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Solidarität

Die Verhältnisse in der Schuhproduktion stinken zum Himmel

Schuhe gelten schon seit längerer Zeit als Modeaccessoirs. Und je länger je mehr werden sie offenbar zu einem Wegwerfartikel. Zu günstigem Preis werden sie im Discounter gekauft, kaum jemand lässt sie noch reparieren. Public Eye ruft zu einer Kundgebung für «ethische Schuhe» auf.

Mit dem «Shoe Creator» von Public Eye kann man sich aus vier Grundmodellen und vielen Accessoires seinen ganz individuellen Schuh zusammenstellen und erfährt dabei viel über die Missstände im Schuhbusiness.

Weil es sozial und ökologisch saubere Schuhe kaum zu kaufen gibt, lanciert Public Eye den Shoe Creator. Damit kann man sich seine fairen Traumtreter selbst designen. Und blickt zugleich auf die Schattenseiten der Schuhproduktion von China bis Albanien, wo Dumpinglöhne, Überzeiten und Gesundheitsschäden zum Arbeitsalltag gehören. Die Verantwortung dafür tragen die Schuhkonzerne und ein Konsummodell, das Stiefel, Pump und Sneaker zur Wegwerfware macht.

Hungerlöhne undGefahren für die Gesundheit

Alle zwei Monate leisten sich Menschen in der Schweiz ein neues Paar Schuhe. Doch die haarsträubenden Bedingungen, unter denen diese im fernen Asien, aber auch in Europa gefertigt werden, sind kaum bekannt. Die Realität heisst «Fast Fashion für die Füsse»: Millionen von Arbeiter/innen leiden unter mieser Bezahlung, mangelnder Arbeitssicherheit und Beschwerden durch giftige Chemikalien in der Lederherstellung und beim Verleimen. Egal ob «made in China» oder «made in Italy», ob billig oder teuer: Neue Recherchen von Public Eye in Gerbereien und Schuhfabriken zeigen, wer den Preis für die Profite einer höchst intransparenten Branche zahlt. So verdienen etwa Schuharbeiterinnen in Albanien monatlich gerade mal 150 Franken, was nicht einmal einem Viertel des dortigen Existenzlohns entspricht.

Rechte und Würde verletzt

Illustriert werden die problematischen Produktionsverhältnisse auch durch das Video «Working for GEOX in the 21° century» der italienischen Clean Clothes Campaign, das Beschimpfungen und Demütigungen durch Vorgesetzte, massive Überstunden und andere Arbeitsrechtsverletzungen in einer serbischen Geox-Fabrik ans Licht bringt.

Schuhe haben einen zweiten Gedanken verdient

Mit dem «Shoe Creator», wo man sich aus vier Grundmodellen und vielen Accessoires seinen ganz individuellen Schuh zusammenstellen kann, will Public Eye speziell junge Menschen über die Missstände in diesem medial unterbelichteten Business aufklären. Ein/e Schuh-Designer/in kann dabei sogar seinen/ihren persön- lichen, massgeschneiderten Traumschuh gewinnen. Für alle anderen gilt: Sneaker, Stiefel und Sandalen pflegen, reparieren und im Laden nach ihrer Herkunft fragen sind erste Schritte auf dem langen Weg zu nicht nur oberflächlich sauberen Schuhen.

Alle zwei Monate ein Paar Schuhe

Im Jahr 2015 wurden weltweit 23 Milliarden Paar Schuhe hergestellt. Das sind gut drei Paar pro Mensch auf der Erde. Wenn Sie in der Schweiz wohnen und punkto Schuhe einen durchschnittlichen Konsum aufweisen, haben Sie im letzten Jahr sechs bis sieben Paar gekauft.

Immer neu statt immer besser

Die Zeiten, in denen man sich bei der Schuhmacherin seines Vertrauens die mit den Jahren liebgetretenen und sorgfältig gepflegten Sonntagsschuhe neu herrichten liess, sind definitiv vorbei. Gab ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt vor achtzig Jahren noch 37 Franken pro Jahr für Schuhreparaturen aus, sind es heute nur noch knapp 17 – obwohl sich das Haushaltsbudget um das 22-fache erhöht hat. Das «Fast Fashion»-Modell hat längst auch die Schuhindustrie erreicht. Die Kadenz der Kollektionen ist höher als jene der Jahreszeiten, Schuhe sind kurzlebig und zu Discountpreisen erhältlich. Schuhe flicken ist out. Schuhe wegwerfen und neue kaufen entspricht dem Zeitgeist.

Eine globalisierte Produktion

Die Menschen, die unsere Schuhe fertigen, kennen wir nicht. Und sie uns auch nicht. Sie wissen nicht, wie viel wir für «ihre» Schuhe bezahlen, wir nicht, wie viel sie an «unseren» Schuhen verdienen.

Sie erfahren nicht, wenn wir die Schuhe bald nach dem Kauf wieder wegwerfen oder gar nie anziehen. Wir sind so weit weg von den Arbeiterinnen und Arbeitern, dass wir kaum mehr ahnen, wie viel Arbeit in einem Schuh steckt, wer alles daran Hand angelegt hat, wo und unter welchen Bedingungen. Für uns Grund genug, diesen Fragen nachzugehen.

Am Anfang steht (noch) die Kuh

Die Statistik zeigt: China allein produziert fast 60 Prozent aller Schuhe, Indien knapp 10. Dass bekannte Marken ihre Sneakers auch deshalb zu Tiefstpreisen verkaufen können, weil sie in asiatischen Billiglohnländern unter oft inakzeptablen Bedingungen produzieren lassen, ist nicht die allerneuste Nachricht. Schauen wir uns stattdessen an, wie ein relativ teurer Lederschuh produziert wird, ein Schuh «made in Italy» vielleicht, oder einer «made in Germany».

Was zum Schuh wird, war meist mal eine Kuh: Die allermeisten Lederschuhe sind aus Rinds- oder Kalbsleder. Die USA, China und Brasilien sind die grössten Produzentenländer von Rohleder aus Kuhhäuten.

Bis zum fertigen Schuh ist es dann noch ein weiter Weg. Er ist nachzulesen auf der Website
https://schuhe.publiceye.ch/

Das muss geschehen

Die Frauen und Männer in den Fabriken haben keine Ahnung, wer die von ihnen produzierten Schuhe dereinst tragen wird. Und wir haben keine Ahnung, wer die von uns getragenen Schuhe einst hergestellt hat. Die Schuhindustrie ist eine undurchsichtige, global organisierte Branche, in der zuoberst Aktionärinnen und Aktionäre Gewinne abschöpfen, zuunterst Arbeiterinnen und Arbeiter mit ihrer Gesundheit bezahlen, ohne anständig bezahlt zu werden, und wir als Konsumentinnen und Konsumenten Schuhe zu Schnäppchenpreisen erwerben und wohl oft gar nicht genau wissen wollen, wer den Preis dafür bezahlt.

Public Eye findet, das müsste sich ändern. Nur wie? Wir Konsument/innen müssen Forderungen stellen:

Was die Hersteller tun müssen

Marken und Hersteller müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, indem sie

  • Existenzlöhne bezahlen, die den Menschen, die für sie arbeiten, und deren Familien ein Leben in Würde ermöglichen,
  • die Gesundheit und Sicherheit all ihrer Angestellten schützen,
  • Transparenz schaffen, indem sie ihre Lieferkette mit allen Lieferanten und Sub-Lieferanten offenlegen und zeigen, was sie tun, um faire Arbeitsbedingungen zu garantieren.

Was die Politik tun muss

Die Politik muss mit verbind-lichen Regeln sicherstellen, dass

  • die nationalen Mindestlöhne auf dem Niveau von Existenzlöhnen angesetzt werden,
  • dass Arbeits- und Menschenrechte eingehalten werden,
  • Unternehmen Risiken in ihren Lieferketten untersuchen und offenlegen und effektive Massnahmen zum Schutz von Menschenrechten durchsetzen müssen.

Public Eye

Kundgebung in Bern

Am nächsten Samstag, dem 6. Mai, findet in Bern eine Kundgebung statt, die Konsument/innen für die problematischen Zustände bei der Schuhproduktion sensibilisieren soll.

Eine symbolische «Warteschlange» soll zeigen, dass wir Konsument/innen lange warten, um endlich ethisch und ökologisch verantwortungsvoll produzierte Schuhe zu erhalten. Immer noch kümmern sich die meisten Unternehmen viel zu wenig um Gerechtigkeit und Ethik bei der Produktion ihrer Schuhe. Um mit der Aktion etwas erreichen zu können, hoffen die Organisator/innen auf eine zahlreiche Beteiligung.

Das Programm

  • Treffpunkt um 13h30 auf dem Kornhausplatz (10 Geh- minuten vom Bahnhof Bern).
  • Ungefähr von 14 bis 15 Uhr: «Unendliche Warteschlange» für ethische Schuhe.
  • Gegen 15 Uhr findet zum Abschluss ein Kennenlern- und Vernetzungsapéro für die Teilnehmenden statt.