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Lokführerlöhne SBB: SEV will Gleichbehandlung für alle

Unendliche Baustelle: Nach 6 Jahren Schiedsverfahren zum «Beschluss 25» sucht der SEV weiterhin eine Lösung für alle Triebfahrzeugführenden B100. (Foto: H.U. Keller)

Die SEV-Sektion BAU Ticino forderte im Juli von der SBB mittels einer Petition mit über 1000 Unterschriften einen angemessenen Lohn für die Triebfahrzeugführenden B100. Die Forderung war nicht neu, denn schon seit der Einführung der «Lokführerkurve» 2011 verlangen die Gewerkschaften die Gleichbehandlung jener Triebfahrzeugführenden, die davon nicht profitieren. Seit 2013 lief ein Schiedsverfahren dazu, das nun mit einer Teillösung beigelegt wird: Rund 300 Triebfahrzeugführende der Instandhaltung Infrastruktur erhalten seit 1. Oktober 2019 jährlich eine Marktzulage von 3000 Franken, aber viele Berufskolleg/innen bleiben benachteiligt. SEV-Vizepräsidentin Barbara Spalinger erklärt, warum der SEV dieses Resultat akzeptierte, obwohl es insgesamt nicht befriedigt.

SEV-Zeitung: Wie ist es dazu gekommen, dass die SBB einen Teil ihrer Triebfahrzeugführenden hinsichtlich des Lohns besser behandelt als andere?

Barbara Spalinger: Bei der Aushandlung des Lohnsystems ToCo im Jahr 2011 kam es zur sogenannten Lokführerkurve – also einer Lohnsystematik für Lokpersonal, welche einen schnelleren Aufstieg als den von ToCo vorgesehenen beinhaltete. Bei der Schlussverhandlung meldeten die Vertreter der SEV-Unterverbände RPV und Bau, bei denen auch Lokpersonal organisiert ist, den Anspruch an, ebenfalls in die Lokführerkurve aufgenommen zu werden. Da die Zeit drängte, kam es zum sogenannten Beschluss 25 des GAV-Protokolls: Die Parteien verpflichteten sich, gemeinsame Kriterien für weitere Mitarbeitendengruppen zu suchen, aufgrund derer sie der Lokführerkurve zugeordnet würden. Nach der Annahme und Inkraftsetzung des GAV per 1. Juli 2011 trat man dazu in Verhandlungen mit der SBB, die aber offensichtlich keine Lust hatte, sich mit dem SEV auf Kriterien zu einigen, und alle Vorschläge mehrfach zurückwies. Daraufhin rief der SEV im Juni 2013 das Schiedsgericht an, das unter dem Vorsitz von Franz Steinegger tätig wurde. Es folgten mehrere Sitzungen, und schliesslich wurde die SBB verpflichtet, mit dem SEV nach beiderseits akzeptablen Kriterien zu suchen. SEV-Vizepräsident Manuel Avallone und SBB-Personalchef Markus Jordi trafen sich immer wieder, aber es kam zu keiner Einigung. Deshalb erfolgte 2015 ein Schiedsspruch.

Barbara Spalinger, Vizepräsidentin

Was hat das Schiedsgericht 2015 verfügt?

Es hat die Parteien dazu verpflichtet, in einem partnerschaftlichen Verfahren bis Ende 2015 Kriterien für eine Zuordnung weiterer Triebfahrzeugführer/innen zur Lokführerkurve zu entwickeln. Und es hielt fest, dass dabei die Punkte Produktivitätssteigerungen und Kompensa- tion von Sonderregelungen bedeutend seien. Bereits vorher hatte das Schiedsgericht verschiedene Vorgaben für die Kriterienerarbeitung gemacht – darunter auch diejenige, dass die Zahl der Personen, die möglicherweise der Lokführerkurve zugeordnet werden könnten, keine «Vielzahl» sein dürfe, da dies sonst die Grundregeln von ToCo verletze. Damit war die Absicht des SEV vom Tisch, alle Personen mit einem B100-Ausweis in die Lokführerkurve zu bringen. Es gelang in der Folge erneut nicht, sich auf gemeinsam anerkannte Kriterien zu einigen. 2017 schlug Franz Steinegger vor, die Frage anlässlich der GAV-Verhandlungen zu bereinigen, was die SBB sehr begrüsste, der SEV aber kategorisch ablehnte.

Somit war Franz Steinegger erneut gefordert: Was tat er?

Mit einem langen Schreiben stellte der Präsident des Schiedsgerichts 2018 fest, dass nun das Schiedsgericht den Schiedsspruch von 2015 vollziehen müsse. Die Parteien sollten ca. 100 Mitarbeitende/Stellen nennen, die der Lokführerkurve zugeordnet werden könnten. Sollten sie sich nicht einigen, müsse das Schiedsgericht selber eine Auswahl treffen. In diesem Rahmen hat die SBB ein kleines Entgegenkommen sig- nalisiert, auf welches der SEV einging. Nicht zuletzt, weil davon nicht nur 100 Mitarbeitende profitierten, wie das Schiedsgericht vorschrieb, sondern rund 300 Triebfahrzeugführende B100 der Instandhaltung von SBB Infrastruktur. Damit konnte das Schiedsverfahren abgeschlossen werden.

Wie bewertet der SEV dieses Resultat?

Die erste und wichtigste Feststellung, die wir dazu machen müssen, ist die Folgende: Bei diesem Ergebnis handelt es sich NICHT um ein Verhandlungsergebnis. Es handelt sich um eine minimale Einigung im vorgegebenen Rahmen der Umsetzung eines Schiedsspruchs. Klar ist auch: Wäre der SEV nicht auf den Vorschlag der SBB eingegangen, so hätte das Schiedsgericht selber 100 Personen bestimmt, welche in die Lokführerkurve gekommen wären respektive eine Marktzulage erhalten hätten.

Möglicherweise wären dann nicht genau dieselben Personen begünstigt worden, die jetzt etwas erhalten haben, aber ganz sicher nicht mehr als diese. Alle anderen wären, wie dies auch jetzt der Fall ist, leer ausgegangen. Immerhin bekommen jetzt statt 100 Personen rund 300 Personen die Marktzulage. Die Logik, die wir ursprünglich eingeklagt hatten, nämlich eine Gleichbehandlung aller Mitarbeitenden aufgrund objektiver Anforderungen wie z.B. eines BAV-Ausweises, hat das Schiedsgericht bereits 2015 abgelehnt. Somit ging es jetzt nur noch darum, das Schiedsverfahren endlich zu beenden. Und dem SEV ging es auch darum, das Verfahren nicht ohne jedes Resultat zu beenden.

Das ist für all jene, die gegenüber den Kolleg/innen mit der Lokführerkurve benachteiligt sind, ein schwacher Trost…

Mit diesem Resultat sind wir nicht zufrieden. Das passiert nach Gerichtsverfahren öfters mal. Wir werden die oben genannte Logik, die uns in diesem Verfahren verwehrt blieb, im Rahmen der anstehenden Verhandlungen zur Überarbeitung des Lohnsystems ganz sicher wieder einbringen.

Interviewfragen: Markus Fischer

ToCo-Garantien dauerhaft gesichert

Bei den letztjährigen Verhandlungen zum GAV SBB / SBB Cargo wurde eine Vereinbarung über die ToCo-Lohngarantien abgeschlossen. War es nicht möglich, diese weiterzuführen?

Barbara Spalinger: Vor zwei Wochen haben Mitarbeitende, die von einer Lohngarantie von 2011 (ToCo) profitieren, von der SBB einen Brief erhalten. Die Vereinbarung aus dem letzten Jahr hat im Mai 2020 erstmals Auswirkungen: Dann erfolgt die erste Hälfte der Kürzung, die zweite Hälfte erfolgt am 1. Januar 2022. Wichtig ist, daran zu erinnern, dass diese Lohngarantien Teil eines Abkommens waren, das an die Laufdauer des GAV geknüpft war und das die SBB nicht weiterführen wollte. Ein Ende des Abkommens hätte sofortige massive Kürzungen für alle bedeutet. Die 2018 vereinbarte Lösung für die 3700 Betroffenen ist nicht mehr an die GAV-Laufdauer geknüpft, sondern gilt darüber hinaus weiter. Damit können diese Garantien bei Verhandlungen nicht mehr als Druckmittel eingesetzt werden, insbesondere wenn es um das neue Lohnsystem geht.

Die ToCo-Lohngarantien von 2011 gelten nun ad personam. Garantien unter 5000 Franken werden nicht angetastet. Das gilt für über 3000 Personen. Bei rund 700 Betroffenen gibt es hingegen eine Reduktion in zwei Schritten. Die Reduktion entspricht höchstens 5 % des Maximallohns des entsprechenden Anforderungsniveaus. Wenn also jemand 6000 Franken Garantie aus ToCo hat und im Anforderungsniveau A ist, könnte er bis 2902 Franken einbüssen; dies sind 5 % des Maximums im Anforderungsniveau, das aktuell bei 58 037 Franken liegt. Tatsächlich wird die ToCo-Garantie jedoch nur um 1000 Franken gekürzt und nicht um 2902, da die Garantie nicht unter die besagten 5000 Franken fallen kann. Die Kürzung erfolgt in zwei Tranchen zu 500 Franken. Achtung: Die im Brief an die Betroffenen erwähnten Beträge sind provisorisch und basieren auf dem Jahreslohn per 1.5.2020.

Die GAV-Konferenz SBB / SBB Cargo genehmigte diese Vereinbarung nach einer heftigen Diskussion, in welcher die Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen worden waren. Wir haben es vor einem Jahr gesagt und sagen es jetzt wieder: Der SEV steht allen Mitgliedern zur Verfügung, die von der Reduktion der ToCo-Garantien betroffen sind. Ganz besonders achtet der SEV darauf, dass die vereinbarten Abmachungen eingehalten werden.

Barbara Spalinger ist Vizepräsidentin SEV und seit September für die SBB zuständig. Hast auch du eine Frage an die Geschäftsleitung? Maile deine Fragen an .

Kommentare

  • Giuseppe Lanini

    Giuseppe Lanini 24/10/2019 08:45:17

    Bisogna essere sinceri e comunicare che solamente attraverso la nostra petizione si è potuto arrivare a una svolta ed arrivare a questa decisione. Soluzione peraltro concordata senza coinvolgere in nessun modo sia la sezione che la sottofederazione BAU. Ad essere sinceri fino in fondo già in occasione del Toco il SEV non doveva permettere discriminazioni fra macchinisti rispettivamente sottofederazioni. Si predica solidarietà ma in realtà anche al nostro interno ci sono diverse disparità di trattamento.

  • Thomas Luig

    Thomas Luig 25/10/2019 09:54:52

    Meiner Meinung nach wiederspricht sich die aktuelle Situation mit dem GAV.

    GAV Artikel 27:

    1 Die SBB verpflichtet sich zur aktiven Umsetzung der faktischen
    Gleichstellung, insbesondere bei der Anstellung, der Einreihung
    von Stellen, der Gestaltung der Arbeitsbedingungen,
    der Entlöhnung, der Personalentwicklung und der Beförderung.