Unfall auf Bahnübergang
Klage gegen Lokführer nach Kollision mit Skifahrer
Am 2. Februar 2005 erfasste ein RhB-Zug bei Klosters auf einem Bahnübergang einen Skifahrer. Dieser klagte gegen den Lokführer, der das Pfeifsignal unterlassen hatte.
Gegen Mittag fuhr Lokführer L. (alle Namen geändert) nach der Station Laret an der Pfeiftafel vorbei, die ca. 200 Meter vor einem unbewachten Bahnübergang in einer unübersichtlichen Linkskurve angebracht ist. Er unterliess (unbeabsichtigt) das vorgeschriebene Pfeifsignal und fuhr mit rund 45 km/h weiter auf den Bahnübergang zu. Dort sah er auf der linken Seite plötzlich einen «Schatten», hörte ein Krachen und machte sofort eine Schnellbremsung. Als der Zug still stand, lag vorne links unter dem Steuerwagen der schwer verletzte Skifahrer S.
S. gehörte einer vierköpfigen Gruppe unter Leitung des Bergführers B. an. Dieser hatte etwa vier Meter vor dem Andreaskreuz angehalten und die drei ersten Skifahrer – darunter S. – auf den Bahnübergang aufmerksam gemacht. Danach überquerte B. den Übergang mit zwei Skifahrern, während S. auf den letzten Gruppenteilnehmer G. wartete, der kurz zuvor gestürzt war. Als G. bei S. eintraf, fuhr dieser los «ohne hinzugucken», wie G. später aussagte. Gleichzeitig sah G. den Zug herannahen und schrie den Vornamen von S. Doch dieser fuhr in den Zug und wurde an Becken, Arm und Schultern so schwer verletzt, so dass er auch ein Jahr später noch unter diversen Beschwerden und Bewegungseinschränkungen litt.
S. nahm sich einen Anwalt. Dieser klagte L. und B. wegen fahrlässiger Körperverletzung ein, forderte eine Genugtuung von über 80‘000 Franken und Schadenersatz. Das SEV-Mitglied L. beantragte nach dem Unfall Berufsrechtsschutz und erhielt einen SEV-Vertrauensanwalt. Die Bündner Staatsanwaltschaft führte eine Strafuntersuchung durch und erhob im Oktober 2007 Anklage gegen L. und B. Am 3. Juli 2008 fand in Klosters die Bezirksgerichtsverhandlung statt.
Der SEV-Anwalt machte geltend, dass S. wenige Sekunden vor dem Unfall jegliche Aufmerksamkeit vermissen liess, obwohl er auf den Bahnübergang hingewiesen worden war und das Andreaskreuz sah. S. fuhr aus etwa vier Metern Entfernung auf den Übergang los, ohne nach Zügen Ausschau zu halten – im Gegensatz zu G., der den Zug kommen sah und S. noch warnte. Bei solcher Unvorsicht sei es unwahrscheinlich, dass ein etwa 16 Sekunden vor dem Unfall ertönendes, 200 Meter entferntes Pfeifsignal S. zu mehr Vorsicht veranlasst hätte.
Das Gericht folgte dieser Argumentation und hielt im Urteil fest, dass S. ein Selbstverschulden zu verantworten habe, das als wahrscheinlichste Unfallursache erscheine. Das Pfeifsignal ersetze nicht die Sorgfaltspflichten, die für das Betreten von Bahnübergängen gesetzlich vorgeschrieben seien. «Das grobfahrlässige Verhalten von S. war für L. nicht voraussehbar, weshalb ihm auch von daher kein strafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden kann», heisst es im Urteil. Auch der Bergführer wurde freigesprochen. S. legte noch beim Kantonsgericht Berufung ein, blitzte aber auch dort ab.
Rechtsschutzteam SEV