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Gut gemeint und dann bestraft
Rico arbeitet seit Jahren in der Unternehmung X als Sachbearbeiter in der internen Planung. Zu seinen Aufgaben gehört es, bei grösseren Projekten seiner Unternehmung die Akten vorzubereiten, nach Sitzungen zu bereinigen und seine Vorgesetzten an Termine zu erinnern. Zuweilen, aber nicht immer, wird er auch als Protokollführer eingesetzt.
Will der Chef eine Fälschung?
Bei einem Projekt, in das auch zwei Gemeinden involviert sind, ist er als solcher eingesetzt und muss an langen Sitzungen teilnehmen. Nach einer solchen Sitzung legt er seinem Vorgesetzten das Protokoll vor, damit er es sichte und allfällige Fehler bereinige. Normalerweise macht Rico kaum je Fehler, weshalb er dann auch erstaunt ist, dass der Vorgesetzte nicht nur einen Absatz herausstreicht, sondern auch einige in der Sitzung genannte Zahlen korrigiert.
Rico hatte doch Recht!
Rico kommt dies merkwürdig vor, weshalb er die beiden Protokollversionen von einem weiteren Sitzungsteilnehmer gegenlesen lassen will, was aber wegen Ferienabwesenheit dieses Kollegen erst in einer Woche möglich sein wird. Dies dauert Rico zu lange: er ruft kurzerhand einen der Gemeindevertreter an und fragt bei ihm nach, wie er denn die Sitzung erinnere. Tatsächlich bestätigt ihm dieser bis auf einen Punkt Ricos ursprüngliche Version und kündigt an, die Unklarheit an der nächsten Sitzung zur Sprache bringen zu wollen. Rico verfasst einen Entwurf der Traktandenliste, vermerkt darauf die zu bereinigende Unklarheit und legt sie seinem Vorgesetzten vor, nicht ohne mit einer kleinen Selbstgerechtigkeit zu erwähnen, was er alles unternommen hat, um den vermeintlichen Fehler zu klären.
Die Geschichte nimmt eine nerwartete Wendung
Was darauf folgt, kommt für ihn etwas überraschend: der Vorgesetzte, sichtlich wütend, kündigt an, dies werde Folgen haben – in Form eines Verweises mit Kündigungsandrohung. Rico habe seinen Vorgesetzten eines Betrugsversuchs verdächtigt, und diese Verdächtigung nach aussen gestreut, was im Übrigen auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne. Rico fällt aus allen Wolken…
Fehler auf beiden Seiten
Der SEV wird eingeschaltet. Nach brieflicher Intervention und mehreren Gesprächen, an denen es anfangs recht turbulent zugeht, einigt man sich darauf, die ganze Geschichte ad acta zu legen: Erstens stellte sich glasklar heraus, dass die Protokollbereinigung des Vorgesetzten kein Versuch war, ein krummes Ding zu drehen. Der Vorgesetzte musste aber eingestehen, dass sein Vorgehen Anlass für Fragen gegeben hat, und vielleicht sogar einen Verdacht. Rico seinerseits hat eingestanden, dass der Anruf bei einer externen Person, ohne intern den Dienstweg zu berücksichtigen, geeignet war, ein schlechtes Licht auf seinen Chef zu werfen. Auch wenn von Rico nicht erwartet werden konnte, dass er seinen Verdacht dem Verdächtigen direkt mitteilte, hätte von ihm erwartet werden dürfen, dass er damit nicht nach aussen sondern zu zum nächsthöheren Vorgesetzten gehen würde. Der vermeintliche «whistleblower»-Fall war somit vom Tisch!
Rechtsschutzteam SEV