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Demokratie-Initiative

Einbürgerung vereinheitlichen

Vor einem Monat lancierte die zivilgesellschaftliche Allianz «Aktion Vierviertel» die Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)». Diese will Willkür verhindern und es den Menschen, die schon länger in der Schweiz leben, einfacher machen, das Schweizer Bürgerrecht zu erlangen.

Rund ein Drittel aller SEV-Mitglieder haben keinen Schweizer Pass. Das hat keinen Einfluss auf ihre Rechte innerhalb der Gewerkschaft. Sie haben ein Stimmrecht an Delegiertenversammlungen, können sich in Gremien des SEV engagieren und dürfen somit mitbestimmen, wie sich der SEV weiterentwickeln muss. Anders sieht es in der Schweizer Politik aus. Zwar zahlen allen Menschen, die in der Schweiz arbeiten, Steuern, doch mitbestimmen, was mit diesem Geld passiert, dürfen nur drei Viertel der Menschen. Das vierte Viertel, die 2 Millionen Menschen ohne Schweizer Pass, werden von der Demokratie ausgeschlossen. Sie können sich zwar in einer politischen Partei oder einer anderen Organisation einbringen, aber am Abstimmungssonntag müssen sie stumm bleiben.

Die Schweiz hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ein sehr strenges Einbürgerungsregime. Das führt dazu, dass die Schweiz einen sehr hohen Anteil an Menschen hat, die keinen Schweizer Pass haben. Auch Menschen der zweiten und dritten Einwanderungsgeneration müssen zuweilen jahrelang kämpfen und viel Geld ausgeben, um das Bürgerrecht zu erhalten. Das Besondere an der Schweizer Situation ist auch, dass jeder Kanton die Vergabe des Bürgerrechts anders regelt. Es gibt Kantone, da läuft es einfach. In anderen Kantonen hingegen ist es extrem schwierig, den roten Pass zu kriegen.

Klare Regeln, weniger Willkür

Und genau hier setzt die Demokratie-Initiative an. Sie will die Abgabe des Schweizer Passes vereinheitlichen. Neu sollen schweizweit folgende Regeln gelten: Wer seit fünf Jahren rechtmässig in der Schweiz lebt, nicht schwerwiegend straffällig geworden ist, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet und über Grundkenntnisse einer Landessprache verfügt, soll einen Anspruch auf Einbürgerung haben.

Die Autorität der Behörden auf Kantons- und Gemeindeebene wird damit nicht ausgehöhlt, sondern nur vereinheitlicht. Am Schluss bestimmen immer noch Gemeinden und Kantone, ob jemand das Bürgerrecht erhält. Doch sie können nicht mehr willkürliche Zusatzregeln einführen.

Elias Studer vom Verein einbürgerungsgeschichten.ch berichtet von willkürlichen und schikanösen Einbürgerungsverfahren in verschiedenen Kantonen. Erst kürzlich sei einem jungen Italiener im Kanton Aargau ein frisiertes Töffli zum Verhängnis geworden. Wegen dieser Bagatelle erhielt er in erster Instanz kein Recht auf Einbürgerung. Für Studer ist deshalb klar: «Mit der Demokratie-Initiative setzen wir der Willkür und der Schikane im Einbürgerungsverfahren ein Ende.»

«50 Jahre nach Schwarzenbach und 30 Jahre mit Blocher ist die Zeit reif für einen neuen, mutigen Gesellschaftsentwurf, für eine Vierviertel-Demokratie», sagt Arber Bullakaj, Vorstandsmitglied der Aktion Vierviertel. «Erst wenn alle Menschen in unserer Demokratie frei und gleichberechtigt sind und sich zugehörig fühlen können, wird unsere Demokratie ihrem Namen gerecht.» Nadra Mao, ebenfalls Vorstandsmitglied, betont: «Die Demokratie sollte die Vielfalt fördern, die persönlichen Freiheiten schützen und den Fortschritt der Gesellschaft ermöglichen.»

Initiative für mehr Demokratie

Hinter der Demokratie-Initiative stehen neben zivilgesellschaftlichen Organisationen auch namhafte Persönlichkeiten. So äussert sich zum Beispiel die Genfer Ständerätin Lisa Mazzone deutlich: «Eine Bevölkerungsgruppe so gross wie die Romandie kann nicht demokratisch mitbestimmen. Unsere Demokratie lässt damit zu, dass drei Viertel der Bevölkerung über das Schicksal des übrigen Viertels bestimmen.» Der ehemalige Präsident des SGB und Alt-Ständerat Paul Rechsteiner stellt mit Blick auf die liberale Revolution von 1848 und die Erkämpfung des Frauenstimmrechts mehr als hundert Jahre später fest: «Demokratiepolitische Fortschritte kamen nie von selbst. Auch die Öffnung des Bürgerrechts für alle, die zur Schweizer Wohnbevölkerung gehören, muss erkämpft werden.» Deshalb ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, diese Initiative zu lancieren.

Diskutiert wird darüber auch an der nächsten Migrationskonferenz des SEV.

Michael Spahr / Aktion Vierviertel
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Save the Date: Am 22. September 2023 findet die Migrationstagung des SEV in Olten statt. Mehr Informationen in der nächsten Zeitung.