Tag der Arbeit
Erster Mai im Zeichen von Ukrainekrieg und Teuerung
Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause haben dieses Jahr in der ganzen Schweiz wieder zehntausende Arbeitnehmende am Tag der Arbeit ihre Forderungen auf die Strasse getragen. An rund 50 Orten fanden Mai-Feiern und Demonstrationen statt, getragen von den Gewerkschaften des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB.
Mit dem Motto «Frieden, Freiheit, Solidarität» stand der Ukraine-Krieg im Zentrum. Doch auch klassisch gewerkschaftliche Themen und Forderungen wie höhere Renten und Löhne, echte Gleichstellung und bessere Arbeitsrechte sind aktueller denn je.
Die grösste 1. Mai-Kundgebung fand mit 12’000 Teilnehmenden in Zürich statt. Als Hauptredner forderte SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard: «Jetzt muss die Kaufkraft für die arbeitende Bevölkerung und die Rentner verbessert werden, anstatt die Steuern für die Reichsten immer weiter zu senken.» Die Rückkehr der Inflation und der drohende Prämienschock erforderten rasches Handeln, zumal die Löhne und Renten schon vor der Pandemie stagnierten. In Langenthal BE forderte SGB-Chefökonom Daniel Lampart generelle Lohnerhöhungen und bessere Prämienverbilligungen. «Sonst bleibt den Leuten immer weniger zum Leben.»
Zur Altersvorsorge sagte die stellvertetende SGB-Sekretariatsleiterin Gabriela Medici in Grenchen SO, dass die bürgerlichen Angriffe auf die Renten bei AHV 21 und der BVG-Revision gestoppt werden müssen. «Um das Problem der gravierend tiefen Renten zu lösen, braucht es einen Ausbau der AHV (13. AHV-Rente), einen sofortigen Stopp aller Rentensenkungen in der 2. Säule und umgehende Verbesserungen insbesondere für die Frauen, deren Renten immer noch ein Drittel tiefer sind als diejenigen der Männer.»
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg betonten zahlreiche 1. Mai-Redner:innen, dass Frieden und die Freiheit der Völker, über ihre Organisation und ihr Schicksal zu entscheiden, die Grundlage für die Ausübung und den Schutz sozialer Rechte darstellen. Solidarität unter den Arbeitnehmenden über die Grenzen hinweg sei jetzt besonders wichtig. Kriegsflüchtlinge sollen in der Schweiz ein offenes Gastland finden, und die Schweiz soll bestmöglich zur Unterstützung der Zivilbevölkerung in der Ukraine beitragen.
SEV bi de Lüt
Der SEV war am Tag der Arbeit wiederum beim arbeitenden Verkehrspersonal präsent, verteilte Schokoladeriegel und Flyer. Und natürlich nahmen an den Maifeiern im ganzen Land auch SEV-Mitglieder Teil. Vom SEV traten folgende Redner:innen auf: Präsident Giorgio Tuti in Burgdorf, Gewerkschaftssekretärin und Nationalrätin Edith Graf-Litscher in Konstanz, Gewerkschaftssekretär Wolfram Siede in Zug und LPV-Zentralpräsidentin Hanny Weissmüller in Sion. Gewerkschaftssekretär Urs Huber moderierte die Feier in Olten, und Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn diskutierte in Selzach (SO) bei einem Podium mit.
SGB/Fi
Der SEV bei den arbeitenden Kolleginnen und Kollegen und an 1. Mai-Feiern landauf landab:
Rede von Giorgio Tuti
An diesem ersten Mai sei es kaum möglich, eine Rede zu halten, ohne auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen zu kommen, sagte Giorgio Tuti in Burgdorf. «Kriege bringen Tote, Verwüstung und Elend. Kriege sind nie die Lösung. Konflikte müssen auf diplomatischem Weg gelöst werden. Stoppt diesen wahnsinnigen Krieg!», appellierte Tuti an die Verantwortlichen. «Es ist mir klar, dass dieses einzelne Signal aus Burgdorf kaum erhört wird. Ich hoffe aber, dass es heute 100, 1000, 100’000, Millionen von Burgdorf auf der ganzen Welt gibt, die dasselbe Signal aussenden.»
Tuti zitierte Olexiy Semerun, den Präsidenten der ukrainischen Eisenbahngewerkschaft, der an einer online-Sitzung der Europäischen Transportarbeiter-Föderation, bevor er nach einsetzendem Raketenalarm in den Schutzraum musste, zu den Teilnehmenden sagte: «Arbeitet weiter und sprecht nicht nur über den Krieg, sondern auch über Gewerkschaftsarbeit; denn diese ist wichtiger denn je, für Arbeitnehmende und Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in ganz Europa!»
Also sprach Tuti über die AHV, die nicht geschwächt werden darf, sondern gestärkt werden muss, weil die Pensionskassenrenten laufend sinken. Und über die zunehmende Teuerung, weshalb die Kaufkraft der Löhne in der nächsten Lohnrunde gestärkt werden muss. Vor diesem Hintergrund verurteilte Tuti die Ankündigung der SBB, die Lohnabzüge für die Pensionskasse und die Krankheitskosten zu erhöhen und so die Kaufkraft der Mitarbeitenden zusätzlich zu schwächen: «Das dürfen wir nicht zulassen!»