SBB Infrastruktur
Absurde Situation
Repriorisierung ist wohl definitiv das Unwort des Jahres für Tausende von Mitarbeitenden von SBB Infrastruktur – wenn nicht des Jahrzehnts. Nicht, dass man es nicht kennt: kurzfristiges Sparen und Verschiebung von Arbeiten an der Infrastruktur wegen Geldmangels. Aber 2024 ist alles anders.
Schon im Frühling werden unzählige Projekte aus dem Programm gekippt, ob Unterhalt, ob IR- oder ER-Rechnung, obwohl viele dieser Unterhaltsarbeiten fix und fertig (ein-)geplant sind – die Trassensperren meist schon länger, das eigene Personal, die externen Verstärkungen, die Fahrzeuge, teilweise ist das Material schon auf der Baustelle. Unzählige komplexe Abklärungen und Planungen, alles für die Katz.
Auch langjährige Fachkader haben so etwas noch nie erlebt. Sie fragen sich, was denn so gespart werden soll, wenn alles schon verplant und vereinbart ist? Kommt dazu, dass so der ganze Netzzustand einen Rückschlag erleidet. Vor Jahren gelang es, der Politik klarzumachen, dass unbedingt wieder mehr in den Unterhalt der Anlagen investiert werden muss. Man will keine Zustände wie bei der DB. Und nun das. Geplante Arbeiten werden laufend gestrichen, müssen aber später zwingend nachgeholt werden. 2025 ist aber eigentlich schon voll.
Es soll gespart werden, aber es werden Geld, Personalressourcen und vor allem Motivationsressourcen vernichtet. Oder wie motiviert gehen wohl Projektleitende, AVOR etc. vor, wenn nach zwei Wochen Arbeit, nach unzähligen Absprachen etc. laufend alles abgesagt wird?
Aktuell müssen Verantwortliche auf allen Ebenen offenbar immer noch weitere Streichungen vornehmen. Wenn der Unterhalt nicht rechtzeitig gemacht wird, sind auch vermehrt Langsamfahrstellen möglich. Vielleicht merkt dann jemand bei BAV, SBB und Co., was man da angerichtet hat. Sehr fragwürdig wird es, wenn man sieht, dass z. B. beim Signalunterhalt nun eine Anpassung von «sicherheitsrelevant» auf «verfügbarkeitsrelevant» vollzogen wird. Solche Standardsenkungen sind problematisch. Sie führen langfristig auch automatisch zu fehlendem Unterhalt.
Von diesen Sparübungen sind neben vielen Mitarbeitenden bei Planung, Disposition natürlich auch unzählige Techniker:innen, Monteur:innen, Gleisbauende etc. betroffen. Ihre Einsatzplanung wird über den Haufen geworfen. Teilweise sollen sie nun mitten in der idealen Bausaison zuhause bleiben. Wir haben schon Anweisungen gesehen, die praktisch zu einem unbezahlten Pikett führen würden. Man muss zuhause bleiben, aber trotzdem jederzeit erreichbar sein. Das geht definitiv nicht, auch können nicht alle Zeitkonti einfach ohne Rücksprache runtergefahren werden. Solche Weisungen in einzelnen Teams sehe ich aber auch als Überforderung von Teamleitenden und Verantwortlichen: Man hat sie alleine gelassen, es gab viel zu wenig grundsätzliche Information, was hier eigentlich los ist, was das soll und wie nun verfahren werden soll. Sie dürfen nun den Schlamassel aufräumen.
Urs Huber, Gewerkschaftssekretär SEV, Leiter SEV-Team Infrastruktur