Bei der SBB beginnt die Saison der Personalbeurteilungsgespräche
Personalbeurteilung: Tücken und Stolperfallen
Unrealistische und unmessbare Ziele, aber auch angefochtene und nicht aktuelle Stellenbeschriebe: Bei den nun anlaufenden Personalgesprächen der SBB gibt es gute Gründe für Vorsicht.
Unrealistische und unmessbare Ziele, aber auch angefochtene und nicht aktuelle Stellenbeschriebe: Bei den nun anlaufenden Personalgesprächen der SBB gibt es gute Gründe für Vorsicht.
Ein einzelner Zugverkehrsleiter hat von seinem Vorgesetzten im Personalgespräch das Ziel erhalten, die Verspätungen zu vermeiden. Der Zugverkehrsleiter findet zu Recht, das sei etwas viel verlangt von ihm …
Einmal mehr: Probleme mit den Stellenbeschrieben
In dieser ersten Beurteilungsrunde nach der Einführung von Toco taucht ein besonderes Problem auf: Die Grundlage für die Personalbeurteilung soll der aktuelle Stellenbeschrieb sein. Der Stellenbeschrieb ist jedoch bei der Toco-Umsetzung ein weit verbreitetes Problem: Stellenbeschriebe sind zum Teil nicht vorhanden, an vielen Orten sind sie von den Mitarbeitenden in Frage gestellt worden, was Grund für Eingaben war, die nach wie vor hängig sind.
«Wenn beim Personalbeurteilungsgespräch ein falscher Stellenbeschrieb verwendet wird oder einer, gegen den eine Eingabe läuft, muss der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin, dies auf jeden Fall auf dem Formular der Personalbeurteilung vermerken und am besten das Gespräch mit dem nächsthöheren Vorgesetzten verlangen», erklärt Manuel Avallone mit Nachdruck.
Ziele zum Lachen, Ziele zum Weinen? Beispiele bitte einsenden an SEV, Postfach, 3000 Bern 6. Alle Angaben werden vertraulich behandelt!
Realistische Ziele vereinbaren
Die SBB will ihr Personal vermehrt mit Zielen führen. «Daran ist nichts auszusetzen, so lange die Ziele realistisch und messbar sind», stellt SEV-Vizepräsidentin Barbara Spalinger fest. Als Leiterin des Rechtsdienstes begegnet sie jedoch häufig Zielen, die zumindest fragwürdig, wenn nicht gar böswillig sind.
«Ziele im Rahmen des Jahresgesprächs müssen vereinbart werden, sie dürfen nicht einfach von oben verordnet sein», ergänzt Barbara Spalinger.
Zielvereinbarung: Ein Wort, zwei Bedeutungen
Der für die SBB zuständige Vizepräsident Manuel Avallone weist auf eine heikle Begriffsverwirrung hin: «Unter Zielvereinbarung verstand man bei der SBB bisher eine Massnahme, die meist mit einer Kündigungsandrohung verbunden war. Es ist sehr irritierend, wenn nun ‹Zielvereinbarung› auch die wiederkehrende Abmachung von Jahreszielen meint.»
Die beiden Dinge stehen auf zwei völlig verschiedenen Ebenen: Eine Zielvereinbarung, beispielsweise nach wiederkehrenden Fehlleistungen, ist bei der SBB das letzte Druckmittel, um einen Mitarbeiter zu korrektem Verhalten anzuhalten – und in der böswilligen Variante der erforderliche Zwischenschritt, bevor eine Entlassung ausgesprochen werden kann.
Beim Führen mit Zielen sind die Jahresziele dagegen ein wichtiges Instrument, um im gegenseitigen Einverständnis die Leistung zu definieren, an der eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter im Folgejahr gemessen und beurteilt wird.
Oft ein Grund zur Heiterkeit
«Wir hören hier häufig sehr eigenwillige Vorstellungen der Chefs, was als Ziel gesetzt werden soll», betont Manuel Avallone. Er fordert die Betroffenen auf, dem SEV Beispiele zu liefern, wenn ihre Ziele schief in der Landschaft liegen. «Soll man lachen oder weinen, wenn ein einzelner Mitarbeiter scheinbar allein für die gesamte SBB-Pünktlichkeit einstehen muss?», fragt sich Avallone.
pmo
kommentar
Wenn der Winter zu Ende geht, beginnt bei der SBB die Saison der Personalbeurteilung. Fast alle haben beim Chef, der Chefin anzutreten, um eine Note für die Arbeit der letzten 12 Monate in Empfang zu nehmen.
Dieses Jahr ist alles etwas anders. Mit dem GAV 2011-2014 beginnt eine neue Ära: Erstmals führt das Resultat direkt zu einer Prämie – oder eben nicht. Wir haben dieser Änderung zugestimmt, weil wir sie insgesamt als fairer erachten als das vorherige System; dies bei allen Vorbehalten, die wir zu lohnwirksamen Personalbeurteilungen haben.
Das jährliche Gespräch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden soll in erster Linie motivierend sein; es soll dazu anspornen, im kommenden Jahr gute Arbeit abzuliefern; Ziele zu erreichen, die gemeinsam vereinbart werden, die den Fähigkeiten und Aufgaben entsprechen.
Dieses Jahr ist alles etwas anders, auch weil über 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch keine endgültige Einstufung im neuen Lohn- system haben. Das kann im Gespräch zu Differenzen führen. Wir empfehlen unsern Mitgliedern, Unstimmigkeiten (z.B. Stellenbeschrieb) auf jeden Fall anzusprechen und darauf zu beharren, dass sie auf dem Bogen vermerkt sind. Auch wenn dadurch das Gespräch schwieriger wird, darf es keinen Einfluss auf die Beurteilung haben.
Manuel Avallone, Vizepräsident SEV