auf Arbeitgeberseite wenig Wissen und Verständnis für kollektives Arbeitsrecht und GAV vorliegt.

Schliesslich ist festzustellen, dass GAV für den gesamten öV-Bereich zunehmend eine überbetriebliche Rolle spielen, indem sie das Niveau branchenüblicher Arbeitsbedingungen definieren und halten.

Aus diesen Gründen sind folgende Stossrichtungen zu beschliessen:

«Traditionelle» GAV-Politik

Einerseits ist die bewährte Strategie, GAV aufgrund von Mandaten direkt betroffener Mitglieder neu oder weiter zu verhandeln, weiterhin zu pflegen, um auch auf diesem Weg aktualisierte, verbesserte sowie neue GAV zu erreichen. Inhaltliche Forderungen betreffen nebst den stärker in Frage gestellten Themen wie Arbeitszeit, Lohn und Vollzugskostenbeiträge auch die Prävention gegenphysische und psychische Krankheiten sowie den Umgang mit solchen, längere Arbeitsunterbrüche und beruflicher Wiedereinstieg. Zudem werden Regelungen zur Begründung und Auflösung eines Arbeitsverhältnisses sowie zum Kündigungsschutz gefordert.

Neue kantonale Rahmen-GAV sowie Branchenverträge sind nach wie vor anzustreben und, wo möglich, allgemeinverbindlich erklären zu lassen.

«Neue» GAV-Politik

Inhalte, die in GAV bislang keine oder kaum eine Rolle spielten, beeinflussen diese immer direkter. In erster Linie geht es dabei um die Pensionskassen, deren Erosion sich direkt auf den Geldbeutel unserer Mitglieder auswirkt. Ausgehandelte Lohnerhöhungen werden zunehmend von höheren Pensionskassenbeiträgen übersteuert, die zur Sicherung des Rentenniveaus notwendig werden. In den GAV ist daher die Rolle und Mitsprache der Gewerkschaft bei Abfederungsmassnahmen ausdrücklich zu verankern und die Schnittstellen zu Vorsorgekommissionen sind zu klären.

Die Sicherung des Lebensunterhalts bei Krankheit bedarf ebenfalls hoher Aufmerksamkeit. Da die Bedingungen der Krankentaggeldversicherungen keine GAV-Materie sind, muss darauf geachtet werden, dass die GAV eindeutige Regelungen zur Erhaltung der Arbeitsplätze enthalten. Denn die Unternehmungen überlassen das Case- oder Care-Management zunehmend externen Versicherungen, bei welchen die Logik der Schadensminimierung im Vordergrund steht.

Zusätzlich und überbetrieblich gilt es sowohl Lösungen bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit abzuklären als auch die Lösung der Baubranche für vorzeitige Pensionierungen zu prüfen.

«Politische» GAV-Politik

Wie sich in den letzten Jahren immer deutlicher gezeigt hat, sind GAV für die Frage der branchenüblichen Arbeitsbedingungen ausgesprochen wichtig. Dies bezieht sich vorab auf das Lohnniveau. Um einer Erosion der branchenüblichen Arbeitsbedingungen vorzubeugen, sind GAV auch dann anzustreben, wenn Mandate direkt betroffener Personen fehlen. Mit anderen Worten, es kann in Zukunft vorkommen, dass der SEV im gegebenen Fall vom bewährten Prinzip des Mandats der direkt betroffenen Mitglieder abweicht und nach dem Prinzip von oben nach unten verfährt, also auch dort verhandelt, wo nur wenige oder keine Mitglieder vorhanden sind.

Klar ist, dass diese Strategie nur als Einstieg in eine Unternehmung oder Branche tauglich ist. Unmittelbar darauf wird es notwendig, mit intensiver Werbung Mitglieder zu rekrutieren, da letztlich nur die Anzahl organisierter Mitglieder eine starke Verhandlungsposition zu sichern vermag.


Positionspapier Sozialpolitik

Die nächsten Jahre werden geprägt sein von Diskussionen um die Finanzierung und Entwicklung der sozialen Sicherheit in unserem Land. Besonders die zweite Säule der Altersvorsorge mit ihrer Finanzierung durch Kapitalbildung zeigt sich immer weniger in der Lage, die Ansprüche zu erfüllen, die auch in der Bundesverfassung genannt sind, nämlich die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung zu garantieren. Das Ausbleiben der Erträge des «dritten Beitragszahlers», also der Kapitalmärkte, führt zu einer immer weniger erträglichen Last auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dieses Landes, aber auch der gesamten Wirtschaft, und die erzielten Renditen sind völlig ungenügend.

Eine mögliche Lösung ist ein Ausgleich zwischen der ersten und der zweiten Säulen, indem die AHV, die nach dem Umlageverfahren finanziert ist, im Verhältnis zu den Pensionskassen gestärkt wird.

Das Paket «Altersvorsorge 2020», das kürzlich vom Parlament verabschiedet wurde, stellt einen ersten Schritt in diese Richtung dar. Dieses ist wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer dem obligatorischen Referendum unterstellt und wird im September 2017 zur Abstimmung kommen. Ein zweites Referendum, sofern es zu Stande kommt, richtet sich gegen das Paket selber. Aber auch andere Geschäfte werden den gewerkschaftlichen Alltag begleiten: zu nennen sind hier die Reform der Ergänzungsleistungen und die Entwicklung der Invalidenversicherung.

Erste und zweite Säule (Altersvorsorge 2020)

Das hauchdünn verabschiedete Paket «Altersvorsorge 2020» war äusserst umstritten. Der SEV teilt die Haltung des SGB, dass das Paket eine unter dem Strich positive Lösung für die Arbeitnehmenden und Rentenbeziehenden ist. Wesentliche gewerkschaftliche Forderungen konnten durchgesetzt werden:

  • Erhalt des Rentenniveaus. Die Senkung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule wird teilweise kompensiert, unter anderem dank eines Besitzstandes für über 45-jährige Personen.
  • Die AHV-Renten werden erstmals seit 40 Jahren über eine Teuerung oder Lohnentwicklung hinaus real angehoben und zwar um jährlich CHF 840 für Alleinstehende und bis zu CHF 2’712 für Ehepaare.
  • Die AHV-Finanzen sind dank einer leichten Erhöhung der Mehrwertsteuer bis 2030 konsolidiert (ab Januar 2018 werden der AHV 0.3% von der Zusatzfinanzierung der IV zugeschrieben und ab 2021 eine Erhöhung von 0.3.%).
  • Die Teilzeitarbeit wird in der 2. Säule besser abgedeckt, was zu einer Verminderung der Rentenungleichheiten zwischen Männern und Frauen führt.
  • Erhöhter Schutz für Personen, die beim Stellenverlust über 58-jährig sind. Sie können, anders als heute, in ihrer Pensionskasse verbleiben.

Dass diese Verbesserungen mit einer Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 erkauft werden müssen, obwohl ihre Lohndiskriminierung nicht beseitigt ist, ist eine bittere Pille. Der SEV hat das Paket trotzdem akzeptiert. In erster Linie weil absehbar ist, dass die AHV ohne diese Massnahmen in den nächsten Jahren in eine finanzielle Schieflage gerät. Dann wird es nur noch um Sanierungen gehen, nicht mehr um Verbesserungen. In diesem Fall wird der Druck für ein Rentenalter 67 für alle wieder massiv steigen.

Der SEV setzt sich gemeinsam mit dem SGB dafür ein, dass die Reform «Altersvorsorge 2020» durchgesetzt werden kann.

Invalidenversicherung

Wer an einer langwierigen Krankheit leidet und deswegen seinen Lebensunterhalt nicht mehr sichern kann, ist auf die Invalidenversicherung (IV) angewiesen. Die Reformen der IV sowie eine harte Rechtsprechung haben dazu geführt, dass heute kaum mehr ganze IV-Renten gesprochen werden. Ein umfassendes Früherkennungssystem ist eingeführt worden, das schnelle Interventionen und Integrationsmassnahmen vorsieht und letztlich den Umbau der IV in eine Integrationsversicherung, statt einer Rentenversicherung, vorantreibt. Es ist allerdings festzustellen, dass es weniger wegen der erhöhten Integrationsbemühungen zu niedrigeren Renten kommt, als dass die Behörden auf bestimmte Gesuche gar nicht eintreten, da einzelne Krankheiten von der IV nicht anerkannt werden.

Es ist abzusehen, dass es ohne verstärkte Vorsorgemassnahmen und die zwingende Verpflichtung der Arbeitgeber, Arbeitsplätze für Personen mit Einschränkungen zur Verfügung zu stellen, zu einer noch strikteren Rentenzusprechung kommen wird.

Der SEV wehrt sich gegen weitere Sparmassnahmen der IV ohne solche flankierenden Massnahmen, damit den Betroffenen weiterhin eine menschenwürdige Existenz möglich bleibt.

Ergänzungsleistungen

Die heutigen Beihilfen für Mietausgaben der Ergänzungsleistungen (EL) reichen absolut nicht mehr aus. Das Parlament diskutiert deshalb nun endlich eine Erhöhung des Maximalbetrags für die Mietberechnungen. Dies ist zu begrüssen, damit in der EL endlich eine realistische Existenzminimumberechnung gemacht wird. Allerdings will die bürgerliche Parlamentsmehrheit gleichzeitig die EL in eine Richtung sanieren, welche besorgniserregend ist. So sollen die Prämienverbilligungen für die Krankenkassen heruntergefahren werden, stattdessen sollen sich die EL-Bezügerinnen und -Bezüger bei Billigkrankenkassen versichern. Die sozial inakzeptable Folge davon ist ein sinnloser Krankenkassentourismus zulasten der EL-Bezügerinnen und -Bezüger, der keine Sparwirkung entfalten kann, da diese Menschen bei ihren Gesundheitskosten keinerlei Spielraum haben und entsprechend auch keine Sparmöglichkeit. 

Der SEV wehrt sich gegen eine Änderung der Gesetzgebung, die ausschliesslich darauf ausgerichtet ist, auf Kosten der Bedürftigen zu sparen und so den Verfassungsgrundsatz der Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung im Alter verletzt.

Pensionskasse SBB und Pensionskassen der KTU

Die Pensionskasse (PK) der SBB bemüht sich weiterhin um eine stabile finanzielle Lage. Da die Altersstruktur ihrer Versicherten und die demographische Entwicklung für die PK unvorteilhaft sind, muss sie dies tun.

Der SEV wird sich weiterhin gegen neue Leistungseinschnitte ohne Abfederungen wehren und verlangt von der SBB, dass sie ihre Verantwortung wahrnimmt, auch gegenüber ihren pensionierten Mitarbeitenden.

Auch in den KTU-Pensionskassen sind kostspielige Sanierungen im Gange. Der SEV unterstützt sinnvolle und gezielte Massnahmen, sofern sie sozialverträglich umgesetzt werden und verlangt von den Arbeitgebern und den Kantonen, dass sie die Verantwortung über das gesetzlich geforderte Minimum hinaus wahrnehmen.

Pensionierungsmodelle

Angesichts der wachsenden Anzahl von Arbeitnehmenden über 50 im öffentlichen Verkehr sind die vorzeitigen Pensionierungsmodelle, die mit der SBB ausgehandelt werden konnten, auch bei den KTU nun in angepasster Form voranzutreiben.


Positionspapier Digitalisierung der Mobilität

Digitalisierung der Mobilität

Die fortschreitende Digitalisierung verändert die Gesellschaft und die Wirtschaft. Sie wirkt sich unter anderem aus auf die Umwelt, den Raum sowie dessen Planung und Nutzung, das Kauf-, Konsum- und Mobilitätsverhalten. Dadurch wandeln sich auch Personenverkehr und Gütertransport. Es entstehen vermehrt Mobilitätsketten, in welchen teil- oder vollautomatisierte Transportleistungen erbracht werden. Neue, vernetzte Anbieter treten in den Markt ein, wodurch neue Plattformen und Modelle der Zusammenarbeit, beispielsweise von öffentlichen Bahnunternehmen und privater Automobilindustrie, entstehen. Diese Entwicklung wirft Fragen auf betreffend Regulierungen, Eigentumsverhältnissen und Verteilung des Profits. Um menschenwürdige Arbeit zu gewährleisten, Alternativen zur traditionellen Arbeit zu entwickeln und das Personal im öffentlichen Verkehr zu erhalten, bedarf es klarer, sozialpartnerschaftlicher Abmachungen.

Mit der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten verändern sich zudem Arbeitsalltag («was tue ich») und Struktur der Arbeit («wie und wo tue ich es») in Bezug auf Ort, Raum, Zeit, Arbeitsinhalt, Transport, Vertrieb und Verkauf. Davon können und sollen die Angestellten profitieren. Dazu will der SEV die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt rücken und sich ab sofort aktiv in die Diskussionen einbringen.

Digitalisierung als Chance für Mitarbeitende nutzen

Viele Beschäftigungsmodelle in der hoch digitalisierten Arbeitswelt führen zu loseren Arbeitsverhältnissen, höherer Selbstverantwortung der Mitarbeitenden, weniger Sicherheit hinsichtlich Lohn und Vorsorgeleistungen, erhöhten Leistungserwartungen, zunehmenden Flexibilitätsanforderungen an Arbeitsplatz, -inhalt und -zeit sowie Arbeitsplatzabbau und -verschiebungen.

Gesamtarbeitsverträge weiterentwickeln

Der SEV fordert, in den Gesamtarbeitsverträgen (GAV) Rahmenbedingungen festzuhalten, die möglichst standardisierte Anstellungsbedingungen definieren, was Lohnschutz, Prävention gegen und Umgang mit physischen und psychischen Krankheiten sowie längere Arbeitsunterbrüche und beruflichen Wiedereinstieg betrifft. Sie sollen auch Regelungen zur Begründung und Auflösung eines Arbeitsverhältnisses und zum Kündigungsschutz beinhalten. Für unterschiedliche Berufsgruppen sind spezifische Arbeitsbedingungen zu vereinbaren: Im Schichtbetrieb sind Dienstantritt und Dienstschluss verbindlich zu fixieren. Andernorts braucht es Massnahmen zum Gesundheitsschutz wegen unscharfer Trennung von Arbeits- und Privatleben.

Berufliche Qualifizierung ermöglichen

Lange Zeit werden die analoge und die digitale Welt nebeneinander existieren. Unternehmen sind nicht nur in der Verantwortung, sich selbst weiterzuentwickeln, sondern auch ihre Angestellten zu befähigen, mit den Entwicklungen Schritt zu halten.

Neue Berufsbilder entstehen, andere verändern sich oder verschwinden gänzlich. Der SEV fordert die enge Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern zur Begleitung dieser Entwicklung. Zusätzlich setzt sich der SEV ein für die Aus- und Weiterbildung sowie die gezielte Nachqualifizierung. Das Erfassen von Kompetenzen, die in der Praxis erworben werden und die Anerkennung ausländischer Ausbildungsnachweise gewinnen dabei stark an Bedeutung.

Flexibilisierung im Sinne der Mitarbeitenden gestalten

Das Arbeiten wird flexibler und mobiler. Dadurch lassen sich im Idealfall Berufs- und Privatleben besser vereinbaren. Damit dies geschieht, müssen geeignete Arbeitszeitmodelle eingeführt und die technischen Hilfsmittel für ortsungebundenes Arbeiten zur Verfügung gestellt werden. Klar zu regeln sind insbesondere die Abgrenzung zwischen Verfügbarkeit, Arbeits- und Freizeit sowie die private Nutzung der betrieblichen Infrastruktur.

Datenschutz gewährleisten

In den automatisierten Prozessen der digitalen Arbeitswelt liefern die Angestellten durch ihr Tun permanent grosse Datenmengen. Was sie tun wird registriert; was sie nicht tun ebenfalls. Der Schutz vor einem missbräuchlichen Umgang mit Daten wird dadurch eine noch grössere Herausforderung. Das Recht auf und die Einsicht in persönliche Daten ist Mitarbeitenden uneingeschränkt zu gewähren. Die Nutzung von personenbezogenen Daten, insbesondere für Leistungs- und Verhaltenskontrollen, ist sozialpartnerschaftlich zu regeln.

Forderungen an Politik und Wirtschaft

Der SEV verlangt von Politik und Wirtschaft, dass die Digitalisierung nicht als Deckmantel für Spar- und Abbaumassnahmen missbraucht wird und durch den technologischen Fortschritt keine unsinnigen Privatisierungen und Liberalisierungen vorangetrieben werden. Vielmehr sind geeignete Regeln zu entwickeln, damit die Digitalisierung zum gesamtgesellschaftlichen Wohl beiträgt. Die Gewinne an Produktivität und Zeit müssen fair verteilt werden, sodass die Lebensqualität aller steigt.

SEV 4.0

Das Spannungsfeld zwischen den im SEV gut organisierten, traditionellen Berufsgruppen und den potenziellen Mitgliedern in neuen Berufsfeldern gilt es nicht nur auszuhalten, sondern aktiv zur Stärkung des SEV als zukunftsfähige Gewerkschaft in einer digitalen Arbeitswelt zu nutzen.