Auf den Spuren von ...
Stefan Bruderer, Job-Switcher
Stefan Bruderer arbeitet bei der SBB je hälftig als Lokführer und Zugverkehrsleiter. Im SEV ist er nach seinem langjährigen Engagement in der SEV-Jugend, die er auch im Vorstand vertrat, und seit 2019 als Co-Präsident des LPV Zürich ein bekanntes Gesicht.
Der heute 33-Jährige ist in einem kleinen Dorf im Thurgau aufgewachsen. Als er gegen Ende der Schulzeit nicht wusste, welchen Berufsweg er einschlagen wollte, empfahl ihm die Berufsberatung eine KV- oder Logistikassistentenlehre bei Login, da Lokführer eine seiner Ideen war. Nach einer Schnupperlehre entschied er sich für die KVöV-Lehre, die er 2004 am Bahnschalter von Thurbo in Kreuzlingen begann. «Megaspannend» fand er das Lehrjahr in der Planung der Gruppenreisen in Zürich. Dennoch wollte er im dritten Lehrjahr den Beruf des Zugverkehrsleiters kennenlernen. So kam er ins Zentralstellwerk Zürich, wo er nach der Lehre gleich die ZVL-Zweitausbildung machte und bis 2014 blieb. Dann brachte ihn die Zentralisierung in die Betriebszentrale Ost am Flughafen, wo er sich «etwas weit weg vom Betrieb» fühlte. Darum startete er 2015 in Zürich-Altstetten die Lokführerausbildung.
Job-Switching
Zwei Jahre später genehmigten die Vorgesetzten seinen Wunsch, je hälftig als Lokführer und ZVL zu arbeiten, was er bis heute tut und wegen der Abwechslung sehr schätzt. Er hat je einen Arbeitsvertrag beim Depot am Hauptbahnhof und bei der BZ und wechselt den Arbeitsplatz monatlich – wie inzwischen vier weitere Kollegen. «Das ist ein sehr gutes Modell, von dem beide Seiten profitieren. Die Berufe arbeiten im Betrieb eng zusammen, da sind die Erfahrungen im andern Beruf immer wieder hilfreich.» Zwar muss er die Kurse und Prüfungen für beide Berufe machen, «aber weil ich mit dem Kopf stets in beiden Berufen drin bin, ist das nicht schwieriger. Und da ich alle zweieinhalb statt nur alle fünf Jahre periodische Prüfungen habe, vergesse ich weniger und muss weniger lernen.»
In die Jugend investieren
Den SEV lernte Stefan Bruderer durch den Besuch eines SEV-Vertreters in seiner Login-Klasse kennen. Ein Arbeitskollege lud ihn zu einem Anlass der SEV-Jugend ein, und so wurde er bald Mitglied. Bei den Ausflügen, Kommissionssitzungen und Aktionen der Jugend schätzte er den Austausch mit Kolleg:innen aus anderen Berufen, Unternehmen, Sprachregionen und Ländern. Er besuchte Kurse, organisierte Anlässe mit und lernte so die Basisfertigkeiten des Gewerkschafters.
«Viele von uns damaligen Mitgliedern der Jugendkommission sind heute in Sektions- und Unterverbandsfunktionen aktiv», stellt der heutige Co-Präsident des LPV Zürich fest. «Es lohnt sich für den SEV also, in die Jugend zu investieren!» Darum befürwortet er den Antrag der SEV-Jugend an den Kongress, in den nächsten vier Jahren versuchsweise den SEV-Grundbeitrag für Mitglieder unter 30 Jahren zu halbieren. «Denn viele junge Lehrabgänger:innen, die in der Lehre 800 bis 1000 Franken verdient haben, finden die Beitragserhöhung von 0 auf über 30 Franken pro Monat zu extrem und treten darum wieder aus.» Und: «Für die Jugendbetreuung sollten dem Jugendsekretär mehr als die gegenwärtig 30 Stellenprozente zur Verfügung stehen, neben denen er weitere Aufgaben hat», fordert Stefan Bruderer.
Im SEV engagierte er sich parallel zu seiner linken Politisierung: Über GSoA und Juso kam er zur SP, für die er am Wohnort Zürich auch schon bei Wahlen kandidierte. Besonders gefällt ihm aber die Basisarbeit im Team im Kontakt mit der Bevölkerung, etwa beim Unterschriftensammeln.
Basisarbeit im Team
Die Arbeit des Vorstands der LPVSektion Zürich versteht der Co-Präsident ebenfalls als Teamwork – wobei er ständig das Gefühl hat, zu wenig Zeit zu haben für all das, was gemacht werden sollte. Dazu gehören die Mitgliederbetreuung und das Anpacken lokaler oder SBB-weiter Probleme, wie z. B. der Personalmangel, der in Zürich noch immer akut ist, oder der Kampf für einen weiterhin abwechslungsreichen, attraktiven Beruf oder für bessere Bedingungen am Arbeitsplatz.
Die Werbung junger Lokführer wird dadurch erschwert, dass andere Gewerkschaften tiefere Mitgliederbeiträge verlangen, zugleich aber von der Arbeit des SEV profitieren und dessen politische Arbeit als unnötig abtun. «Wenn aber zum Beispiel 2014 die Finanzierung und der Ausbau der Eisenbahninfrastruktur abgelehnt worden wäre, hätte dies unseren Jobs und Arbeitsbedingungen schwer geschadet!», stellt Stefan Bruderer klar. Wichtig findet er auch die vom SEV gelebte Solidarität zwischen den Berufen: «Es braucht sie alle, damit die Bahn richtig funktioniert.»
Wenn Stefan sich nicht für die Bahn engagiert, geht er mit seiner Partnerin gern in die Natur, z. B. mit dem Velo, fliegt Gleitschirm und liebt Nachtzugreisen durch ganz Europa.
Markus Fischer