Übergriff auf einen Chauffeur der TPF
Solidarität der Kundinnen und Kunden gegen Gewalt
Abdelali «Ali» Karafi ist seit elf Jahren Busfahrer bei den Freiburgischen Verkehrsbetrieben TPF. Ein krasser verbaler Angriff auf ihn seitens eines Passagiers führte zu einer bemerkenswerten Solidaritätsaktion der Kundschaft für Ali und seine Fahrdienstkolleg:innen.
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Als ich Ali zehn Tage nach dem Vorfall treffe, sagt er, dass es ihm gut gehe. Zweifellos haben ihm seine 20-jährige Erfahrung als Fernfahrer und seine Ausbildung zum interkulturellen Vermittler geholfen, den Übergriff nicht zu sehr an sich herankommen zu lassen. Der weltoffene Familienvater, der viel liest, ist dennoch erschüttert und denkt oft an das Geschehene zurück.
Alles beginnt am Samstag, 25. Januar gegen 20 Uhr. Ali fährt mit seinem Bus der Linie 6 am Bahnhof Freiburg ab, hält an der nächsten Station und lässt einige Fahrgäste aussteigen. Andere steigen zu. Nach einer Weile schliesst er die Türen – da ertönt ein Schrei aus dem hinteren Teil des Busses. «F... deine Mutter», ruft ein Mann. Ali hört es, denkt aber nicht, dass es an ihn gerichtet ist. Der offenbar betrunkene Fahrgast nähert sich ihm mit einer Weinflasche und einem Becher in der Hand und wirft ihm eine Flut von Beschimpfungen an den Kopf: «Du Mistkerl, du hast mir die Hand abgeklemmt ...»
Die Äusserungen sind wirr, aber die Aggressivität ist so gross, dass die Passagiere reagieren und den Passagier auffordern, sich zu beruhigen, ebenso Ali. Als dieser sieht, dass sich der Mann nicht beruhigt, sondern immer aggressiver wird, benachrichtigt er die Betriebszentrale. Eine schockierte Kundin ruft die Polizei. Nach einigen Minuten, die sich sehr lang anfühlen, verlässt der Mann schliesslich den Bus, bevor die Polizei eintrifft.
Ali ist schockiert, fährt aber aus Pflichtbewusstsein weiter, damit die Fahrgäste nicht noch später ans Ziel kommen. Im Bus sind die Leute beeindruckt, wie ruhig er auf den Angriff und die grundlose verbale Gewalt reagiert hat.
Johanna gehört zu den Personen, die die Szene beobachtet haben. In einem Brief ans TPF-Fahrpersonal (im Foto links) erzählt sie: «An diesem Samstag habe ich gesehen, wie ein Fahrer beschimpft wurde. Ich habe den Schmerz und den Stress in seinem Gesicht gesehen. Als ich wieder zu Hause war, hat mich dieser Vorfall sehr beschäftigt und ich wollte eine Gegenaktion starten. Ich habe (...) zwei Karten vorbereitet, bin (am nächsten Tag) vier Stunden lang auf der Linie 6 gefahren und habe die Fahrgäste angesprochen.»
Mehr als 40 Personen jeden Alters haben die Karte unterzeichnet und eine kleine Ermutigung draufgeschrieben: «Danke, dass Sie so früh aufstehen und bis sehr spät arbeiten, um uns zu dienen», «Danke für Ihre Geduld, Ihre Verfügbarkeit und Ihre Professionalität», «Wir sind mit Ihnen», «Eine unverzichtbare Arbeit, die es verdient, ins Licht gerückt zu werden», «Machen Sie weiter mit dieser schönen Arbeit», «Nur Mut», «Ob es regnet oder schneit, Sie sind für uns da. Danke».
Es ist uns nicht gelungen, Johanna, die diese beispielhafte Bürgersolidaritätsbewegung nach dem Übergriff organisiert hat, ausfindig zu machen. Ihre Initiative wurde von Ali und all seinen Kolleginnen und Kollegen im Fahrdienst der TPF sehr geschätzt.
Der SEV hat beschlossen, die Gewalt gegen das Personal des öffentlichen Verkehrs im Jahr 2025 zu einem zentralen Thema zu machen. Dabei geht es sowohl darum, Wege zu finden, um die Gewalt zu reduzieren, als auch darum, für die Kolleginnen und Kollegen, die dennoch mit solchen Situationen konfrontiert sind, bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten – im Moment des Angriffs und in den Tagen danach. Es muss daran erinnert werden, dass solche Übergriffe von Amtes wegen verfolgt werden, wie es der Artikel 59 des Personenbeförderungsgesetzes (PBG) vorsieht. Diesen hatte die SEV-Basis angeregt und massgeblich dafür gekämpft.
Johanna ist mit ihrer Kund:innen-Initiative ein Vorbild für uns Gewerkschaften und Unternehmen.
Yves Sancey