Ohne uns!
Porträts
Ohne ausländische Arbeitskräfte würde der öffentliche Verkehr in der Schweiz praktisch still stehen: Migratinnen und Migranten leisten einen unverzichtbaren Beitrag zu dessen reibungslosen Betrieb, worauf wir doch so stolz sind. Damit die Schweiz ist, was sie ist.
Doch wer sind diese Migrantinnen und Migranten? Wie leben sie hier in der Schweiz? Was hat sie dazu bewogen, in die Schweiz zu kommen? Auf dieser Seite werden wir in der nächsten Zeit den Migrantinnen und Migranten ein Gesicht geben.
«Kriminellen sagten wir: So geht es nicht!»
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«Die zwei schönsten Dinge sind Erziehung und Respekt»
«Sprachkenntnisse sind das A und O»
«Weisse und Schwarze müssen aufeinander zugehen»
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«Wenn ich hier in der Schweiz satt bin, während in Togo Menschen nicht genug zu essen haben, lässt mir das keine Ruhe.» Dieser Graben zwischen reichen und armen Ländern beschäftigt Simon Dovi sehr. «Im Zeitalter der Globalisierung kannst du nicht mehr sagen, dass das, was in Afrika geschieht, dich nicht betrifft. In unseren Läden und Haushalten gibt es Produkte und Rohstoffe, die aus Afrika importiert wurden und weiter importiert werden.»
Weil er lieber handelt als theoretisiert, hat Simon Dovi vor zwei Jahren beschlossen, die Hilfsorganisation Centre international de développement et d’échange (CIDE) zu gründen mit dem Ziel, Hilfsprojekte in Togo zu organisieren, beispielsweise zur Unterstützung jugendlicher Mütter und Studierender in der aktuellen Finanzkrise, zur Wiederaufforstung von Wäldern oder zur Förderung der Aguti-Zucht (Agutis sind Nagetiere, deren Fleisch in Westafrika sehr geschätzt wird). Das Aguti-Projekt wird auch von Mitgliedern und Sektionen des SEV unterstützt, die von Patrick Rouvinez, dem Leiter der Lausanner Filiale von SEV Versicherungen, darauf hingewiesen wurden. Rouvinez ist ein aktives Mitglied der von Simon Dovi gegründeten und präsidierten Hilfsvereinigung.
«Ich bin geflohen»
Simon Dovi kommt nach seinen eigenen Worten aus einer «typisch afrikanischen, elastischen Familie», in der Geschwister und Halbgeschwister zusammen aufwuchsen. «Wir waren 13 Brüder und Schwestern, von denen 7 dieselbe Mutter hatten. Mein Vater arbeitete in der Kaffee- und Kakaobranche. Ich wuchs in einem ländlichen Milieu auf.»
Nach der Matur wurde Simon Dovi vom Christlichen Verein Junger Menschen (franz. UCJG, engl. YMCA, CH CEVI) angestellt, um bei französisch-togolesischen Entwicklungsprojekten mitzuhelfen. Diese Arbeit öffnete ihm die Augen für Ungerechtigkeiten: Korruption, Abholzung der Wälder, Elend. «Ich wurde damals auch politisch aktiv, was den Behörden nicht gefiel. Viele Jugendliche, die sich politisch betätigten, wurden verhaftet und deportiert. Von vielen fehlte jede Spur. Ich wollte nicht ihr Schicksal erleiden. Daher bin ich geflohen und in die Schweiz gekommen.»
Mit einer Schweizerin verheiratet
Im Jahr 2000 durchläuft Simon Dovi das gleiche Prozedere wie jeder Flüchtling in unserem Land: Er kommt zuerst in ein Empfangszentrum und dann in ein Asylantenheim. Der Zufall führt ihn nach Lausanne, wo er Anne- Marie kennenlernt. Sie ist Lehrbeauftragte an der ETH Lausanne. Die beiden heiraten und können zwei Jahre später Simon Dovis drei Mädchen aus Togo bei sich aufnehmen. Seither wächst die Familie weiter: «2007 hat Anne- Marie ein Mädchen geboren, und wir erwarten für November unser zweites Kind.»
Ärgerliche Vorurteile gelassen nehmen
Nach verschiedenen Jobs als Aushilfe in diversen Bauberufen konnte Simon Dovi bei den Lausanner Verkehrsbetrieben eine Ausbildung als Bus- und Trolleybusfahrer machen. «Ich liebe diese Arbeit, auch wenn ich manchmal mit aggressiven Kunden zu tun habe, die sich ungesittet oder gar rassistisch benehmen. »
Apropos Rassismus: Wie fühlt man sich in der Schweiz in der Haut eines Schwarzen? Simon Dovi weicht der Frage nicht aus: «Viele Personen tendieren dazu, uns Schwarze alle in einen Topf zu werfen und uns ausnahmslos für Sans-Papiers, Profiteure oder Dealer zu halten. Diese Haltung ärgert mich. Ganz zu schweigen von den Vorurteilen gegenüber Schwarzen, die eine weisse Frau geheiratet haben. Ich bin sicher, dass jedes gemischte Paar in der Schweiz ein Lied davon singen kann.» Simon Dovi hat auch erlebt, wie schwierig es für Menschen mit dunkler Hautfarbe ist, eine Wohnung zu finden. Doch er nimmt diese Dinge gelassen.
«Ich versuche stets, die gute Seite von allem zu sehen. Es nützt nichts, Hass zu kultivieren. Menschen, die uns mit Vorurteilen begegnen, ermuntere ich, einen Schritt auf uns zuzumachen und uns kennen zu lernen. Wir sind nicht alle Plünderer. Wir Weissen und Schwarzen müssen alle lernen, aufeinander zuzugehen.»
Simon Dovi ist engagierter Christ und sagt, dass ihm der Glauben hilft, das Leben so zu nehmen, wie es ist. Er gehört der evangelischen Kirchgemeinde Lazare in Bussigny bei Lausanne an.
Selten im Kino
Hat Simon Dovi neben Arbeit, Familienleben und seinen vielen Entwicklungsprojekten noch Zeit für Hobbys? «Ich lese gern, und wenn es das Familienbudget zulässt, gehen meine Frau und ich ins Kino, doch das ist eher selten!»