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Sucht – Krankheit oder nicht?

Das Feierabendbier, das Glas Wein (oder zwei) zum Essen, ein kleiner Grappa zum Kaffee ist doch ein Genuss. Oder ist es schon mehr?

Süchtige sind diese Fixer und Alkis, die nur rumhängen. Ein vernünftiger, charakterfester Mensch kann nicht einfach so süchtig werden! Oder?

Was ist Sucht?

Der Begriff «Sucht» geht auf das Wort «siechen» zurück, was «an einer Krankheit leiden» bedeutet. Anfangs verstand man darunter verschiedenste Erscheinungen wie Schwindsucht oder auch Eifersucht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Begriff neu mit «Abhängigkeitssyndrom » definiert, um die Betroffenen nicht zu stigmatisieren. Sucht bzw. Abhängigkeit ist definiert als Zwang, mithilfe eines bestimmten Verhaltens oder einer bestimmten Substanz belastende Gefühle zu vermeiden. Diesem Verlangen wird alles andere untergeordnet. Das Suchtverhalten wird mit vier Kriterien definiert und umschrieben:

  • Unbezwingbares Verlangen zur Einnahme und Beschaffung des Mittels,
  • Tendenz zur Dosis-Steigerung,
  • psychische und physische Abhängigkeit von der Wirkung,
  • Schädigung der/des Betroffenen und/oder der Gesellschaft.

Die Sucht bzw. das Abhängigkeitssyndrom wird allgemein als Krankheit anerkannt und auch von den Sozialversicherungen unter den gesetzlichen Voraussetzungen als Rentenbegründung akzeptiert.

Wie entsteht Sucht?

Die Entstehung eines Suchtverhaltens ist vielfältig. Gründe gibt es so viele wie Betroffene. Der komplexe Mechanismus der Suchtentwicklung lässt sich allgemein in folgende Phasen unterteilen:

  • Genuss,
  • Konsum,
  • Missbrauch,
  • Gewöhnung,
  • Abhängigkeit.

Die Übergänge sind fliessend und nicht zwingend aufeinander aufbauend.

Was macht süchtig?

Alles kann süchtig machen. Am bekanntesten sind die illegalen Drogen wie Heroin, Cannabis usw. Aber auch alles andere Verhalten (selbst die Liebe) und viele Substanzen sind dazu geeignet.

Bekannt sind auch Abhängigkeiten von legalen Mitteln wie Medikamenten, Alkohol und Zigaretten. Es kann aber auch das Essen – nicht nur Süssigkeiten – oder das Nichtessen sein. Verhalten wie Spielsucht, Arbeitssucht, Sportsucht usw. dringen auch immer mehr ins Bewusstsein.

Sucht in der Arbeitswelt

Es ist bekannt, dass Suchtverhalten in der Gesellschaft grosses Leid und hohe Kosten verursacht. Dass auch die Fahrtauglichkeit infrage gestellt wird und der «Scheck» auf dem Spiel steht, wissen wir. Viele am Abhängigkeitssyndrom Leidende stehen aber mehr oder weniger unerkannt im Erwerbsleben. Da stellen sich einige Probleme: Grundsätzlich sind Arbeitnehmende verpflichtet, ihre Arbeit in einem arbeitsfähigen Zustand anzutreten und auszuführen. Dabei ist nicht die subjektive Wahrnehmung des Betroffenen massgebend. Denn gerade bei Arbeiten mit gefährlichen Maschinen und Geräten, beim professionellen Führen von Fahrzeugen oder beim Hantieren mit gefährlichen Substanzen braucht es klar eine objektive Arbeitstauglichkeit, sprich einen Substanzwert in der Toleranz bzw. Substanzfreiheit.

Verstösse gegen derartige Vorschriften stellen eine Verletzung der Sorgfalts- und Treuepflicht dar und können deshalb arbeitsrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Entlassung, zur Folge haben.

Sucht ist eine Krankheit

Das Abhängigkeitssyndrom gilt als Krankheit. Entsprechend kommen bei Arbeitsausfällen auch die Regelungen über Krankheit und Unfall zum Tragen. Arbeitgeber, welche ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmenden in diesem Problemfeld ernst nehmen, haben Regelungen zur Prävention und zur Unterstützung von Behandlungsmassnahmen (z. B. bei Entwöhnungsbehandlung) getroffen.

Obwohl das Abhängigkeitssyndrom als Krankheit gilt, ist im Falle eines Unfalls, insbesondere bei gefährlichen Arbeiten, doch von einem mindestens anteiligen Selbstverschulden auszugehen. Entsprechend können Leistungen der Sozialversicherungen bzw. des Unfallversicherers gekürzt werden.

Wie kann Sucht vermieden werden?

Oft ist guter Rat teuer. Die Literatur ist umfangreich, institutionelle und ärztliche Hilfe greifbar. Ein respektvoller Umgang, Zukunftsperspektiven und ein erträgliches Mass an Stress wären für den Anfang sicher nicht zu verachten. Ausschliessen kann man ein Suchtgeschehen nie, aber durch einen verantwortungsvollen Umgang mit sich selber und möglichen Suchtmitteln kann man mindestens das Risiko minimieren. .

Rechtsschutzteam SEV