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«Stelle wurde aufgehoben» – was nun?
Ein Stellenverlust wirft nicht nur Sinnfragen auf, auch mit juristischen Fragen wird man in einer solchen Situation konfrontiert. Das Rechtsschutzteam bietet Hilfestellung.
Gegen Ende Jahr kommt die Zeit des Rückblicks auf das Vergangene und des Ausblicks auf das Neue. Das fällt nicht allen leicht, insbesondere dann nicht, wenn der Blick auf das neue Jahr ohne die Sicherheit einer Arbeitsstelle gemacht werden muss. Reorganisation heisst das Zauberwort.
«C’est le ton qui fait la musique»
In letzter Zeit häufen sich beim SEV-Rechtsschutzteam in der Tat wieder Fragen im Zusammenhang mit einem Stellenverlust. Zunehmend sind es nicht erster Linie Fragen nach den Rechten und Pflichten in einer solchen Situation, sondern Klagen über die Art und Weise, wie über den Stellenverlust vonseiten der Vorgesetzten und/oder der Personaldienste orientiert wurde, mit denen das SEV-Rechtsschutzteam konfrontiert wird. Auch nicht vertrauensfördernd ist es, wenn kurz nach der Mitteilung über die Stellenaufhebung im SBB-internen Stellenmarkt oder gar extern vonseiten der gleichen Organisationseinheit nahezu identische Stellen ausgeschrieben werden. Leider häufen sich auch solche Beispiele.
Mitarbeitende der SBB verlieren bei einer Reorganisation ihre Anstellung nicht. Sie werden in die berufliche Neuorientierung (NOA) übernommen. Während der Zeit in der beruflichen Neuorientierung erhalten die
betroffenen Mitarbeitenden den gleichen Lohn wie vor der Stellenaufhebung. Mindestens zwei Monate vor der geplanten Aufhebung sind die betroffenen Mitarbeitenden zu informieren. Von da an bis zum Übertritt befinden sie sich nun in der Präventionsphase, in welcher bereits erste Gespräche mit den NOA-Betreuenden stattfinden sollten. Es ist sicherlich nicht verkehrt, sich in dieser Phase bereits Gedanken über das «Wie-weiter» zu machen und erste Bewerbungen intern oder auch extern zu verschicken. Der effektive Übertritt zu NOA erfolgt auf den Zeitpunkt der Stellenaufhebung. Es wird ein neuer unbefristeter Arbeitsvertrag erstellt, was den Vorteil bietet, nicht aus der Arbeitslosigkeit eine neue Stelle suchen zu müssen.
Prioritäten festlegen
Nach erfolgtem Übertritt wird in den ersten sechs Monaten eine Zumutbarkeitsvereinbarung abgeschlossen. In dieser Vereinbarung wird die persönliche Flexibilität
jedes Mitarbeitenden festgelegt. Oder anders gesagt, es wird vereinbart, wo die Mitarbeitenden am ehesten bereit sind, Abstriche vom bisherigen zu machen. Dies betrifft die Höhe des neuen Lohnes, die Länge des neuen Arbeitsweges, die Ausgestaltung der Arbeitszeit (z. B. neu Schicht- und Nachtarbeit) und die neue Tätigkeit. Diese Vereinbarung kann nicht einseitig auferlegt werden, sondern ist zwingend gegenseitig zu vereinbaren, wobei die Betroffenen ihre Prioritäten selbst festlegen dürfen. Nach diesem Profil ist nun eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Selbstverständlich dürfen die NOA-Vorgesetzten je nach Situation und Verlauf des Neuorientierungsprozesses eine Anpassung der Zumutbarkeitsvereinbarung vorschlagen, jedoch ohne diese einseitig anordnen zu können.
Chancen abklären, Chancen verbessern
Die Mitarbeitenden haben ein Recht darauf, von NOA aktiv bei der Stellensuche unterstützt zu werden. Die Hauptarbeit, nämlich die eigentliche Stellensuche, müssen die Betroffenen selbst angehen. Oftmals stellt sich die Frage, mit welchen Weiterbildungsmassnahmen die Chancen auf dem internen und/oder externen Arbeitsmarkt erhöht werden können. Je nach Situation werden diese von der SBB ganz oder teilweise finanziert. Möglicherweise wird vonseiten der SBB in solchen Situationen die finanzielle Unterstützung von einer Austrittsvereinbarung abhängig gemacht.
Kündigung bei der NOA
Sobald eine neue Arbeitsstelle gefunden ist, wird der Arbeitsvertrag mit NOA von jenem der neuen Organisationseinheit abgelöst. Eine Beendigung des NOA-Arbeitsvertrages kann aber auch andere Gründe haben. Wird der Prozess der beruflichen Neuorientierung nicht aktiv unterstützt, so kann eine Kündigungsandrohung und letztlich die ordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Zur Kündigung kann auch die Ablehnung eines SBB-internen zumutbaren Angebotes führen.
Regeln müssen respektiert werden
Eine Reorganisation kann auch eine Chance darstellen, wichtig ist aber in jedem Fall, dass der Prozess gemäss GAV Ziff 171 ff. und Anhang 9 eingehalten wird. Das SEV-Rechtsschutzteam achtet bei der Begleitung der betroffenen Kolleginnen und Kollegen darauf, dass diese wichtigen Regeln respektiert werden. Damit die Beratung und Begleitung durch den SEV möglich ist, haben die Betroffenen auch das Recht, sich bei den Besprechungen mit NOA verbeiständen zu lassen und Bedenkfristen zu verlangen.
GAV bietet mehr Schutz als OR-Vertrag
Die hier aufgezeigte Regelung ist die Folge des Contrat Social, welchen die SBB und die Gewerkschaften miteinander vereinbart haben, und gilt für alle Mitarbeitenden, welche dem GAV SBB oder dem GAV SBB Cargo unterstehen. Kolleginnen und Kollegen, welche bei den SBB oder bei SBB Cargo einen reinen OR-Vertrag abgeschlossen haben, geniessen diesen Kündigungsschutz nicht. Ein Grund mehr, nicht leichtfertig einen OR-Arbeitsvertrag ausserhalb des SBB GAV oder GAV SBB Cargo zu unterzeichnen. Leider auch keinen solchen Kündigungsschutz gibt es bei den KTU und den anderen privatrechtlichen Arbeitgebern. Insofern hatte der Wirtschaftsförderer des Kantons Obwalden nämlich nicht unrecht mit dem Hinweis auf der kantonalen Homepage: In der Schweiz kann den Arbeitnehmenden recht leicht gekündigt werden.
Rechtsschutzteam SEV