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Petition

4000 x Nein zur Privatisierung der Bahnhofreinigung

An vorderster Front bei der Verteidigung des öffentlichen Dienstes.

SBB Immobilien will nur noch die am stärksten frequentierten Bahnhöfe vom eigenen Personal reinigen lassen. Die Reinigung aller Flächenbahnhöfe soll privatisiert und deshalb auf 130 bis 150 Temporärmitarbeitende verzichtet werden. Dagegen hat der SEV eine Petition lanciert – mit grossem Erfolg, wie Patrick Kummer, zuständiger Gewerkschaftssekretär, im Interview erklärt.

Wie viele Kolleg/innen haben sich gegen die Privatisierung der Reinigung ausgesprochen?

Patrick Kummer: Direkt von der Auslagerung betroffen sind 130 bis 150 Temporärstellen, unterzeichnet haben die Petition aber über 4000 Mitarbeitende der SBB. Das zeigt, wie gross die Solidarität unter den SBB-Kolleg/innen ist. Die Auslagerung von Service-public-Leistungen – von Kernaufgaben der SBB – kommt beim Personal offensichtlich nicht gut an.

Was fordert der SEV mit der Petition?

Anstatt die Temporärstellen abzubauen und auszulagern, müssen die rund 150 Temporärmitarbeitenden intern bei der SBB angestellt werden. Viele der Betroffenen arbeiten schon seit vielen Jahren für die SBB. Doch nicht nur aus personeller Sicht ist die Auslagerung problematisch, sondern auch aus politischer, denn dieser Schritt widerspricht mehreren Zielen des Bundesrates für die SBB: So soll die SBB etwa den Anliegen verschiedener Regionen Rechnung tragen. Doch wenn die Leistungen an weniger stark frequentierten Bahnhöfen ausgelagert werden, führt dies zu einer Schwächung der Regionen.

Die SBB spricht zwar von «einer Chance für lokale und regionale Anbieter». Dieses Argument ist aus meiner Sicht aber gefährlich. Es ist definitiv nicht die Aufgabe der SBB, durch die Auslagerung von Service-public-Leistungen die regionale Wirtschaft zu fördern.

Ein zweites bundesrätliches Ziel besagt, Kooperationen sollen nur eingegangen werden, wenn diese das Kerngeschäft unterstützen. Die Zusammenarbeit mit externen Reinigungsfirmen trägt hingegen massgeblich zur Schwächung bei.

Was ist deiner Meinung nach überhaupt der Grund für diese Auslagerung?

Diese Auslagerung ist nicht die erste und wird wohl auch nicht die letzte bei SBB Immobilien sein. Die Tendenz sieht ganz klar so aus, als wolle sich SBB Immobilien hin zu einem «Real Estate Bewirtschafter» entwickeln: also möglichst viele Aufgaben auslagern und sich auf die Betreuung der externen Dienstleister konzentrieren. Dies widerspricht den Zielen des Bundesrats und ist auch aus Sicht des SEV eine falsche Entwicklung: SBB Immobilien muss ein ganzheitlicher Leistungserbringer werden.

Wie geht es jetzt für die betroffenen Mitarbeitenden weiter?

Die betroffenen Temporären sind stark verunsichert und sorgen sich um ihre Jobs und ihre Zukunft. Offiziell erfolgt der schrittweise Abbau ab Mitte 2022. Die Verunsicherung ist aber auch bei den SBB-Reiniger/innen sowie den Teamleitern gross. Denn auch sie wissen nicht, an welchem Bahnhof sie künftig eingesetzt werden und ob sie überhaupt noch ein Team zu leiten haben. Der SEV wird aber alles daransetzen, diesen Abbau zu verhindern und eine Internalisierung der 150 Temporärmitarbeitenden zu erreichen.

Die SBB behauptet zwar, dass dies keine Privatisierung sei. Die Temporären arbeiteten aber bisher gemeinsam mit den internen Angestellten in der Verantwortung der SBB. Neu sollen diese Arbeiten von privatwirtschaftlichen Reinigungsunternehmen übernommen werden – sprich: eine klassische Privatisierung von Service-public-Leistungen.

Ein Paket mit den rund 4000 Unterschriften wurde der SBB am 18. Juni auf dem Postweg aus Bellinzona zugestellt. Warum wurde die Petition Vincent Ducrot nicht persönlich überreicht?

Die federführenden Sektionen des SEV haben die Petition ganz klar an Vincent Ducrot adressiert, aus Sicht der betroffenen Mitglieder handelt es sich bei Auslagerungen um ein Thema, das den ganzen Konzern betrifft und entsprechend in der Verantwortung des CEO liegt. Dieser fühlt sich aber offenbar nicht zuständig: Vincent Ducrot lehnte die Entgegennahme der an ihn gerichteten Petition ab und verwies den SEV an die Leitung Immobilien. Aus meiner Sicht ist das verwunderlich, gibt Ducrot sich doch sonst als sehr nahbar und offen für die Anliegen der Mitarbeitenden. Wir haben die Petition nun stattdessen im Anschluss an ein Pressegespräch per Post an Vincent Ducrot zugestellt.

Elisa Lanthaler
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Angelo Stroppini: «Basisarbeit ist entscheidend»

Wenn von Privatisierung die Rede ist, werden Tessiner/innen sofort hellhörig. SEV-Gewerkschaftssekretär Angelo Stroppini erklärt warum.

Angelo, der Alarm wegen der Privatisierung der Bahnhofsreinigung wurde im Tessin ausgelöst. Wie ist es zu dieser Petition gekommen?

Dank unserem dichten Vertrauensleutenetz und unserer Basis- und Vernetzungsarbeit sind wir sehr wachsam, gut informiert und vor allem auch reaktiv. Unsere Tessiner Basis hat die Petition gestartet und mich aufgefordert, zu reagieren und die SBB-Strategie in Frage zu stellen.

Im Tessin wurden rund 1300 Unterschriften gesammelt. Wie erklärst du dir diesen Erfolg?

Unsere Vertrauensleute sammelten die Unterschriften mit grosser Entschlossenheit ausschliesslich im direkten Kontakt mit den Betroffenen, denen sie die Hintergründe der Petition erklärten. Alle Unterschriften wurden durch unsere Leute vor Ort gesammelt. Echte Gewerkschaftsarbeit, auf die ich stolz bin. Im Tessin reagiert man auf Privatisierungen von Unternehmensteilen besonders sensibel. So hat die SBB vor ein paar Jahren die Schneeräumung privatisiert, die früher in ihrer Verantwortung lag. Seither kommt es bei Schneefall ständig zum organisatorischen Chaos und SBB-Aufrufen an die Reisenden, mit dem Bus statt der Bahn in die Leventina zu fahren.

Was stört dich am aktuellen Privatisierungsprojekt besonders?

In der Reinigung arbeiten Kolleg/innen zum Teil seit mehr als fünf Jahren mit einem Temporärvertrag. Die SBB muss sie anstellen, statt ihre Situation noch prekärer zu machen, indem sie sie an ein privates Unternehmen abschiebt. Der Gipfel aber ist, dass die Mitarbeitenden von Privatfirmen, die die Bahnhöfe künftig reinigen, laut SBB weiterhin an ihrem SBB-Logo erkennbar sein sollen. Inzwischen arbeiten die Betroffenen im Tessin in Unterbesetzung und machen sich Sorgen, weil sie nicht wissen, wie es für sie beruflich und arbeitsvertraglich weitergeht.

Françoise Gehring / Übers. Markus Fischer

Kommentare

  • Floris Dahl

    Floris Dahl 03/08/2021 07:02:21

    Wenn ich als Lokführer unterwegs bin, treffe ich eigentlich nur gut motiviertes Reinigungspersonal an. Hoffentlich ändert sich dies nicht durch diesen Schritt, da ja somit wahrscheinlich auch Arbeitsbelastung und Lohnniveau ändern werden.