Die Polizei war gründlich auf dem Holzweg, als sie einen Lokführer wegen Fahrerflucht büssen wollte. Der Berufsrechtsschutz hat geholfen, dass es nicht so weit kam.
Gibt es wirklich «Lokführerflucht»?
Eigentlich war es ein Bagatellunfall. Doch plötzlich mündete das Ganze in ein Strafverfahren.
Es ist eine Situation, wie sie fast alle Bus- und Tramchauffeure und viele SBahn-Lokführerinnen kennen: Durch die Schuld eines Autofahrers oder einer Autofahrerin kommt es zu einer Kollision – glücklicherweise bleibt es oft beim Sachschaden.
Zusammenstoss Zug–Auto
So war es auch, als Kollege A.* eines schönen Sommertages mit seinem Regionalzug im Aargau unterwegs war: Frau B.* fuhr mit ihrem Auto über den mit Blinklichtern gesicherten Bahnübergang, auf den der von A. gelenkte Zug zufuhr. Sie war abgelenkt, weil sie gleichzeitig telefonierte. Bei der Kollision, die A. nicht mehr vermeiden konnte, entstand aber kaum Sachschaden, verletzt wurde niemand.
Ein Beizug der Polizei wäre nicht nötig gewesen
A. meldete den Unfall per Funk der Leitstelle, er sprach mit Frau B., die ihr Auto in der Zwischenzeit zurückgestellt hatte. Diese gestand ihre Schuld sofort ein und unterschrieb ein entsprechendes Formular. Einen Beizug der Polizei erachteten die beiden als unnötig. A. meldete darauf der Leitstelle den «Unfallabschluss» und bewegte seinen Zug auf die nächste Haltestelle zu – auch, um weitere Verspätungen zu vermeiden und anderen Zügen das Passieren der Unfallstelle zu ermöglichen. Nun wurde ihm von der Leitstelle gemeldet, dass sie die Polizei aufgeboten habe.
Ein Strafverfahren wegen Fahrerflucht
Es folgte eine Vorladung der Kantonspolizei, Kollege A. wurde zum Unfallhergang befragt. Leider war dies nicht der letzte Akt: Fast vier Monate später erfuhr Kollege A., dass im «Strafverfahren» betreffend «pflichtwidriges Verhalten bei Unfall» die Untersuchung vollständig sei und ein Verfahren gegen ihn laufe. Nun wandte sich A. an den SEV und ersuchte um Berufsrechtsschutz, der ihm auch gewährt wurde.
Der Anwalt hat und bekommt recht
Der vom SEV beauftragte Rechtsanwalt ersuchte um Akteneinsicht und wandte sich danach mit einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft. Nach einer detaillierten Betrachtung der einzelnen Punkte hielt er zusammenfassend fest: «Es bestand keine Pflicht, die Polizei beizuziehen. Beide am Unfall Beteiligten waren mit der Weiterfahrt einverstanden. Der Sachverhalt war klar. Die Beteiligten waren bekannt. Es besteht eine ausdrückliche Vorschrift, die dem Führer von Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs die Weiterfahrt gestattet. Es war offensichtlich, dass mit dem Verhalten nach dem Unfall keine Verkehrsvorschrift verletzt wurde, und schon gar keine, durch die irgendjemand gefährdet worden wäre. Selbst wenn Strafbarkeit angenommen würde, ist eine Strafbefreiung auf jeden Fall gerechtfertigt und drängt sich auf. Im Übrigen gebietet auch das Opportunitätsprinzip, von einer Bestrafung meines Klienten Abstand zu nehmen.»
Dieser Argumentation konnte sich auch die Staatsanwaltschaft nicht verschliessen und sie tat, was der Anwalt vorschlug. Fazit: Das durch die übereifrige Polizei ausgelöste Strafverfahren blieb für A. ohne Strafe und Kosten. Das hätte man auch einfacher haben können.
Rechtsschutzteam SEV