Kranke Angestellte müssen dem Arbeitgeber nicht die ganze Krankenakte offen- legen, sondern nur ein Arztzeugnis zu ihrer Tauglichkeit für die Arbeit geben.
Datenschutz im Gesundheitsfall
Arbeitgeber dürfen sich vom Personal nur Krankheitsdaten beschaffen, die sie wirklich benötigen, also zur gesundheitlichen Eignung für die Arbeit.
Max liegt zu Hause. Eine komplizierte Geschichte mit dieser Krankheit. Er ist jetzt von Arzt zu Arzt und Spital weitergereicht worden und keiner kann so genau sagen, was ihm fehlt. Arbeiten kann er so nicht. Regelmässig reicht er die Arztzeugnisse ein. Bis jetzt war das für seinen Arbeitgeber auch kein Problem. Plötzlich will dieser aber genaue Auskunft haben und verlangt Einsicht in Max’ Krankenakte. Diesem gefällt das gar nicht, und er fragt sich, ob das zulässig ist.
Sind Arbeitnehmende wegen Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig, so haben sie dies dem Arbeitgeber unverzüglich zu melden. Grundsätzlich besteht die Pflicht, ab dem ersten Tag ein Arztzeugnis beizubringen. Es können aber auch andere Abmachungen getroffen werden.
• Arztzeugnis: Arbeitnehmende müsoder krankheitsbedingte Abwesenheit mit einem Arztzeugnis belegen. Dieses muss aber nur Auskunft geben über die voraussichtliche Dauer der Abwesenheit und ob es sich um eine ganze oder teilweise Arbeitsunfähigkeit handelt.
Allenfalls können auch detaillierte Zeugnisse verlangt werden, z. B. ob ein Einsatz in einer leichteren Tätigkeit möglich ist und zu welchen Bedingungen, aber immer ohne Diagnose oder anderweitige Angaben.
• Diagnosen: Diagnosen werden ausschliesslich von den behandelnden Ärzten gestellt. Die Diagnose ist die hoffentlich genaue Zuordnung von Befunden zu einem Krankheitsbegriff und ist entscheidend für das weitere medizinische Vorgehen aber auch für mögliche ableitbare Rechte (z. B. bei der IV oder der Krankenkasse). Die Diagnose beruht auf objektiven medizinischen Kriterien; subjektive Einschätzungen betreffend Auftreten oder Befinden haben hier nichts verloren.
• Gesundheitsakten: Die Diagnose ist zusammen mit der Befunderhebung und den Untersuchungs- und Spitalberichten ein wichtiger Teil der Krankenakte. Diese Akte enthält somit besonders schützenswerte Personendaten. Sie sind speziell über die ärztliche Schweigepflicht geschützt und können nur durch ausdrückliche Schweigepflichtentbindung freigegeben werden (Ausnahme nur, wenn gesetzlich vorgesehen, z. B. in einem Strafverfahren).
Das heisst also, Max muss seine behandelnden Ärzte ausdrücklich von ihrer Schweigepflicht entbinden, damit diese dem Arbeitgeber Auskunft geben dürfen. Die Frage ist aber: muss er das überhaupt?
Bei der Datenbeschaffung – und dabei sind nicht nur die Krankheitsdaten gemeint – ist der Arbeitgeber dem Verhältnismässigkeits- und Zweckmässigkeitsprinzip nach Art. 328b OR unterworfen. Das bedeutet, er darf nur Daten beschaffen, die für die Erfüllung einer Aufgabe notwendig sind. Bei Krankheiten steht für den Arbeitgeber die Frage im Vordergrund, wann der Arbeitnehmer wieder zur Arbeit erscheinen wird, und ob er diese Arbeit wieder uneingeschränkt ausführen kann. Das Wissen um die Diagnose ist dafür nicht nötig, es geht nur um die gesundheitliche Eignung für die Arbeit.
Max ist also in keiner Weise verpflichtet, seinem Arbeitgeber Einsicht in seine Krankenakte zu gewähren. Der Arbeitgeber kann aber verlangen, dass sich Max einer vertrauensärztlichen Untersuchung unterzieht. Gegenüber dem Vertrauensarzt muss die Einsicht gewährt werden, da es sich um eine Person handelt, die wiederum dem Arztgeheimnis unterliegt, aber auch diese Person darf keine Diagnosen weitergeben.
Für den weiteren Fortbestand des Arbeitsvertrages muss also klar sein, dass eine Tauglichkeit für die Arbeit vorhanden ist. Somit müssten Arbeitnehmende ihre Krankendaten soweit bekannt geben, als dies für die Beantwortung dieser Frage unbedingt nötig ist. Dafür reicht es aber völlig aus, wenn die behandelnden Ärzte dies in einem Arztzeugnis bestätigen. Durchgemachte Krankheiten, ausgeheilte Beschwerden oder Einschränkungen, die keinen Einfluss auf die Arbeit haben, müssen nicht offengelegt werden.
Max kann nun wieder aufatmen und sich auf seine Genesung konzentrieren. Mehr, als die Arztzeugnisse zu senden wie bisher, muss er nicht machen. Und in zwei Wochen kann er wieder zu 50% arbeiten. Gute Besserung.
Rechtsschutzteam SEV