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Abstimmung vom 26. September zum Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG)

Nein zum Abbau der Arbeitslosenversicherung

Gewisse Politiker starten einen Angriff nach dem anderen auf die soziale Sicherheit. Zuerst wollten sie unsere Pensionskassenrenten klauen. Das hat das Volk am 7. März mit einem wuchtigen Nein verhindert. Jetzt greifen sie die Arbeitslosenversicherung an und auch bei der AHV planen sie einen Rentenklau.

Junge bis 30 müssten künftig jedwelche Arbeit akzeptieren, auch wenn diese keinen Bezug zu ihrer Ausbildung hat. (Bild: seco)

Die Politiker wollen, dass wir für die Arbeitslosenversicherung insgesamt rund 600 Millionen Franken mehr bezahlen sollen. Und gleichzeitig sollen wir – wenn es nach ihrem Willen geht – 600 Millionen Franken weniger an Leistungen bekommen. Ihre Begründung: Das Geld reiche nicht mehr aus. Doch blenden wir kurz zurück: Vor noch nicht einmal zwei Jahren war der Bund bereit, 68 Milliarden für eine private Bank zur Verfügung zu stellen. Diese Bank sei «systemrelevant», hiess es damals. Und die Menschen, die in der Krise ihre Stelle verloren haben? Sind sie nicht «systemrelevant»?

Für Banken, die aus eigenem Verschulden in Geldnot sind, gibt es Milliarden. Für Menschen, die ohne Schuld ihre Arbeit verloren haben, gibt es Leistungskürzungen. Die Banken zahlen heute schon wieder Rekordboni und wir sollen bei der Arbeitslosenversicherung für weniger Leistung mehr bezahlen? Dagegen wehren wir uns.

Wichtigste Änderungen

Bezugsdauer

  • Wer 12 Monate lang Beiträge bezahlt, hat neu nur noch Anrecht auf 260 Taggelder (1 Jahr). Um wie bisher 400 Taggelder zu erhalten, müssen in den zwei Jahren vor der Arbeitslosigkeit mindestens 18 Monate Beiträge bezahlt werden.
  • Versicherte, die älter als 55-jährig sind, erhalten 520 Taggelder, wenn sie eine ununterbrochene Beitragsdauer von 22 Monaten nachweisen können (heute 18 Monate).
  • Wer jünger als 25 ist und keine Kinder hat, erhält nur noch höchstens 200 Taggelder.
  • Beitragsbefreite (also Personen, die während einer bestimmten Zeit keine Anstellung hatten, beispielsweise Frauen, die sich um ihre Kinder kümmerten) erhalten nur noch 90 Taggelder statt wie bisher 260.
  • Kantone mit hoher Arbeitslosigkeit können die Zahl der Taggelder nicht mehr auf 520 statt 400 erhöhen.

Wartefrist

  • Die Wartefrist (bezugslose Tage) von bisher 5 Tagen kontrollierter Arbeitslosigkeit wird für Leute ohne Kinder auf 10, 15 oder 20 Tage erhöht, je nach Einkommen.

Zumutbare Arbeit

  • Der Begriff der zumutbaren Arbeit wird für unter 30-Jährige gestrichen. Sie müssen jede Arbeit annehmen, ungeachtet ihrer Qualifikation und der vorher ausgeübten Tätigkeit.

Beitragserhöhung

  • Trotz Leistungsabbau werden die Lohnabzüge um 0,2 % erhöht.

Arbeitsmarktmassnahmen

  • Kürzung der investierten Mittel.

SEV / SGB

Geschenke für Abzocker und Topverdiener

Die grösste Unverschämtheit ist: je höher der Lohn, desto tiefer der Beitrag für die Arbeitslosenversicherung. Bis zu einem Einkommen von 126 000 Franken beträgt der Beitrag (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) zukünftig 2,2 Prozent. Für das Einkommen zwischen 126 000 und 315 000 soll er gerade mal 1 Prozent betragen. Und für Einkommen über 315 000 wird gar kein Beitrag mehr für die Arbeitslosenversicherung erhoben. Die Folge: Wer 500 000 Franken verdient, zahlt nur halb so viel Lohnprozente wie eine normal verdienende Person, wer eine Million verdient, weniger als ein Viertel. So bekommen die Abzocker und Topverdiener Jahr für Jahr 440 Millionen Franken geschenkt, indem sie nicht die normalen Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlen.

Mehr Beitragsgerechtigkeit statt Leistungsabbau

Diejenigen Manager und Topverdiener, die in den vergangenen Jahren die Wirtschaft an die Wand gefahren haben und für Tausende von Entlassungen verantwortlich sind, werden mit tieferen Beiträgen belohnt. Wenn diese Ungerechtigkeit beseitigt wird und alle gleich viel zahlen (2,2 Prozent), dann hätte die Arbeitslosenversicherung kein Defizit mehr. Dann wären auch all die unzumutbaren Kürzungen von Tisch. Die Frage ist daher: Sollen die Abzocker weiter geschont und die Menschen, die ihre Stelle verloren haben, bestraft werden? Wir wehren uns dagegen und sagen darum Nein zum Abbau bei der Arbeitslosenversicherung.

Unwürdiges Sparen auf Kosten älterer Arbeitnehmender

Ältere Arbeitnehmende (ab 55) haben bisher 520 Taggelder erhalten, wenn sie während eineinhalb Jahren ihre Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlt haben. Mit dem neuen Gesetz sollen es nur noch 400 sein. Wer also wegen der Krise nach knapp zwei Jahren erneut arbeitslos wird, wird doppelt bestraft. Nach dem Job verliert er auch noch den Anspruch auf ein halbes Jahr Arbeitslosenunterstützung. Dabei ist offensichtlich: Wer als über 55-Jähriger seine Arbeit verliert, hat grosse Mühe, wieder eine Stelle zu finden. Die Sparmassnahmen auf dem Buckel alter Arbeitnehmender sind unwürdig.

Von der Kürzung der Taggelder sind aber auch Arbeitnehmende unter 55 betroffen. Wer ein Jahr lang Beiträge bei der Arbeitslosenversicherung bezahlt hat und arbeitslos wird, erhält künftig nur noch 260 Taggelder (statt wie bisher 400). Mit der Kürzung der Anzahl Taggelder will der Bundesrat insgesamt 174 Millionen Franken sparen.

Unzumutbare Leistungskürzungen für junge Arbeitslose

Besonders hart trifft die Gesetzesrevision die Jungen. Rund 100 Millionen Franken Einsparungen sollen mit den gekürzten Leistungen für junge Arbeitnehmende und Berufseinsteigerinnen und -einsteiger gemacht werden.

Neu müssen bis 30-jährige Arbeitnehmende jegliche Arbeit annehmen, egal, welche Ausbildung sie haben. Das ist absurd: Zuerst werden junge Menschen für teures Geld ausgebildet, dann zwingt man sie dazu, Arbeiten anzunehmen, für die sie überqualifiziert sind. Damit wird ihre Ausbildung abgewertet und die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt geschwächt. Schliesslich führt dies zu einem Lohndruck auf unqualifizierte Arbeitsstellen.

Ausbildungsabgänger und -abgängerinnen erhalten nur noch vier Monate Arbeitslosengeld (90 Taggelder) statt wie bisher 1 Jahr (260 Taggelder), wenn sie zuvor weniger als 12 Monate Beiträge geleistet haben. Sie haben zudem Wartezeiten von sechs Monaten hinzunehmen, bis sie überhaupt einen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben.

Die Wartezeiten werden für junge, bis 25-jährige Arbeitnehmende erhöht. Sie müssen neu bis zu einem Monat auf das erste Taggeld warten. Junge Arbeitnehmende unter 25 Jahren ohne Unterstützungspflicht für Kinder erhalten zudem generell noch maximal 200 Taggelder. Dies entspricht neun Monaten Unterstützung durch die Arbeitslosenversicherung.

Frauen zahlen die Zeche

Mütter, die sich entscheiden, für ihre Familie zu Hause zu bleiben, werden benachteiligt: Wenn sie nach längerem Unterbruch wieder eine Stelle suchen, ist der berufliche Wiedereinstieg häufig schwierig. Auch Scheidung und Verlust des Partners durch einen Todesfall sind für viele Frauen ein grosses finanzielles Risiko. Die Revision berücksichtigt diese spezifische Situation der Frauen nicht. Im Gegenteil: Frisch geschiedene oder verwitwete Wiedereinsteigerinnen erhalten nur noch vier Monate lang Arbeitslosengelder und nicht mehr wie bisher ein Jahr. Dies trifft auch auf Personen zu, die nach einer längeren Krankheit wieder arbeiten können.

Mehrkosten für die Kantone

Das heutige Gesetz sieht vor, dass Kantone mit hoher Arbeitslosigkeit die Anzahl Taggelder erhöhen können. Dies soll mit dem neuen Gesetz nicht mehr möglich sein. Mit dieser Abbaumassnahme will der Bundesrat 30 Millionen Franken einsparen. Die Kantone und die Gemeinden werden die Leistungskürzungen bei der Arbeitslosenversicherung in jedem Fall teuer zu stehen bekommen, weil Betroffene schneller ausgesteuert und in die Sozialhilfe überführt werden. Kantone, Gemeinden und Städte müssten für diese Mehrausgaben für Fürsorgeleistungen von bis zu 240 Millionen Franken aufkommen.

Arbeitslosenversicherung muss Schulden machen dürfen

Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, schreibt die Versicherung rote Zahlen. Das ist auch richtig so, denn die Arbeitslosenversicherung ist eine wichtige Stütze der Konjunktur. Aktuell wird so die Kaufkraft mit mehreren Milliarden gestützt. Wenn die Wirtschaft anzieht, die Zahl der Arbeitslosen zurückgeht und die Löhne steigen, dann macht die Arbeitslosenversicherung Überschüsse. So hatte die Arbeitslosenversicherung nach der Arbeitsmarktkrise der 90er-Jahre Schulden in der Höhe von 8,8 Milliarden Franken. Diese hat sie dann innerhalb von vier Jahren wieder abgebaut. Das Problem zu Beginn des letzten Aufschwungs war: Der Bundesrat hat die Einnahmen der Arbeitslosenversicherung gesenkt, für Einkommen über 315 000 wurden gar keine Beiträge mehr bezahlt. Jetzt sollen die Arbeitslosen für diesen Fehler mit einem Leistungsabbau bezahlen. Dagegen wehren wir uns.

sgb