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Sektionsversammlungen: privat oder öffentlich?
Sektionsversammlungen sind nicht öffentlich, aber eben auch nicht privat. Nicht alles, was dort geredet wird, eignet sich zum Weitererzählen.
Housi kommt direkt von der Arbeit in die «Traube», wo heute Abend im Säli die Generalversammlung seiner Sektion stattfindet. Er hatte eben eine unangenehme Besprechung mit seinem Vorgesetzten und ist sauer, weshalb er beim gemeinsamen Nachtessen nur ein Thema kennt: dieser Löu von Teamleiter, der diese saudumme Reorganisation, die sich Büroheinis ausgedacht haben, ums Verworgen umsetzen will, obwohl er selber völlig unfähig ist.
Eine Woche später, Housi hat seinen Ärger bereits vergessen, wird er vom Teamleiter zitiert. Dem ist zu Ohren gekommen, dass sich Housi abfällig über ihn geäussert hat, was eine noch unangenehmere Besprechung zur Folge hat als die erste. Housi ist nun doppelt sauer: irgendeiner aus der Sektion hat ihn verpfiffen! Er ruft den Präsidenten an und verlangt rückhaltlose Aufklärung, wer das gewesen sei. Natürlich verläuft die Recherche im Sand.
Eine Sektionsversammlung ist kein öffentlicher Anlass, so viel steht einmal fest. Öffentlichkeit besteht rechtlich gesehen immer dann, wenn eine unbestimmte Zahl von Menschen oder ein grösserer nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängender Personenkreis eine Äusserung oder Handlung wahrnehmen kann. Das ist bei der Sektionsversammlung nicht der Fall, selbst dann nicht, wenn sich nicht alle Anwesenden kennen. Denn nicht jeder kann daran teilnehmen, sondern nur ein bestimmter Personenkreis – die Sektionsmitglieder. Daran ändert auch nichts, wenn noch Gäste mit von der Partie sind, zum Beispiel Angehörige oder Referenten, denn auch diese mussten eingeladen werden.
Aber privat ist eine Sektionsversammlung deswegen noch lange nicht. Und immer mal wieder gelangen Äusserungen, die ein Mitglied an einer Versammlung macht, dann eben auch zum Arbeitgeber, mit den oben beschriebenen, für den Betroffenen nicht sehr angenehmen Folgen.
Das kann natürlich auch am Stammtisch passieren oder im Musikverein, aber weil die Sektionsmitglieder ja denselben Arbeitgeber haben und sich explizit mit ihren Arbeitsbedingungen beschäftigen, ist eigentlich schon fast ein wenig damit zu rechnen, dass der Arbeitgeber davon weiss und sich manchmal auch dafür interessiert, was da gegangen ist. Gerade wenn interne Vorhaben der Unternehmung hohe Wellen schlagen, was zu entsprechenden Diskussionen in Sektionsversammlungen führt, so darf dabei nicht vergessen werden, dass Äusserungen, welche in der Hitze des Gefechts gemacht werden, auch an Ohren dringen, für die sie nicht gedacht waren.
Sektionspräsidenten und -präsidentinnen oder Vorstandsmitglieder, welche manchmal heikle Diskussionen zu leiten haben, tun daher gut daran, ihre Mitglieder zuweilen daran zu erinnern, dass, was hier gesprochen wird, auch im Raum bleiben sollte. Ist ein Referent der Unternehmung eingeladen, so halten sich die Mitglieder meist von selbst zurück, solange er anwesend ist. Es gibt aber auch Sektionsmitglieder mit Führungsfunktionen in der Unternehmung. Die meisten wissen, dass, was hier geredet wird, nicht in die Unternehmung gehört, aber wenn dies unklar ist, muss daran erinnert werden.
Das oben erläuterte Prinzip, was als öffentlich gilt, macht aber auch klar, dass Zeitungsberichte über Sektionsversammlungen ihrerseits öffentlich sind, so wie auch Publikationen im Internet, soweit sie nicht in einem geschützten, nur Mitgliedern zugänglichen Bereich abgelegt werden. Darauf sollten alle, die Versammlungsberichte verfassen oder die Sektions- Webseiten betreuen, achten.
Rechtsschutzteam SEV