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SEV beurteilt SBB-Sparprogramm als völlig verfehlt

Railfit 20/30: Die falsche Strategie

Die Gewerkschaft des Verkehrspersonal SEV weist das SBB-Programm Railfit 20/30 als völlig verfehlt zurück. Wie von McKinsey nicht anders zu erwarten, handelt es sich um ein reines Abbauprogramm, das die SBB nun unbesehen übernehmen will. Der SEV fordert strategische Alternativen, die die Aufgaben der SBB als Teil des staatlichen Service public in den Mittelpunkt stellen und nicht unüberlegtes Sparen.

Schon bei der Ankündigung von Railfit 20/30 im letzten November kritisierte der SEV sowohl die einseitige Ausrichtung auf einen massiven Stellenabbau als auch die Wahl der Beraterfirma McKinsey, die dafür bekannt ist, dass sie ausschliesslich auf Abbau fixiert ist. Nun haben sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Der Stellenabbau soll nun 1400 Personen betreffen, und betroffen sind Berufsgruppen, die für den zuverlässigen und sicheren Betrieb der Bahn unentbehrlich sind, beispielsweise Zugverkehrsleiterinnen und -leiter.

«Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass die Entmenschlichung der Bahn der grösste Fehler der SBB ist», hält SEV-Präsident Giorgio Tuti fest und ergänzt: «Wir brauchen einen Rehumanisierung der Bahn – Menschen statt Maschinen!» Dies habe sich auch bei der Abstimmung zur Service-public-Initiative deutlich gezeigt.

Dass die SBB über den Stellenabbau hinaus auch eine allgemeine Verschlechterung der Anstellungsbedingungen anstrebt, lässt den SEV im Moment kalt, da GAV-Verhandlungen erst 2018 anstehen: «Wir werden wie üblich die Abbauforderungen der SBB in den GAV-Verhandlungen zur Kenntnis nehmen und wie bereits mehrfach erfolgreich zurückweisen.»

Die SEV-Basis hatte von allem Anfang an grösste Bedenken gegen Railfit 20/30 geäussert und dem Projekt nach einer spontanen, erfolgreichen Unterschriftensammlung bereits ein würdiges Begräbnis bereitet. «Wir haben mit unserer symbolhaften Bestattung des Projekts der SBB bereits klar gemacht, dass für uns ein reines Abbauprogramm von Anfang an tot ist», erklärt der für die SBB zuständige Vizepräsident Manuel Avallone.

Höchst bedenklich ist, dass die SBB auch bei den Schwächsten spart: Sie hat die Vereinbarung mit der Pensionskasse zur Berufsinvalidität gekündigt und will den bisherigen Schutz für Mitarbeitende in den Monopolberufen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr eingesetzt werden können, massiv abbauen. Damit zeigt die SBB, dass sie nicht mehr bereit ist, soziale Verantwortung zu übernehmen für jene Leute, die aufgrund der beruflichen Laufbahn ausserhalb der Bahn gar keine Arbeit mehr finden können. Sie schiebt diese Kosten künftig auf die Allgemeinheit ab, sei es die Arbeitslosenversicherung oder gar die Sozialhilfe.

Das ganze Abbauprogramm soll quer durchs Unternehmen vorangetrieben werden. Was allerdings bisher völlig fehlt, sind Aussagen dazu, welchen Beitrag das rund 100-köpfige Top-Kader leisten wird. Der SEV verlangt, dass auch auf oberster Ebene im gleichen Ausmass Stellen reduziert und Leistungen gekürzt werden. Sonst würde endgültig eine Selbstbedienungsmentalität an der Spitze des Unternehmens um sich greifen.

Der SEV wird in den nächsten Wochen in der ganzen Schweiz regionale Versammlungen durchführen, um die Stimmung und die Bedürfnisse der Basis zu erfahren. «Danach werden wir das weitere Vorgehen festlegen; es wird zweifellos zu Widerstand kommen», betont Avallone.

Als höchst problematisch erachtet es der SEV, dass die SBB laufend Projekte ankündigt und umzusetzen beginnt, die je nach Auskunftsperson Teil des Railfit-Abbaus sind oder nicht. «Solange keine Gesamtsicht mit einem transparenten Zeitplan auf dem Tisch liegt, bleibt uns nichts anderes übrig, als das Projekt als Ganzes zu bekämpfen», stellt Giorgio Tuti klar.

Weitere Auskünfte

Giorgio Tuti, Präsident SEV, 079 221 45 64
Manuel Avallone, Vicepräsident SEV, 079 434 46 71

Pressebilder

«Begräbnis» RailFit

Bilder von der Petitionsübergabe vom 15.06.2016 (© Jörg Matter, SEV)

Kommentare

  • Hanspeter Grünig

    Hanspeter Grünig 22/09/2016 20:07:42

    SBB = sozialer Arbeitgeber? Das war einmal. Reorganisieren, Auswertungen, Zahlen, Personal auspressen, Kader aufbauen, Lohnabbau, Nebenleistungen kürzen, Synergien erfinden wo es keine gibt, etc. nur weiter so. Die Totengräber sind ja bekannt. Ich hoffe, der SEV setzt sich zur Wehr, notfalls mit harten Massnahmen.

  • Benedikt Burri

    Benedikt Burri 22/09/2016 22:55:28

    Also ich finde RailFit ist doch ein genialer Schachzug. Wieso?
    Meine Hypothese:
    In den nächsten Jahren werden sehr viele Angestellte der SBB in Pension gehen. Das Management hätte grösste Mühe, all diese ersetzen zu können. Das Management sieht, es wird sehr schwierig bis unmöglich. Mit RailFit kann man jetzt 1500 Stellen abbauen und getrost auch noch einige wenige neu schaffen. So bekommt man ein "Polster" von rund 1200 Stellen, das man nicht ersetzen muss. Die 1200 Stellen baut man in den nächsten Jahren proaktiv ab, schön im Rahmen der natürlichen Abgänge. Das sollte ja eigentlich locker zu schaffen sein.
    Fazit: Man muss sich nicht rechtfertigen, dass man nicht genügend Personal rekrutieren konnte. Im Gegenteil: mit RailFit winkt sogar noch ein Bonus für das Management.

  • Beat Jurt

    Beat Jurt 27/09/2016 02:03:06

    Meine Gedanken dazu:
    "Spannend ist, dass ein Grundeinkommen für alle auch wieder zum Zuge kommt, oder die jetzt vom Volk abgeschossenen Themen der Alter-oder Sozialsysteme! Die oberste Führung der SBB AG macht sich vermutlich kein gesamtheitliches Bild der Auswirkungen. Zudem wurde auch viel Chabis und Angst vor den Abstimmungen (FABI/Service Public, sowie 1:12) erzählt. Kaum waren die Abstimmungen im trockenen, wird das pure Gegenteil gelebt und gemacht! Dies ist nicht wirklich happy, oder ehrlich! Dass es in der Geschichte der Menschheit und deren Arbeitswelt Veränderungen gab und weiter geben wird, wissen wir ja vermutlich alle. Aber wie dies alles an die Leute herangetragen wird, ist nicht die Art und Weise den Menschen die Angst davon zu nehmen, oder sie für die Zukunft zu mobilisieren. McKinsey Methoden sind dazu aber auch wirklich nicht das geeignet Mittel!!
    Auszug aus NZZ am Sonntag!
    In der Automatisierung wird Arbeit durch Kapital ersetzt. Brynjolfsson glaubt, dass dies zu Konflikten führen wird. Berufe wie Taxifahrer oder Verkäufer bildeten bisher ein Auffangbecken für wenig Qualifizierte. Doch diesmal trifft es auch gut Ausgebildete. Der Medianlohn sinkt in den USA seit Jahrzehnten. Das könnte sich beschleunigen. Dass die Automatisierung die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen wird, glaubt auch Martin Ford, Autor von «Rise of the Robots», das Ende 2015 von «Financial Times» und McKinsey zum Wirtschaftsbuch des Jahres gekürt wurde. Sowohl Ford wie Brynjolfsson schlagen ein bedingungsloses Grundeinkommen vor, um die negativen Folgen der Automatisierung abzufedern. Denn der Abstieg der Mittelschicht schafft ein neues Problem: Wenn Millionen von Konsumenten fehlen, kauft niemand mehr die von Robotern gefertigten Produkte.
    Ich glaube, diese ganze Diskussion soll nicht nur von Unternehmungen und deren CEO, Instituten oder Politiker alleine geführt werden! Es braucht uns, die Gesellschaft, die Menschen. Nur so können grosse soziale Konflikte verhindert werden!