Positionspapier Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit
Kaum ein halbes Jahr nach unserem letzten Kongress brach Anfang 2020 die Coronakrise aus. Seit über zwei Jahren ist diese Krise eine harte Prüfung für das Personal des öffentlichen Verkehrs, musste es doch während dieser ganzen Zeit der Bevölkerung mit seinen Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Dies bedeutete nebst der Bestürzung über diese Krise viele Ungewissheiten, Einschränkungen und emotionale Belastungen, mit denen das Personal fertigwerden musste. Der Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz haben damit eine Bedeutung erhalten wie nie zuvor, zumal neue, pandemiebedingte Arbeitsformen wie Homeoffice und digitale Sitzungen nicht von den entsprechenden gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften ausgenommen sind. Im Gegenteil!
Konsequenzen der Pandemie für den Gesundheitsschutz und die Arbeitssicherheit
Einleitend ein kurzer Hinweis: Gemäss Art. 6 des Arbeitsgesetzes und Art. 27a der Covid-19-Verordnung 3 ist der Arbeitgeber verpflichtet, zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen angemessen sind. Dies gilt ebenso für Präventionsmassnahmen. Der SEV achtet auf die Gleichbehandlungen in der Anwendung der Schutzmassnahmen, die sich nach dem STOP-Prinzip richten.
Das STOP-Prinzip besteht aus den folgenden vier Elementen: S wie Substitution, T wie technische Massnahme, O wie organisatorische Massnahme und P wie personenbezogene Mass-nahme:
- Die nötige Distanz ist einzuhalten, um eine Ansteckung zu vermeiden (beispielsweise durch Homeoffice).
- Ist dies nicht möglich, müssen technische Barrieren vorhanden sein wie grössere Entfernung zwischen den Arbeitsplätzen oder Trennwände etc.
- Ist dies ebenfalls nicht möglich, müssen organisatorische Massnahmen getroffen werden wie beispielsweise eine Aufteilung der Teams vor Ort.
- Ist auch dies nicht möglich, müssen personenbezogene Massnahmen greifen wie Schutzkleidung, Masken, Handschuhe etc.
Bezüglich der besonders schützenswerten Personen (Risikopersonen) verlangt der SEV, dass die speziellen Massnahmen verlängert und erst nach einer genügend langen Übergangszeit aufgehoben werden. Zudem müssen die Sozialpartner bei künftigen Änderungen der Schutzmassnahmen konsultiert werden.
Für das Homeoffice, sei es obligatorisch oder freiwillig, verlangt der SEV, dass dafür Arbeitsbedingungen bestehen, die sowohl die Ergonomie als auch die Hygiene beachten. Ausserdem sollte im Falle des verordneten Homeoffice eine angemessene finanzielle Entschädigung für die Mobiliar- und IT-Nutzung erfolgen.
Damit die Hygiene- und Gesundheitsregeln auch im Homeoffice beachtet werden können, muss der Arbeitgeber das Personal umfassend informieren. Dazu gehören nicht nur die üblichen Regeln des Gesundheits- und Arbeitssicherheitsschutzes, sondern auch folgende Punkte: Dauer und Organisation der Arbeit, Zeitaufschreibung, das Recht auf Nichterreichbarkeit sowie Regeln zur Teamkommunikation und zum Datenschutz bei Störungen.
Für das Personal im operativen Bereich, welches Einsätze im Ausland (grenzüberschreitender Verkehr) leistet und die gesundheitlichen Vorgaben der jeweiligen Länder erfüllen muss, ist die zur Erfüllung dieser Auflagen erforderliche Zeit vollumfänglich als Arbeitszeit anzurechnen. Zudem sind die gesundheitlichen Schutzmassnahmen so zu definieren, dass diese für Reisende und Personal gleichermassen Gültigkeit haben. Diese Schutzmassnahmen für das Personal sind prioritär und über allfällige wirtschaftliche Überlegungen der Unternehmungen zu stellen.
Eine Branchenlösung für gesundheitlich angeschlagene Personen
Die beruflich bedingten Belastungen bei der Arbeit im öffentlichen Verkehr haben Auswirkungen auf die Gesundheit. Der SEV verlangt deshalb eine Branchenlösung für Weiterbildung, Reintegration und Umschulungen für gesundheitlich eingeschränkte Personen. Dazu gehört zwingend eine Anstellungsgarantie, wie sie bei der SBB Praxis ist.
In kleinen KTU ist eine Anstellungsgarantie schwierig umzusetzen. Daher sollten solche Lösungen auf einer breiteren Ebene angegangen werden können. Es könnten beispielsweise «Arbeitspools» auf regionaler Ebene geschaffen werden. Massnahmen zur Aus- und Weiterbildung sowie Umschulungen sollten auf nationaler Ebene durchgeführt werden, wozu ein paritätischer Fonds für die öV-Branche zu schaffen ist, der sich aus Beiträgen der Arbeitgeber, der Mitarbeitenden, der Sozialversicherungen (AHV, Suva) und allenfalls auch weiterer öffentlicher Institutionen zusammensetzt.
Gesundheit am Arbeitsplatz
Nach den beiden Untersuchungen von 2010 und 2018 hat der SEV Anfang 2022 eine neue Umfrage zur Entwicklung der Arbeitsbedingungen und des Gesundheitszustands der Busfahrerinnen und Busfahrer durchgeführt. Neu haben sich auch die Deutschschweizer öV-Sektionen der Gewerkschaften VPOD und Syndicom angeschlossen, damit die Resultate für die Branche noch repräsentativer und aussagekräftiger werden.
Die gesammelten Daten wurden – ebenfalls neu – durch Unisanté (Universität Lausanne) analysiert, womit die Umfrage auch einen statistisch interpretierbaren Wert erhält.
Die Erhaltung der Gesundheit am Arbeitsplatz bleibt eine grundlegende Verantwortung der Unternehmungen. Der SEV engagiert sich weiterhin dafür, dass die entsprechenden Prinzipien in jedem GAV verankert sind, und beobachtet deren Umsetzung. Dabei geht es nicht nur um arbeitsplatzbezogene Fragen, sondern auch um die Ausgestaltung der Pausen- und Ruheräume oder um die Bekämpfung von Stress und psychischem Druck aufgrund der ständigen Erreichbarkeit (Handy). Und schliesslich auch um Förderung der Gleichstellung und Schutz vor Diskriminierungen aller Art.